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Mehrlenker-Radaufhängung eines Toyota Hilux.
Mehrlenker-Radaufhängung eines Toyota Hilux.

Spur, Sturz und Nachlauf – Grundlagen der Fahrwerksgeometrie

Fahrwerksgeometrie erklärt

Spur, Sturz und Nachlauf, diese Begriffe rund um die Fahrwerkgeometrie haben sicherlich die meisten schon gehört. Sie müssen korrekt eingestellt sein. Aber warum eigentlich? Warum stehen Räder weder gerade noch senkrecht und was ist überhaupt der Nachlauf? Wenn ihr euch das gefragt habt, dann lest diesen Ratgeber.

Wer sich bereits gewundert hat, warum die Vorderreifen schief abgelaufen sind oder der Wagen zur Seite zieht, der sollte seine Fahrwerksgeometrie überprüfen und einstellen lassen. Im normalen Fahrbetrieb, aber auch wenn es für die Räder und Achsen ruppiger zugeht, verstellen sich gerne die Fahrwerksparameter. Außerdem können der Verschleiß von Gummilagern und Buchsen dafür verantwortlich sein, dass die Fahrwerksparameter nicht mehr exakt eingehalten werden und das Auto schwammig wirkt.

Mit Veränderungen an der Fahrwerksgeometrie werden wichtige Dinge, die die Sicherheit, den Komfort und das Fahrverhalten betreffen verändert. Grundsätzlich gilt, wer Maximales aus seinem Fahrzeug herausholen will, fängt zuerst bei den Reifen an, dann das richtige Fahrwerkssetup und zuletzt kommt die Leistung. Wer hier ohne ausreichendes Wissen eingreift, kann vieles verschlimmern. Im günstiges Fall ist der Komfort futsch und der Reifenverschleiß hoch, im ungünstigen Fall wird das Auto zu einer unberechenbaren und unkontrollierbaren Schleuder.

Gut, das Fahrer eines Geländewagens mit Starrachsen es nicht mit der vollen Komplexität und Wissenschaft rund um die Fahrwerkseinstellungen zu tun haben. An der Vorderachse gibt es gerade einen verstellbaren Parameter, die Spur. An der Hinterachse gibt es keinen. Dort stehen die Räder schön gerade. Spätestens beim Höherlegen kommen allerdings doch noch ein paar Themen auch auf Starrachsenfahrer zu.

Fahrer von Geländewagen oder Pick-ups mit Einzelradaufhängung, zumeist an der Vorderachse, müssen mehr beachten, denn die teilweise sehr aufwändig konstruierten Radaufhängungen mit ihren zahlreichen Lenkern, Gummilagern und Buchsen sind sehr viel komplexer. Oft kommen hier Doppelquerlenker-Aufhängungen zum Einsatz, die eine oberen und unteren Lenker besitzen. Sie verändern bei Kurvenfahrt dynamisch ihre Parameter wir Sturz und Spur und können sich so an viele Einsatzbereiche anpassen lassen, beispielsweise um immer die maximale Auflagefläche oder maximalen Grip zu besitzen.

Doppelquerlenkerachse eines Toyota Hilux.
Doppelquerlenkerachse eines Toyota Hilux.

Deshalb weisen sie auch einen besseren Fahrkomfort und mehr Sicherheit auf, sind aber auf der anderen Seite empfindlicher und teurer bei Reparaturen. Anders als bei Starrachsen müssen hier mehr Parameter im Auge behalten werden: Spur, Sturz und zahlreiche Buchsen der diversen Lenker.

Wir besprechen Im Anschluss die drei wesentlichen Parameter Spur, Sturz und Nachlauf und erklären welchen Zweck sie haben und wie sie sich auswirken. Auch wenn bei Starrachsen nur an der Vorderachse die Spur eingestellt werden kann, so sind die anderen Eigenschaften dennoch vorhanden und müssen je nach Fahrwerksumbau durch das Tauschen von weiteren Fahrwerksteilen angepasst werden.

