Wasserstoff – Der Stoff, auf den alle warten, auf den alle setzen. Ihm wird zugesprochen, alle unsere Energiefragen und die damit verbundenen Umweltprobleme zu lösen. Aber hält der Stoff, was er verspricht und ist er so problemlos zu gewinnen und einzusetzen, wie das so oft behauptet wird? Wir geben einen Wasserstandsbericht.
Bereits 2016 sagte Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler (Maschinenbau)von der APL Group in einem Interview mit der MTZ (Motortechnische Zeitschrift, Springer Professional), dass es vom Wirkungsgrad her besser ist, den elektrischen Strom direkt zu nutzen, aber es in Zukunft noch viel um das Thema der Speicherung der Energie in chemischen Energiespeichern gehen wird. Denn meistens steht die Energie nicht direkt dann und dort zur Verfügung, wo sie aktuell benötigt wird. Damit sind wir beim Wasserstoff und anderer flüssiger oder gasförmiger Energieträger angekommen. Denn ohne diese und deren Vorteile bei der Speicherung, dem Transport und insgesamt bei ihrer Flexibilität sind sie auch im Jahr 2024 nicht wegzudenken.
Bei einem Bestand von 1,6 Milliarden Fahrzeugen weltweit ist eine Rückwärtskompatibilität von neuen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels oder eben Wasserstoff, zwingend angeraten, will man möglichst schnell eine Reduzierung der CO2-Emissionen erreichen.
Leider ist Wasserstoff immer noch weit weg von der einfachen Nutzung in der Mobilität, sowohl beim PKW als auch beim LKW. Und bringt der Einsatz als banaler Kraftstoff die Effekte, die wir gerade dringend benötigen, die Reduzierung von CO2?
Warum ist das so und warum ist der Durchbruch noch nicht erreicht? Warum wird er trotzdem immer wieder als einfache Lösung (nahezu) aller Probleme genannt? Ist in den nächsten Jahren mit dem massenhaften Einsatz zu rechnen?
Wir haben uns für den ersten Teil den gesamten Weg von der Produktion bis zum Fahrzeug angesehen. Dabei beleuchten wir die Probleme und Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Im zweiten Teil geht es um die direkte Nutzung in Fahrzeugen, die Vorteile, Vorbehalte und Ergebnisse erster Langzeittests, wenn Wasserstoff in Verbrennungsmotoren eingesetzt wird.
Wasserstoff – Was ist das genau?
Vorab ein paar Fakten zu Wasserstoff, dem kleinsten chemischen Element, welches wir kennen. Wasserstoff ist allgegenwärtig und durch das Kreislaufgeschehen nahezu unbegrenzt verfügbar. Allerdings trifft das nicht auf den Wasserstoff zu, den wir industriell oder in Fahrzeugen nutzen, denn dabei geht es um Wasserstoffgas. Ersteres ist der Wasserstoff als Element „H“, ein einzelnes Atom. Letzteres ist H2, ein Molekül, also die Verbindung von zwei Wasserstoffatomen. Das ist dummerweise extrem selten frei verfügbar. Der Anteil liegt bei 0,55 ppm oder anders gesagt, 0,55 Anteile Wasserstoffgas auf eine Million Anteile Luft in unserer Atmosphäre.
Um das einmal zu veranschaulichen, nehmen wir einen Behälter von 1 x 1 x 1 Meter, das ist ein Kubikmeter oder 1.000 Liter Volumen. Den stapeln wir 10.000-mal aufeinander. Das ist höher als der Mount Everest und ergibt 10.000.000 Liter. Dann entspräche der Anteil an Wasserstoffgas einem 5 Liter Reservekanister. Wasserstoffgas, so wie wir ihn nutzen können, muss zunächst hergestellt werden, eines der großen Probleme bei der Wasserstoffnutzung, wie wir noch sehen werden.
Vor der Nutzung des Wasserstoffs muss es zunächst aus seiner gebundenen Form herausgeholt werden. Es findet sich in Wasser, Methan (Erdgas) oder Biomasse. Darauf kommen wir später zurück.
Wasserstoff ist sehr, sehr, sehr klein und es kann durch fast nichts aufgehalten werden. Auch nicht durch Stahlrohre oder Tanks etc. Es ist immer ein Verlust zu verzeichnen, da diese kleinen H2-Burschen sich geschickt durch alles hindurch diffundieren, sprich, Wasserstoff entweicht. Das macht wieder besondere Tanks nötig, die auch langfristig Wasserstoff sicher und verlustfrei speichern können. Dazu kommen Tanks mit gasdichten Inlinern und Carbonfaserummantelung zum Einsatz.