Tipp: Wer ersteinmal wissen möchte, was „Lenker“ sind, der sollte hier hereinschauen: Achskonzepte bei Geländewagen – Teil 2 – Längslenker und Panhardstab an der Hinterachse.

Die Spur

Die Spur gibt an, ob die zwei Räder einer Achse in Längsrichtung des Fahrzeugs nach außen oder nach innen stehen. Ihr schaut sozusagen von oben auf die Räder und dann stehen sie entweder nach innen oder außen geneigt. Stehen sie nach außen, nennt sich das Nachspur (englisch: toe out), stehen sie nach innen Vorspur (englisch: toe in). Stehen sie gerade wird das als Spur 0 bezeichnet. Das betrifft sowohl die Vorderräder als auch die Hinterräder.

Bei einer starren Hinterachse ist in der Regel keine Spurverstellung vorhanden, die Räder stehen parallel zur Längsachse des Fahrzeugs auf Spur 0. Ansonsten würden sich ja Antriebswelle und Mitnehmer gegeneinander verkanten oder bei einer einteiligen Antriebswelle würde sich die die Welle permanent verbiegen. An der Vorderachse ist das möglich, da die Antriebswellen durch ein Gelenk unterbrochen sind, die eine andere Stellung der Räder erlauben.

Die Größenordnung der Verstellung wird entweder als Winkel in Grad und Minuten von der Längsachse aus angegeben oder in Millimetern, die die inneren Felgenhörner vorne oder hinten näher zusammenstehen.

Jetzt mag einem sofort in den Sinn kommen, warum? Wenn die Räder nicht gerade und parallel zur Längsachse laufen, dann scheuern doch die Reifen ständig über den Untergrund! Ja, das ist richtig, aber es ist gewollt und es birgt nur geringen und vertretbaren Verschleiß, sofern die erlaubten Toleranzen eingehalten werden, die eng gefasst sind. Gängige Werte liegen um die 2,5 Millimeter Differenz, um die die Felgenhörner enger zueinander stehen.

Der Spurwinkel sorg u.a. für die Lenkradrückstellung.
Der Spurwinkel sorg u.a. für die Lenkradrückstellung.

Was die Spur bewirkt

Bei der Vorspur möchten die Räder aufeinander zulaufen, bei der Nachspur voneinander weg. So entsteht eine permanente Kraft, die das Fahrwerk vorspannt. In den zahlreichen Gummibuchsen und Lagern verschwindet das Spiel. In Folge stabilisieren sich die Lenkung und das Fahrzeug.

Würden die Räder exakt in Längsrichtung stehen, könnten sie leicht mal nach rechts und mal nach links wegdrehen wollen. Die Lenkung würde flattern und ein ungenaues Fahrgefühl entstehen. Durch die Vorspannung wird dem Fahrer ein wesentlich besseres Gefühl und Feedback von der Straße gegeben. Ein kleiner Teil der Rückstellkräfte, die nach dem Einlenken die Lenkung wieder in den Geradeauslauf drehen entstehen auch durch die Spur.

Ein weiterer Effekt ist die Vorspannung der Profilblöcke der Reifen. Dadurch haben die Reifen einen besseren Grip. Es gibt für Reifen eine Messkurve, die angibt welchen Grip sie bei welcher Verdrehung aus der Spur 0 haben (siehe Wie Reifen funktionieren). Im Motorsport werden die Reifen während der Kurvenfahrt sogar derart verdreht, dass ein hoher Verschleiß entsteht, der aber mit maximalem Grip belohnt wird (siehe Ackermann-Bedingung).

Die Gesamtspur

Die Gesamtspur ist die Summe der Spur links und rechts. Diese kann bei Fahrzeugen mit Einzelradaufhängung und Spureinstellung auf beiden Seiten unterschiedlich sein. In Summe sollte diese natürlich 0 betragen, da auf der einen Seite ein negativer Wert steht und auf der anderen der gleiche positive Wert. Aber selbst wenn die Gesamtspur nicht 0 beträgt, fährt das Fahrzeug geradeaus, denn die Räder richten sich durch die wirkenden Kräfte automatisch so aus, dass auf beiden Seiten die gleiche Kräfte wirken. Die Folge ist ein schief stehendes Lenkrad.

Bei Fahrzeugen mit Starrachse hat eine verstellte Spur keine Auswirkung auf die Position des Lenkrades. Das Lenkrad kann allerdings schief stehen, wenn die Lenkstange nicht richtig eingestellt ist.

Ausgangspunkt der Messung

Jetzt wird es doch noch etwas komplizierter. Oben schrieben wir, dass die Spur, zumindest an der Vorderachse, zur Längsachse des Fahrzeugs gemessen wird. Das ist so aber nicht ganz richtig, auch wenn das in der Praxis in den meisten Fällen keinen Unterschied macht. Denn es gibt noch eine zweite Achse, die idealerweise auf der Längsachse liegt: die geometrische Fahrachse. Und die wird von den Hinterrädern bestimmt. Stehen die Hinterräder, respektive die Hinterachse gerade sind Längsachse und geometrische Fahrachse gleich, also kein Problem. Stehen die Hinterräder allerdings schräg zur Fahrzeuglängsachse, liegt die geometrische Fahrachse auch schräg.

Die Spur wird messtechnisch nach der geometrischen Fahrachse ausgerichtet.

Die Räder richten sich in dem Fall den Kräften entsprechend wieder in den Geradeauslauf aus, aber dabei steht das ganze Fahrzeug schief und fährt entlang der geometrischen Fahrachse.

Seht die Hinterachse schräg, steht der Wagen auch schräg.
Seht die Hinterachse schräg, steht der Wagen auch schräg.

Ein Fall in denen die Hinterräder dauerhaft schief stehen können ist beispielsweise wenn einer der hinteren Längslenker verbogen ist. Dann steht das Rad auf seiner Seite etwas weiter nach vorne. Die Hinterachse wird dann leicht aus der Mitte der Fahrzeuglängsachse gedreht. Ein anderer Fall wäre eine verschränkte Hinterachse, aber das dürfte nur im Gelände vorkommen und hat damit keine spürbaren Auswirkungen.

Ein deutlicher Schiefstand kann Auswirkungen auf elektronische Assistenzsysteme haben. Nach vorne gerichtete Sensoren, beispielsweise Abstandswarner, „schauen“ dann leicht schräg und möglicherweise am vorderen Hindernis vorbei.

Fahrverhalten in Bezug auf die Spur

Solange der Wagen gerade fährt und die Straße eben ist, spürt ihr die Spur nur an der stabilisierten Lenkung und dem Geradeauslauf. Wird die Straße uneben werden Lenkkorrekturen nötig. Das liegt daran, dass der momentane Grip der einzelnen Räder bestimmt, wohin das Fahrzeug fährt. Der Grip ist wiederum von der Last abhängig, die auf das Rad drückt. Auf stark unebener Fahrbahn wechseln Last und Anpressdruck ständig und somit auch der Grip. Das alles in kurzen Abständen. Der Wagen rollt dann mal nach links und mal nach rechts, je nach dem welches Rad gerade auf eine Unebenheit auffährt und so kurzzeitig eine höhere Last erfährt. Ihr müsst ständig kleine Lenkkorrekturen vornehmen, aber das ist normal.

Bei Starrachsen verändert sich der eingestellte Spurwert beim Ein- und Ausfedern der Achse selbst nicht. Aber die Neigung in der die Räder zur Fahrbahn stehen ändert sich. Diese Änderungen finden in einem akzeptablem Rahmen statt. Erst bei erheblichen dauerhaften Höherlegungen, kann es zu spürbaren Effekten kommen. Zumeist verringert sich die Rückstellkraft und der Reifenverschleiß nimmt zu.

Bei Fahrzeugen mit Einzelradaufhängung hängt es vom Aufbau und er Geometrie der Querlenker ab, ob sich beim Ein- und Ausfedern die Spur verändert. Bei jedem Fahrzeug verändert sich allerdings beim Lenken die Spur, dazu beim Thema Ackermann-Bedingung mehr.