Die Energie im Wasserstoff
Wasserstoff ist ein sehr guter Energieträger. Er enthält mehr Energie pro Kilogramm als die Energieträger Diesel, Benzin oder Erdgas. In der technischen Anwendung als Treibstoff für die Mobilität kommt es aber auch auf eine andere Einheit an: das Volumen, gemessen in Litern. Jetzt gerät Wasserstoff zunächst ins Hintertreffen, denn es hat eine sehr geringe Energiedichte: gerade einmal 3 Watt pro Liter. Diesel kommt hingegen auf rund 10.000 Watt pro Liter.
Kompression
Die Kompression von Wasserstoff, die wegen der geringen Energiedichte eine große Rolle spielt, folgt einem Kompressionsfaktor, der bei steigendem Druck immer schlechter wird. Das ist üblich für Gase. Der Faktor, der die Abweichung vom idealen Verhalten eines Gases bei Kompression beschreibt, wird mit steigendem Druck größer. Er beträgt bei 100 bar 1,065 und steigt bei 700 bar auf 1,489. Damit kommen wir bei der Wasserstoffdichte von 0,0899 kg/m3 und 700 bar Druck auf 42,27 kg/m3 Volumen.
Die Herstellung
Fangen wir am Anfang an, bei der Herstellung. Wasserstoff wird in drei Klassen eingeteilt:
- Grauer Wasserstoff: Der ist vergleichsweise einfach und günstig zu erzeugen und hat den enormen Nachteil, das auf ca. 1 Tonne Wasserstoffgas 10 Tonnen CO2 entstehen. Das ist der Wasserstoff, der heute industriell überall günstig gefertigt wird.
- Blauer Wasserstoff: Er wird aus Biomasse, also Pflanzen, gewonnen und ist klimaneutral. Das zuvor in Biomasse gebundene CO2 wird freigesetzt und wieder durch nachwachsende Pflanzen gebunden. So entsteht ein CO2-Kreislauf, aber kein neues CO2.
- Grüner Wasserstoff: Bei diesem sehr energieintensiven Verfahren der Elektrolyse wird überhaupt kein CO2 erzeugt. Der Rohstoff ist Wasser, welches in Wasserstoff H2 und Sauerstoff O2 gespalten wird. Der Wasserstoff gilt nur als grün, wenn der benötigte Strom aus regenerativen Quellen stammt.
Der Wasserstoff, den wir haben wollen, weil er kein überschüssiges Treibhausgas CO2 emittiert, ist entweder blauer oder grüner Wasserstoff. Nur diese beiden werden aus regenerativen Energien und unter Ausschluss fossiler Energieträger hergestellt. 2023 wurden weltweit jedoch noch 95% des Wasserstoffgases aus Methan und unter hohen CO2-Emissionen gewonnen. Eine katastrophale Bilanz.
Die Verfahren
Es gibt drei grundsätzliche Herstellungswege: thermochemisch, elektrochemisch und auf Basis von Biomasse biochemisch. Beim thermochemischen Verfahren, bei dem am Ende grauer Wasserstoff entsteht, wird auf mehrere aufeinanderfolgende chemische Spaltprozesse gesetzt, die maximal ca. 830 °C erreichen müssen oder deutlich darunter liegen. Dabei werden Kohlenwasserstoffe genutzt, um zum einen die nötige Energie für die Reaktion zu liefern und teilweise auch das Wasser selbst. Der große Nachteil dieser Verfahren, insbesondere bei der immer noch weit verbreiteten Nutzung von Methan (Erdgas), ist die Erzeugung großer Mengen CO2.
Bei Biomasse als Quelle kommen entweder ähnliche Verfahren mit ähnlichen Nachteilen wie bei der thermochemischen Umwandlung zum Einsatz oder die derzeit noch sehr wenig ergiebige Fermentierung. An einer Verbesserung wird noch geforscht. Einen großvolumigen Einsatz gibt es noch nicht, allerdings wird in diesem Verfahren noch viel Potenzial gesehen.
Der grüne Wasserstoff entsteht elektrochemisch, sofern der Strombedarf durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Es gibt drei Verfahren, die alkalische Elektrolyse, die Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyse und die Hochtemperatur-Elektrolyse. Die alkalische Elektrolyse wird bereits seit den 1950er-Jahren betrieben. Sie läuft zwischen 40 °C und 90 °C und unter geringem Druck zwischen 1 bis 30 bar ab. Bei ihr kommt der Gefahrenstoff Kaliumhydroxid zum Einsatz und es ist eine sehr aufwendige und energieintensive Reinigung des Wasserstoffs erforderlich, um den Grad von 99,999 % Reinheit zu erreichen. Die Anlage stellt hohe technische Anforderungen und die Effizienz ist begrenzt.