Kurvenfahrt

Für die Kurvenfahrt spielt die Spur eine wichtige Rolle. Sie bestimmt mit, ob das Fahrzeug über- oder untersteuert und ob es lenkwillig ist, d.h. ob es schnell und leicht einlenkt oder eben nicht. Zumeist wird bei Starrachsen und weniger sportlichen PKW eine Nachspur an der Vorderachse gewählt, da sie wie im Folgenden beschrieben, ein ruhiges und kontrollierbares Einlenken ermöglicht.

Während des Geradeauslaufs dominiert keines der beiden Vorderräder, da beide den gleichen Grip haben. Jetzt lenkt ihr ein. Hat das Fahrzeug Nachspur zieht nun das Kurveninnere Rad den Wagen bereits in die Kurve hinein, während das kurvenäußere Rad vielleicht gerade die Geradeausstellung erreicht hat oder auch schon leicht in die Kurve zeigt. Das Fahrzeug folgt willig der Lenkanforderung. Das Fahrzeug läuft nun kurz der von von euch gewünschten Kurvenlinie bis zu dem Punkt, an dem sich das Gewicht durch die Fliehkraft anfängt zu verlagern. Jetzt drückt das Gewicht mehr auf die kurvenäußeren Räder, insbesondere auf das Vorderrad. Der Druck auf das Vorderrad wird zudem verstärkt, da beim Einlenken auch oft die Geschwindigkeit reduziert wird. Das äußere Vorderrad hat jetzt den besten Grip von allen und bestimmt nun wo es langgeht. Da es durch die Nachspur etwas nach außen zeigt, also aus der gewollten Kurvenbahn heraus, beginnt das Fahrzeug zu untersteuern. Ihr könnt das daran merken, das ihr, zumeist unterbewusst, kurz nach dem ersten Einlenken noch einmal ein kleines bisschen nachlenken müsst. Das ist der Moment, an dem das äußere Rad anfängt hauptsächlich die Richtung zu bestimmen. Nach der Korrektur zeigt das äußere Vorderrad in die gewünschte Richtung um durch die Kurve zu fahren.

Kurvenfahrt bei untersteuernder Spur.
Kurvenfahrt bei untersteuernder Spur.

Kommt ihr in den Bereich, in dem keine Laständerung mehr erfolgt und ihr konstant durch die Kurve fahrt, bestimmt die Achse mit dem besseren Grip, wie es weitergeht. Sobald ihr die Last wieder verändert, werden die Karten neu gemischt. Beschleunigt ihr und drückt somit mehr Gewicht auf die Hinterachse, kann das zu weiterem Untersteuern führen, wenn die Spur an der Hinterachse 0 beträgt. Bremst oder verlangsamt ihr, geht mehr Gewicht auf die Vorderachse und der Wagen neigt zum Übersteuern (ihr habt ja die Lenkung beim Kurveneingang zu Gunsten des Übersteuerns korrigiert).

Umgekehrt ist es bei Vorspur. Hier zeigt das kurvenäußere Rad schärfer in die Kurve, weshalb der Einlenkvorgang schneller und schärfer abläuft. Zudem bauen die Reifen durch die stärkere Verdrehung noch besser Grip auf. Um dem Übersteuern entgegen zu wirken lenkt ihr dann etwas zurück, ihr „macht die Lenkung auf“. Im konstanten Bereich gelten dann wieder die gleichen Bedingungen wie bei der Nachspur.

Das war jetzt eine etwas vereinfachte Beschreibung. Es wirken noch weitere Faktoren mit ein, wie die Seitenführungskäfte die jedes Rad aufbringt. Bei allen Fahrzeugen wirken die gleichen physikalischen Faktoren, jedoch verändern sich diese bei Fahrzeugen mit Starrachsen weniger als bei Fahrzeugen mit mehreren Lenkern. Komplexere Radaufhängungen verändern bei Kurvenfahrt einige Fahrwerksparameter dynamisch und das macht die Erfassung sehr viel aufwendiger.

Gluehbirne-Idee-Erklaerung

Übersteuern und Untersteuern

Um es mit den Worten des Rallyeweltmeisters Walter Röhrl zu sagen: „Übersteuern ist wenn der Beifahrer Angst hat. Untersteuern wenn ich Angst habe.“

Es geht natürlich auch etwas genauer und es braucht dazu nicht unbedingt einen Beifahrer. Unter- und Übersteuern beschreibt ob das Fahrzeug sich eher leicht einlenken lässt und in der Kurvenfahrt dazu neigt die Kurve immer enger zu fahren (Übersteuern) oder ob es sich etwas schwerer einlenken lässt und die Kurve eher weit fährt (Untersteuern).

Unter- und Übersteuern.
Unter- und Übersteuern.

Je nach Fahrzeugtyp und Charakter ist das eine oder andere gewünscht. Prinzipiell neigen frontgetriebene Fahrzeuge zum Übersteuern, da die äußeren Vorderräder den Wagen in die Kurve ziehen. Heckgetriebene Fahrzeuge neigen zum Untersteuern, da die Hinterachse den Wagen leicht über die Vorderräder zum Kurvenäußeren schiebt.

Üblicherweise werden übersteuernde Fahrzeuge als sportlich empfunden. Deshalb mag Walter Röhrl wohl auch eher dieses Verhalten, bei dem das Auto dazu neigt mit dem Heck „rum zu kommen“, also mit dem Heck auszubrechen. Röhrl fängt dann das Heck wieder ein und driftet um die Kurve (wobei er eher nicht für das Querstellen des Fahrzeugs bekannt ist, sondern für präzises Fahren der Ideallinie). Untersteuern gilt als sicherer, aber weniger sportlich.

Auch an der Hinterachse gibt eine Vor- oder Nachspur, wobei bei Starrachsen Spur 0 zu finden ist. Bei normalen PKW wird immer eine Vorspur eingestellt, da sie stabilisierend wirkt. Gerade bei Kurvenfahrt arbeitet die Vorspur gegen das Ausbrechen des Hecks, da das kurvenäußere Rad mit mehr Grip ins Kurveninnere zeigt. Nachspur wird nur von Experten im Motorsport verwendet, da das Heck nach außen gelenkt wird, was das Ausbrechen des Hecks fördert.

Gluehbirne-Idee-Erklaerung

Herr Ackermann und seine Bedingung

Vielleicht ist euch im Bild mit der Kurvenfahrt oben aufgefallen, dass die Vorderräder nicht parallel einlenken, sondern das kurveninnere Rad stärker einlenkt als das Äußere. Das ist volle Absicht so und wird über die Spurstange erreicht. Sie bildet zusammen mit der Achse ein Trapez. Dreht ihr das Lenkrad, so schiebt oder zieht die Lenkstange ein Rad nach links oder rechts, so dass es einlenkt. Über die Spurstange wird diese Bewegung auf das zweite Vorderrad übertragen. Da die Hebel, an der die Spurstange befestigt ist, schräg stehen, entsteht ein Trapez und eine Seite dreht dann stärker heraus als die andere.

Dabei ist es nicht egal, ob die Spurstange vor oder hinter der Achse liegt. Im Bild ist die Spurstange hinter der Achse, deshalb zeigen die Lenker an denen die Spurstangenköpfe sitzen zur Fahrzeugmitte. Liegt die Spurstange vor der Achse, müssen die Lenker mit den Spurstangenköpfe zu den Rädern zeigen.

Spurstange mit Trapez für Ackermann-Bedingung.

Die Ackermann-Bedingung ist gut zu sehen. Das linke Vorderrad ist stärker eingeschlagen als das rechte.
Die Ackermann-Bedingung ist gut zu sehen. Das linke Vorderrad ist stärker eingeschlagen als das rechte.