Die Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyse kommt sehr gut mit schwankenden Energielieferanten wie Solar- oder Windenergie klar, erfordert aber teure und seltene Metalle wie Platin und Iridium.
Am effizientesten ist derzeit die unter hohen Temperaturen arbeitende Hochtemperatur-Elektrolyse. Das Wasser wird bei zwischen 700 °C bis 1.000 °C gespalten. Dennoch ist der Energieeinsatz bei diesem Verfahren geringer als bei den anderen beiden.
Die elektrochemischen Verfahren im Vergleich
Parameter | Alkalische Elektrolyse | Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyse (PEM) | Hochtemperatur-Elektrolyse (HTE) |
---|---|---|---|
Druck in bar | 32 | 40 | 1 bis 3 |
Energie kWh/m3 H2 | 4,6 | 4,8 | 3,8 |
Wirkungsgrad in % | 65 | 65 | 82 bis 90 |
Quelle: FH Münster
Standortprobleme
Schaut man beim Bundesministerium für Forschung und Bildung (BMFB) nach, finden wir in der nationalen Wasserstoffstrategie die Aussage, dass Deutschland zur führenden Nation in den Bereichen Transport und Nutzung von Wasserstoff werden soll. Ja, richtig, nicht für die Herstellung. Der Bedarf der Bundesrepublik wird bis 2030 bei 90 bis 110 TWh gesehen, von denen 14 TWh national gedeckt werden sollen. Der Rest muss importiert werden. Das ist gut erkannt, denn möchten wir nur blauen und grünen Wasserstoff nutzen, dann ist Deutschland geografisch nicht der richtige Ort zur Produktion.
Der Grund dafür sind die begrenzten Ressourcen, die verschiedene Konkurrenzsituationen bei Ressourcen und Stromverbrauchern und das daraus resultierende Konfliktpotenzial. Die Ressourcen Platz und Umwelt, die Deutschland für regenerative Energie zur Verfügung stellen kann, sind begrenzt. Dabei geht es um Fläche (Windkraft, Solar, Anbaufläche für Biomasse) und Wasserkraft (Staudamm). Es können nicht alle Flächen bebaut oder bepflanzt und alle Flüsse aufgestaut werden. Es kommt dann zwangsläufig zu Konflikten zwischen den Nutzungswünschen und Nutzungsbestimmungen der Flächen, dem Umweltschutz und den Bürgern. Es droht ein Akzeptanzproblem, wie es derzeit die Windenergie erfährt. Zudem gibt es gesetzliche Regelungen, z. B. Abstände, die einzuhalten sind oder das Verbot von Windrädern in städtischem Gebiet, die Einschränkungen bedeuten. Das alles verschärft diese Situation. Auch die Geschwindigkeit des Ausbaus regenerativer Energien wird sich verlangsamen, da um die verbleibenden Flächen zunehmend konkurriert wird.
Gleichzeitig benötigen zahlreiche Verbraucher den Strom. Das Fortschreiten der E-Mobilität, der Ausbau und die steigende Nutzung von Internet und Mobilfunknetzen sorgen für steigenden Strombedarf. Das bisherige stromhungrigste Jahr war gemäß Umweltbundesamt 2007 mit 624 TWh (Terawattstunden). In den folgenden Jahren sank der Verbrauch zuletzt durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg bedingt. 2023 wurden 517 TWh benötigt. Nun wird mit einem Anstieg gerechnet, bedingt durch das Wiederanlaufen von Industrie und Handel, die E-Antriebe und von fossiler Energie entkoppelter Wärmebereitstellung. Dabei soll alles möglichst nachhaltig und umweltfreundlich mit regenerativem Strom abgedeckt werden. Das wird bereits auch ohne Wasserstoffherstellung schwierig.
Unlustiger Funfact!
Es gibt zahlreiche Studien, die die Wirkung von Vidoestreaming auf das Klima zum Thema hatten. Dabei ist der kleinste errechnete Wert an CO2-Emissionen pro Stunde Streaming 100 Gramm, der größte 170 Gramm. Das sind Werte, die PKW’s erreichen. Eine ARD Studie lieferte dazu die Nutzerzahlen: 2022 haben in Deutschland 73 Millionen Menschen im Schnitt 76 Minuten pro Tag Videos über das Netz geschaut. Das sind zwischen 7.300 und 12.410 Tonnen CO2 nur für Videos und nur in Deutschland pro Tag!
Andere Standorte sind notwendig
Damit muss die Herstellung in Länder ausgelagert werden, vorzugsweise dorthin, wo große Flächen und viel Sonne zur Verfügung stehen. Dabei richtet sich der Blick gerne auf Solarparks in Südeuropa und Nordafrika. Aber auch dort werden wir mit Problemen konfrontiert.