Und warum soll das so sein? Weil der gute Herr Ackermann schon vor der Erfindung des Automobils festgestellt hat, dass mehrspurige Fahrzeugen, nur ohne Scheuern und Probleme um eine Kurve fahren können, wenn alle Radmittelpunkte sich um einen zentralen Punkt drehen. Da zweiachsige Fahrzeuge in der Kurve vier Spuren haben, musste man sich da etwas einfallen lassen. Für die ungelenkten Hinterräder war das noch einfach. Sie haben den gleichen Drehmittelpunkt, nur eine unterschiedliche Entfernung dazu. Bei den gelenkten Vorderrädern ist das anders. Würden sie gleich stark einlenken, würden sie nicht beide den Mittelpunkt treffen.

Deshalb muss das kurveninnere Rad stärker eingedreht werden. Am Ende müssen die verlängerten Mittelpunkte der Räder sich in diesem einen Drehpunkt treffen, damit die Ackermann-Bedingung erfüllt ist. Das ist die Voraussetzung, um ohne Reifenscheuern Kurven fahren zu können. Es schont also die Geldbörse und erhöht den Fahrkomfort ungemein. Wird das genau eingehalten, ist die Auslegung des Ackermann-Winkels 100%. Im PKW-Bereich sind 0% bis 50% Abweichung vom idealen Winkel üblich.

Die-Ackermann-Bedingung.
Die-Ackermann-Bedingung.

Wer jetzt dachte, dass ist kompliziert, den muss ich enttäuschen. Denn der bessere Grip kommt mit der zunächst widersinnig erscheinenden parallelen Stellung der Vorderräder zueinaner oder gar leicht umgekehrten Einstellung, weshalb beide im Motorsport zu finden sind. Dabei treffen sich die verlängerten Achsen nicht mehr in einem Punkt, da das äußere Rad parallel zum inneren steht oder sogar weiter in die Kurve eingedreht wird, als das innere (Anti-Ackermann).

Das Rätsels Lösung liegt in den von einem Reifen auf den Boden übertragbaren Seitenkräften. Die sind bei echten Rennreifen sehr hoch, wenn der Reifenlatsch durch die Verdrehung ordentlich vorgespannt wird. Die Verdrehung entsteht durch die unterschiedliche Ausrichtung des Reifenlatsch zur Felge. Da die äußeren Räder, insbesondere das vordere, die meisten Seitenkräfte übertragen müssen, verzichtet man eher auf die Mithilfe der kurveninneren Räder und nutzt die hohe Kapazität am Außenrad. Der Preis dafür ist ein höherer Reifenverschleiß.

Mehr dazu in unserem Artikel zum Reifengrip: Wie Reifen funktionieren.

Der Sturz

Mit der Spur sind wir aber nicht fertig, was die Reifen angeht. Sie werden nicht nur in einem Winkel in Fahrtrichtung angestellt, sie werden zusätzlich in der Senkrechten gekippt. Das nennt sich Sturz. Der ist positiv, wenn die Oberseite des Rades nach außen geneigt ist und negativ, wenn sie nach innen geneigt ist.

Die Effekte die mit dem Sturz (englisch: camber) erzielt werden sollen sind zum einen wieder eine Stabilisation und zum anderen, bei negativem Sturz, das Erhalten einer möglichst großen Reifenauflagefläche bei Kurvenfahrt. Durch das Ankippen wird der Umfang des Reifens an der gekippten Seite effektiv kleiner. Der Reifen hat nicht mehr die Form eines Zylinders sondern eines Kegels. Wem schon einmal ein Trinkbecher umgefallen ist konnte den Effekt beobachten. Der Becher rollt dann mit der Seite des größeren Umfangs um die Seite des kleineren Umfangs im Kreis. Beim Fahrzeug verhält es sich dann so, dass bei positivem Sturz die Räder voneinander weg laufen wollen, beim negativen aufeinander zu. Ähnlich wie bei der Spur entsteht so eine Vorspannung.

Der Sturz erzeugt einen Kegeleffekt.

Bei allen Fahrzeugen ändert sich der effektive Sturz ständig. Sei es beim Lenken oder bei Einzelradaufhängung durch die Auslegung der Lenker. Die Änderungen passieren teilweise durch Verformung der Reifen und teilweise sind sie durch die gewählte Geometrie vorgegeben.