Üblicherweise sind sonnenreiche Länder eher trockene Länder. Hier entstehen die Konkurrenz und das Konfliktpotenzial um die Ressource Wasser. Entweder es ist knapp und die Menschen dort benötigen das Wasser selbst zum Leben und für die Landwirtschaft oder es ist gar kein Wasser dort.
Das führt wieder zu Konflikten, wenn die Ressource Wasser vor der Nase der Menschen in das Wasserstoffwerk gefahren wird. Gleichzeitig muss Energie, vielleicht auch fossile Energie in den Transport des Rohstoffs gesteckt werden. Es gibt dabei außerdem Probleme, die leicht übersehen werden: Die Solaranlage selbst muss sauber und staubfrei gehalten werden, was ebenfalls Wasser und Energie erfordert. Das mag trivial oder vernachlässigbar klingen, ist es aber nicht.
Spielverderber Physik
Bei der Herstellung haben wir die erste Energieumwandlung, die gemäß des zweiten Satzes der Thermodynamik immer verlustbehaftet ist. Inklusive aller logistischen Energieverbraucher fängt hier bei der Herstellung bereits der CO2-Zähler an zu zählen.
Fazit zur Herstellung
Halten wir als Fazit zur Herstellung fest: Entweder werden günstigere, weniger energieintensive Verfahren zur Wasserstoffgas-Herstellung genutzt, womit der Zweck das ganze CO2 einzusparen ad absurdum geführt wird. Oder wir nehmen einen hohen Energieeinsatz regenerativer Energien in Kauf, der erst bei gleichzeitig begrenzten Ressourcen oder problematischen Bedingungen erzeugt werden muss.
Es stellt sich auch die Sinnfrage, ob die Energie zum Spalten des Wasserstoffs für den Mobilitätssektor nicht besser direkt in einem Energiespeicher geleitet werden sollte, gerade wenn es immer leistungsfähigere Akkumulatoren gibt. Dann würde eine zweite notwendige Energieumwandlung zur Fortbewegung entfallen, was die Energiebilanz verbessert.
Der Transport
Wasserstoffgas erlebt zwei bis drei Transportetappen. Zunächst vom Herstellungsort zur Zielregion, dann von einer zentralen Stelle zu dezentralen Verteilerstellen (Tankstellen) und zuletzt im Fahrzeug selbst, sofern er als Treibstoff genutzt wird. Ein weiterer diskutierter Ansatz ist, das Wasserstoffgas auch dezentral direkt an den Tankstellen herzustellen, der gesamte Transport bis auf dem im Fahrzeug selbst würde so entfallen.
Der Transport von Wasserstoffgas ist mit diversen Problemen behaftet, die im wesentlichen eine Ursache haben. Wie eingangs erwähnt, hat Wasserstoff im Vergleich zu anderen Kraftstoffen eine sehr geringe Energiedichte. Die Herausforderung ist bei begrenztem Volumen und Gewicht eine sinnvolle wirtschaftliche Menge Wasserstoffgas zum Verbraucher zu bekommen. Das Problem trifft insbesondere bei der Verwendung als Kraftstoff zu.
Neben dem Transport wird die Speicherung von Wasserstoff als Energieträger sehr wichtig werden, da die benötigten Energiemengen in Deutschland nicht elektrisch gespeichert werden können. Flüssige- oder gasförmige Energieträger, die über längere Zeiträume und in großen Mengen gespeichert werden können, spielen dabei eine wichtige Rolle.
Weltweiter Massentransport
Um große Mengen aus den Erzeugerländern transportieren zu können, gibt es drei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit betrifft nur den Massentransport über große Distanzen, z. B. zwischen Kontinenten. Dabei kommen nur große Fahrzeuge mit großen Kapazitäten in Frage, also Schiffe oder Pipelines. Dabei muss dann der Wasserstoff an andere Stoffe gebunden oder verflüssigt werden. Letzteres geht nur über hohen Druck oder Temperaturen unter -240 °C.
Ein bewährtes Verfahren ist es, den Wasserstoff in Ammoniak zu speichern. Wasserstoff reagiert mit Stickstoff, es entsteht flüssiges Ammoniak, welches leicht und sicher bei -33 °C oder 8 bis 10 bar Druck zu transportieren ist. Der Nachteil ist ein erneuter Einsatz von Energie zum Verbinden, Herauslösen und Reinigen des Wasserstoffs. Hinzu kommt, dass sich um das Ammoniak gekümmert werden muss, da es giftig ist.
Energiebedarf beim Ammoniakverfahren
Der Transport von Wasserstoff per Ammoniak ist derzeit das aussichtsreichsten Verfahren, aber es ist nicht ohne Nachteile. Gemäß Umweltbundesamt werden weltweit 90 % des Ammoniaks nach dem Haber-Bosch-Verfahren hergestellt.
Dabei werden Stickstoff und Wasserstoff mittels Eisenkatalysators bei 400 bis 450 °C und Drücken zwischen 120 und 220 bar in Ammoniak umgewandelt. Das Verfahren schlägt mit 28 bis 49 GJ/t Ammoniak zu Buche. Das sind 7,7 bis 13,6 Megawattstunden. Dabei entstehen zusätzlich ca. 1,83 t CO2 pro Tonne Ammoniak.
Die Rückumwandlung am Ende der Transportkette des Ammoniaks erfordert erneut Energie. Die Reaktionstemperatur liegt zwischen 850 und 950 °C. Zwischen 13 % und 34 % des Wasserstoffs im Ammoniak kann dabei direkt für die Rückumwandlung verbraucht werden.
Es gibt daher bereits Versuche, Ammoniak direkt als Energiequelle, z.B. in Verbrennungsmotoren zu nutzen. So gibt es in Südkorea bereits ein Versuchsfahrzeug, das mit einem 70 % Ammoniak und 30 % Benzin Hybridkraftstoff einen Verbrennungsmotor betreibt.
Sollte Ammoniak direkt als Energieträger im Alltag genutzt werden, müssen allerdings Maßnahmen getroffen und Regeln aufgestellt werden, da es ein giftiger Stoff ist, der bei atmosphärischen Druck sehr schnell in die Gasform übergeht.
Trotzdem bleibt in der Gesamtrechnung gesehen Ammoniak derzeit der beste Kandidat für den Transport von Wasserstoff. Bei einer Betrachtung aller Faktoren werden für den Import von grünem Wasserstoff über 3.000 km mit ca. 50 g CO2 pro MJ transportierter Energie veranschlagt. Grauer Wasserstoff liegt bei 134 g CO2 pro MJ. Es wurden herkömmliche Transportantriebe dabei zugrunde gelegt.
Die zweite Methode nennt sich LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier). Dabei wird der Wasserstoff mit einer Flüssigkeit unter erhöhter Temperatur und Druck und Einsatz eines Katalysators in Kontakt gebracht und die Flüssigkeit absorbiert den Wasserstoff. Am Zielort wird er dann im gleichen Verfahren wieder herausgelöst. Der Transport ist sehr einfach, ähnlich dem Dieseltransport. Allerdings wird viel Energie für die Wärme und den Druck benötigt und es wird CO2 freigesetzt.
Zuletzt bleibt die Verflüssigung bei -253 °C. Von Vorteil ist, dass der Wasserstoff rein bleibt und keine weiteren Stoffe benötigt werden. Nachteilig ist wieder der hohe Energieeinsatz zum Herunterkühlen, die Diffusionsverluste und die sehr aufwendigen, schweren Kühlbehälter.
Regionaler Transport
Ist der Wasserstoff in der Zielregion angekommen, muss er zu den Verbrauchern. Das können die Industrie oder wir als Endverbraucher mit unseren Fahrzeugen sein. Dazu eignen sich Pipelines und Tankfahrzeuge. Kann der Wasserstoff an der Abgabestelle nicht weiterverarbeitet werden wie an Tankstellen, muss er als reiner Wasserstoff transportiert werden, sprich verflüssigt durch Kompression oder tiefgekühlt.
Dabei kommen zwei Transportarten zum Einsatz. Entweder tiefgekühlt mit LH2-Kryo-Kesselwagen (Liquid Hydrogen Gas) und mit bis zu 67.000 Liter, die dann in stationäre Kryotanks umgeladen werden oder CGH2-Auflieger (Compressed Gas Hydrogen) mit bis zu 1,1 Tonnen oder 13.000 Liter bei einem Druck von 500 bar. Der LKW lässt den vollen Tankauflieger an der Tankstelle stehen und nimmt den leeren wieder mit. Beides ist ein weiteres Mal mit Energieeinsatz zum Kühlen und Komprimieren verbunden.
Rechnen wir das durch. Nehmen wir einen üblichen Tanklastzug mit 32.000 l Diesel und einen Durchschnittsverbrauch der tankenden Fahrzeuge von 8 l auf 100 km (Bundesdeutscher Durchschnitt 2022: 7,7 l für Diesel-PKW). Demnach liefert der eine Tanklastzug 400.000 km Reichweite für den Endverbraucher. Ein Tanklastzug mit komprimiertem Wasserstoffgas würde bei mit 1,1 Tonnen ca. 33.663 kWh anliefern. Bei einem durchschnittlichen Energiebedarf von 31 kWh auf 100 km für ein Wasserstofffahrzeug werden 118.267 km pro Fuhre angeliefert. Um auf die gleiche Reichweite des Diesels zu kommen, wären dreieinhalb mal so viel Fuhren nötig.