Fahrverhalten

Wie bei der Spur auch entstehen durch den Sturz Kräfte, die das Fahrzeug und die Lenkung stabilisieren und Spiel in den Fahrwerksteilen eliminieren. Aber den größten Effekte erzeugt der Sturz in der Kurvenfahrt.

Kurvenfahrt

Wenn sich das Auto in der Kurve befindet, krümmen sich insbesondere die kurvenäußeren Reifen im unteren Bereich. Dadurch verlieren gerade die der bei Kurvenfahrt so wichtigen äußeren der Reifen im unteren Bereich an Aufstandsfläche. Dieser Effekt wird durch negativen Sturz ausgeglichen. Bei Einzelradaufhängung können die Lenker auch so ausgelegt sein, dass bei der Kurvenfahrt ein anderer Sturz erzeugt wird, beispielsweise in dem der obere Lenker beim Neigen des Fahrzeugs in die Kurve das Rad zu sich zieht und so einen negativen Sturz erzeugt.

Geländewagen und Nutzfahrzeuge haben zumeist einen positiven Sturz. Dieser dämpft Stöße auf die Lenkung besser ab. Straßenfahrzeuge, die normalerweise auch höhere Kurvengeschwindigkeiten fahren haben zumeist negativen Sturz, da er wie bereits angedeutet, die Reifenauflagefläche der bei Kurvenfahrt wichtigen äußeren Räder erhöht. Daran lässt sich schon erkennen, dass Fahrzeuge mit Starrachse nicht die besten Kandidaten für Hochgeschwindigkeitsfahrten in den Bergen sind, da sie so einen Mechanismus nicht besitzen. Sie haben keine Lenker, die den Sturz in der Kurvenfahrt anpassen.

Nachlauf (caster)

Wenn ihr einen Einkaufswagen seht könnt ihr den Effekt des Nachlaufs (englisch: caster) beobachten. Die kleinen Rollen stehen nicht genau unter ihrem Drehpunkt sondern versetzt dazu. Das ist notwendig, damit sie sich automatisch in Fahrtrichtung ausrichten und stabil mitlaufen. Gut, bei Einkaufswagen die ich erwische funktioniert das meistens nicht, das ändert aber nichts Grundsätzliches an diesem Prinzip.

Einfaches Beispiel für den Nachlauf: der Einkaufswagen. Designed by fullvector / Freepik
Einfaches Beispiel für den Nachlauf: der Einkaufswagen.
Designed by fullvector / Freepik

Der Nachlauf ist dabei wie folgt definiert. Die Achse, um die das Rad schwenkt wird verlängert, bis sie die Straße kreuzt. Der Abstand von diesem Punkt zur Mitte der Aufstandsfläche des Reifens ist die Nachlaufstrecke. Liegt der Punkt vor der Aufstandsfläche ist der Nachlauf positiv, liegt er dahinter, ist er negativ. Der Nachlauf ist nur für die gelenkte Achse von Bedeutung und Fahrzeuge mit Heckantrieb haben immer einen positiven Nachlauf.

Bei gelenkten Starrachsen wird das dadurch erreicht, dass die Achse, um die das Rad schwenkt, leicht schräg steht. Die Gelenke, die diese Achse bilden stehen also nicht senkrecht zur Straße.

Der Nachlauf (blaue Linie).
Der Nachlauf (blaue Linie).
bei einer Höherlegung wird der Nachlauf kleiner.
bei einer Höherlegung wird der Nachlauf kleiner.

Der Nachlauf sorgt für eine gute Spurtreue und es ist die entscheidende Kraft, die nach dem Einlenken für die automatische Rückstellung der Lenkung in den Geradeauslauf sorgt. Er darf nicht zu groß und nicht zu klein sein. Ist er zu klein, nehmen der Lenkwiderstand und die Rückstellkräfte ab. Die Lenkung wirkt instabil und flatternd, das Gefühl für die Lenkung wird durch den geringeren Widerstand schlechter. Ist er zu groß, erscheint die Lenkung schwer und träge.