Pipeline
Auch der Transport durch das deutsche Erdgasnetz, immerhin gut 510.000 km (Transport- und Verteilnetz, Quelle: DLR), wird betrachtet. Stück für Stück können die Leitungen wasserstofftauglich gemacht werden, um den Anteil an Wasserstoff im Netz zu erhöhen.
Fazit zum Transport
Der Energie- und auf absehbare Zeit auch der CO2-Zähler zählen auch beim Transport weiter. Derzeit hat sich noch nicht herauskristallisiert, welchem Transportweg die Zukunft gehört. Bis der Wasserstoff an der Tankstelle bereit steht, sind jedenfalls weitere Mengen an Energie aufgewendet und CO2 emittiert worden. Nicht, dass das bei anderen Energieträgern anders wäre, aber das macht es für den Wasserstoff nicht besser und es gehört zu seinem Negativ-Säckchen, welches er zu tragen hat.
An der Tankstelle
Jetzt ist das Wasserstoffgas an der Tankstelle angekommen. Der Weg war weit und energieintensiv und er ist noch nicht zu Ende. Egal wie der Wasserstoff nun im Fahrzeug selbst verwendet wird, muss er nun im Fahrzeug gespeichert werden. Dabei gelten die gleichen Bedingungen wie beim Transport: gekühlt oder komprimiert.
Mit wie viel Wasserstoff kommt ein Auto wie weit?
Um mit einem normalen Mittelklasse-PKW mit Brennstoffzelle 500 km zu erreichen, werden ca. 4 bis 6 kg Wasserstoff benötigt. Wir erinnern uns, Wasserstoff besitzt sehr viel Energie.
Diese 4 bis 6 kg müssen auf ein erträgliches Volumen gebracht werden. Wir erinnern uns, Wasserstoff besitzt eine niedrige Energiedichte.
Bei 700 bar sind das ca. 150 Liter Volumen. Im Vergleich: normale PKW-Tankvolumen liegen bei 50 bis 60 Litern. Es wird also gut der dreifache Platz benötigt.
BMW hat vor Jahren bereits mit gekühltem Wasserstoff experimentiert und ist von diesem Verfahren abgekommen. Sowohl für LKW als auch PKW haben sich die schweren, dickwandigen Kryotanks als nicht praktikabel erwiesen. Das Herunterkühlen verschlingt gut 11 bis 15 kWh pro Kilogramm. Für 6 kg Wasserstoff werden demnach zwischen 66 und 90 kWh Strom benötigt. Die Differenz ist Temperaturunterschieden und der Effizienz der Kompressoren geschuldet.
Als einzig verbliebenes Verfahren ist die Komprimierung geblieben. Im Nutzfahrzeugbereich, wo größere Transportkapazitäten zur Verfügung stehen, hat sich bisher 350 bar Speicherdruck durchgesetzt. Im PKW-Bereich 700 bar. Vormals waren es im PKW bis 850 bar. Um diesen Druck zu erreichen, sind mehrstufige Kompressoren nötig. Bei der Kompression erhitzt sich der Wasserstoff und muss wieder heruntergekühlt werden. Beides erfordert erneut viel Energie.
Das Schweizer Bundesamt für Energie gibt 1,9 kWh Strombedarf für die Kompression von 20 auf 700 bar pro Kilogramm an. Bei den obengenannten Werten müssen gut 11,4 kWh aufgewendet werden, um 6 kg Wasserstoff auf das Volumen von 150 Litern zu pressen. Die Kompression erfolgt allerdings nicht beim Betanken für das einzelne Fahrzeug, sondern im Speicher der Tankstelle.
Das hat Auswirkung auf den Durchsatz der Tankstelle. Ähnlich wie bei E-Ladesäulen können Wartezeiten entstehen. Das Fraunhofer-Institut errechnete bei aktuellen Anlagen eine Rate von 6 PKW oder 3 LKW pro Stunde, da zwischendurch immer wieder hochkomprimiert werden muss.
H2 an der Tankstelle produzieren
Auch diese Möglichkeit wird betrachtet und bringt seine eigenen Herausforderungen mit. Da wäre der Energiebedarf. Wo kommt der Strom her, der die Elektrolyse, die Kompressoren und die Kühlung betreibt? Regenerative Energie wird es kaum werden, da nicht unbedingt der Platz zur Verfügung steht und Anlagentypen wie Windräder in bebauten Gebieten nicht erlaubt sind. Es müssten leistungsfähige, regenerative Energieanlagen zumindest in der Nähe sein, aber das dürfte sehr oft schwierig werden.
Es greifen auch hier Skalierungseffekte. Es müssten unter hohen Kosten vergleichsweise kleine Anlagen aufgebaut werden, anstatt eine große industrielle Anlage. Am Ende muss das jemand bezahlen. Schon herkömmliche Tankstellen und E-Ladestationen kosten 0,5 bis über 1 Million Euro pro Anlage und deren Errichtungszeiten werden je nach Ort bereits in Jahren berechnet.
Hilft hier nicht die Verbesserung des Energiemix?
Um es ganz klar zu sagen, das hängt davon ab. Es mag befremdlich klingen, hilft ein steigender Anteil an regenerativer Energie im Netz, unabhängig davon, wo er erzeugt wird, die CO2-Bilanz zu verbessern.
Das ist für sich genommen richtig. Aber es muss ein Faktor mit einbezogen werden: die Ausbaugeschwindigkeit. Solange der steigende Bedarf nicht zu gleicher Zeit regenerativ abgedeckt wird, wird jeder neue Stromverbraucher durch zusätzliche Leistung aus kalorischen Kraftwerken (Atomkraft, fossile Kraftwerke) bedient werden müssen. Dies sind die einzigen Kraftwerke, die immer auf die 100% benötigte Energie aufstocken können.
Das liegt einfach daran, dass bei einem Anteil von unter 100% am Energiemix jeder Verbrauchsanstieg nur über Wärmekraftwerke abgedeckt werden kann. Denn die existierenden regenerativen Stromerzeuger sind bereits zu jeder Zeit 100 % ausgelastet und bleiben mit ihrem Anteil dennoch unter 100 % des Gesamtbedarfs. Somit muss jeder Anstieg immer durch die Rest- und Überkapazitäten der klassischen Kraftwerke bedient werden.
Solange der Verbrauch schneller steigt als die regenerativen Energien hinterher kommen, wird jede zusätzliche Last wieder mehr CO2-Emissionen zur Folge haben. Das triff auch auf die E-Mobilität zu.
Konkurrenz
Der Fahrzeugverkehr ist nicht der einzige Verbraucher für Wasserstoff. Hinsichtlich der bisher genannten Umstände in Bezug auf Aufwand und Kosten stellt sich die Frage, ob es sinnvoll und wirtschaftlich ist, diesen teuren Stoff banal zu verfahren? Aus der Industrie kennen wir Skalierungseffekte. Je größer etwas aufgezogen und betrieben wird, desto wirtschaftlicher ist normalerweise der Einsatz und desto größer sind die Effekte.
Genau dort finden sich weitere dankbare Abnehmer. Stahlerzeugung und Chemie, um die zwei großen Bereiche zu nennen, die extrem energiehungrig sind und jede Menge CO2 einzusparen haben. Wird der Wasserstoff nicht als Energieträger, sondern als Reaktionspartner genutzt, entfällt zudem die zweite verlustbehaftete Energieumwandlung. Ein sehr gutes Beispiel ist die Stahlproduktion. Dort kann Koks mit Wasserstoff ausgetauscht werden.
Bei der Stahlproduktion entzieht Kohle dem Eisenerz den Sauerstoff. Dabei entstehen Unmengen CO2. Wird der Kohlenstoff durch Wasserstoff und ein leicht verändertes Verfahren ersetzt, entsteht kein CO2 mehr, sondern Wasser. Das ist nur ein Beispiel, aber es zeigt, dass große Abnehmer von Wasserstoff die ganze Herstellung erst wirtschaftlich machen und gleichzeitig große Mengen an CO2-Einsparung bringen. Für die Chemie ist Wasserstoffgas ebenso ein wertvoller Rohstoff, sowohl als Reaktionspartner als auch als Energielieferant, denken wir nur an energieintensives Kracken.
Gemäß Umweltbundesamt liegt für das Jahr 2017 der Anteil an emittiertem CO2 der deutschen Industrie am Gesamtausstoß von 907 Millionen Tonnen bei 22%. Von diesen 200 Millionen Tonnen entfallen 28 % (57 Millionen Tonnen) auf die Stahlproduktion. Dort gehen 32 % auf die Prozesse und 68 % in die Energienutzung. Das ist ein Einsparpotenziall von 18 Millionen Tonnen CO2 jährlich nur auf das Prozessgas. Wenn auch bei Energiegas umgestellt wird, steigt das Potenzial weiter.
Schauen wir uns den Vergleich verschiedener CO2-starker Bereiche an. Wieviel Tonnen CO2 können pro Tonne H2 eingespart werden?
- Stahl: 28 t
- Verkehr über Brennstoffzelle: 17 t
- Chemie: 10 t
- Verkehr über synthetische Kraftstoffe: 5 t
Quelle: Nationaler Wasserstoffrat; Berechnungen der WV Stahl unter Einholung einer Stellungnahme des Fraunhofer-Instituts.