Spur, Sturz und Nachlauf einstellen

Mit Ausnahme der Spureinstellung an starren Vorderachsen ist die Einstellung von Spur, Sturz und Nachlauf Sache für Profis, die auch die notwendigen Messgeräte dafür haben. Wen es dennoch interessiert, wie das geht, der kann es hier nachlesen.

Die Spur einstellen

Bei einer Starrachse ist die Spur sehr simpel einzustellen. Es gibt vor oder hinter der Achse die Spurstange, die die Vorderräder verbindet und die die Lenkbewegung von einem auf das andere Rad überträgt. Die Spurstange ist zweiteilig und ein Teil ist in das andere eingeschraubt. Eine Schelle o.ä. sichert diese Verbindung. Zum Einstellen löst man die Schelle und dreht die Spurstange um die Länge zu verändern, auf dem erforderlichen Wert. Der wird oft in Millimetern angegeben, die die Felgenhörner näher zueinander oder voneinander weg stehen müssen.

Nach dem Lösen der Schelle benötigt man nur eine Stange, die dem Abstand der inneren Felgenhörner bei Spur 0 entspricht, sagen wir beispielsweise 1860 mm. Wird im Handbuch eine Nachspur von 2 mm angegeben, misst man mit der Stange mittig an den vorderen Felgenhörnern, da sie bei Nachspur dort weiter auseinander stehen. Die Stange wird waagerecht zwischen Ihnen gehalten und auf Höhe der Mitte der Radnabe an einem Felgenhorn angesetzt. Auf der anderen Seite muss dann eine Lücke von 4 mm zwischen Stange und Felgenhorn sein. Alternativ kann auch eine Stange mit 1864 mm genommen werden, die dann genau zwischen die Felgenhörner passen muss.

Bei Fahrzeugen mit Einzelradaufhängung gibt es nicht die eine Spurstange. Dort wird die Spur über die getrennten Lenkstangen zu beiden Seiten eingestellt.

Den Sturz und den Nachlauf einstellen

An einem Fahrzeug mit starrer Vorderachse können weder Sturz noch Nachlauft eingestellt werden. Beide sind durch ist durch die Lage des Königsbolzens vorgegeben.

Bei Fahrzeugen mir Einzelradaufhängung und mehreren Lenkern sind dafür Schrauben am unteren Lenkerarm vorgesehen. Er ist mit zwei Punkten an der Karosse und einem am Radträger befestigt. Mit ihnen werden gleichzeitig Sturz und Nachlauf eingestellt. Diese Schrauben besitzen eine ovale Scheibe, die beim Drehen den Lenker an dem jeweiligen Befestigungspunkt nach außen oder innen verschiebt. Mit der Skala auf der Schraube kann der eingestellte Wert von einer Seite leicht auf die andere übernommen werden.

Vor dem einstellen sind die aktuellen Werte mit den entsprechenden Messgeräten zu ermitteln. Im Werkstatthandbuch finden sich dann die Werte, die eingehalten werden müssen und wie ihr die Schrauben zu drehen habt.Am unteren Lenker ergibt sich folgendes Schema für die Einstellung:

Parameter Vorderseite des Lenkers Hintere Seite des Lenkers
Nachlauf vergrößern nach innen verstellen nach außen verstellen
Nachlauf verkleinern nach außen verstellen nach innen verstellen
Sturz vergrößern nach innen verstellen nach innen verstellen
Nachlauf verkleinern nach außen verstellen nach außen verstellen
Nachlauf und Sturz vergrößern nach innen verstellen
Nachlauf und Sturz verkleinern nach außen verstellen
Einstellmöglichkeiten an der Mehrlenker-Vorderachse.
Einstellmöglichkeiten an der Mehrlenker-Vorderachse.

Ihr wollt mehr wissen?

Wer sich tiefer in die Materie einarbeiten will, dem seien die Bücher „Fahrwerkhandbuch“ und „Grundkurs Rennwagentechnik“ aus der Professional-Reihe des Springer Vieweg Verlag empfohlen.

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