Seit einigen Jahren nimmt die Stahlproduktion in Deutschland ab, zuletzt auf 35,4 Millionen Tonnen (von 40 Mio. Tonnen in 2021). Daher wird die Bedeutung wahrscheinlich zumindest hier im Lande sinken, aber andernorts nicht. Im Gegensatz zum Verkehr ist der Industriesektor sicherlich schneller auf Wasserstoff umzustellen und zu versorgen, da es bereits eine Infrastruktur gibt und die Prozesse bekannt sind. Der Verkehrsbereich forscht noch, ist mit teuren und seltenen Rohstoffen konfrontiert und eine nennenswerte flächendeckende Versorgungsinfrastruktur gibt es noch nicht. Es ist nicht einmal der Weg klar, wie die Versorgung aussehen soll.
Im Verkehrssektor stehen Alternativen als Substitution für fossile Brennstoffe bereits zur Verfügung und weitere, wie beispielsweise synthetische Kraftstoffe könnten erforscht werden. Das lässt den Wasserstoff als primären Einsatzstoff für Fahrzeuge etwas nach hinten rücken. Es wäre sinnvoller, zuerst die Industrie zu versorgen, die dort auch schon viel weiter und einsatzbereit ist und erst danach oder zunehmend parallel den Verkehr.
Fazit zum Wasserstoff in der Mobilität
Eines ist klar, Wasserstoff erscheint derzeit als der Game-Changer. Aber bis es so weit ist, dass diese Effekte tragen, scheint es noch ein gutes Stückchen Weg zu sein. Zumindest wenn er für die Individual-Mobilität genutzt werden soll.
Wir haben in diesem Artikel nur den Weg des Wasserstoffs zur Tankstelle beschrieben. Die Nutzung in Fahrzeugen kam noch gar nicht zur Sprache, denn auch dort gibt es Hindernisse zu meistern. Aber bis dort hin konnten wir aufzeigen, dass Wasserstoff alles andere als „leicht verfügbar“ ist. Das wird so oder ähnlich oftmals an Stammtischen und Lagerfeuern kolportiert. Wir haben uns das für euch genauer angesehen und dabei wurde klar, nein, so einfach ist es nicht. Solange mehr fossile Energie in die Gewinnung und den Transport von Wasserstoff gesteckt werden muss, als dessen Nutzen einspart, ist es kein Ausweg.
Der unendlich verfügbare Wasserstoff kann nicht in endlicher Zeit in unendlich viel Wasserstoffgas umgesetzt werden. Schon bei der Herstellung tun sich Problematiken und Konfliktpotenzial auf, für die es Lösungen braucht. Die Reduzierung von Abhängigkeiten werden für Deutschland und weite Teile Europas ebenfalls nicht erreicht, nur verlagert. Es sind zahlreiche Limitierungen zu überwinden, zuvorderst die bei der Abschöpfung regenerativer Energie, denn nur sie machen Wasserstoff zu dem erhofften Game-Changer.
Daher sollte genau hingesehen werden, wo am schnellsten die meisten und günstigsten Einsparungen an CO2 erzielt werden können. Blauer und grüner Wasserstoff wird noch auf Jahre ein rares Gut bleiben.
Auch hier erscheinen zuvorderst die Industrie und nachgelagert zuerst der Nutzverkehr und seine Sammelpunkte als die ehesten Kandidaten für eine Umrüstung. Also überall dort, wo größere Mengen umgesetzt werden können: Speditionen, Busdepots sowie große Transportmittel wie Schiffe und Züge, die ebenfalls zentral versorgt werden.
Umweltkosten dürfen nicht vorverlagert werden
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) macht darauf aufmerksam, dass für echten grünen Wasserstoff in großen Dimensionen gedacht, die Kosten, die die Umwelt tragen muss, beachtet werden müssen. Es darf nicht passieren, dass diese auf die Bereitstellung der Technik vorverlagert wird, um so den Wasserstoff nur grün aussehen zu lassen, ohne das er es ist. Hier rücken insbesondere die bereits erwähnten seltenen Metalle in den Blickpunkt, deren Gewinnung ebenso umweltverträglich sein sollte, wie es der grüne Wasserstoff ist.
Es muss für tragfähige Lösungen also ganzheitlich vom Anfang bis zum Ende gedacht werden, um möglichst eine Kreislaufwirtschaft mit hoch vernetzten Einheiten wie Industrie, Mobilität und der Energiesektor zu erreichen. Nichts, was auf die Schnelle zu haben ist. Wasserstoffproduktion, Transport und Verbrauch müssen mit dem Bedarf und Speichermöglichkeiten über ausgereifte Systeme abgestimmt werden, um eine saubere und sichere Energieversorgung zu gewährleisten.