Tom Pieper aus der Nähe von Rosenheim hat sich einen russischen UAZ-Doppelkabiner zum Wettbewerbsfahrzeug umgebaut. Mit der Umgestaltung des „Buchanka“ – zu deutsch „Kastenbrot“ – genannten Transporters ist er damit der absoluten Individualität ganz dicht auf den Fersen.
Irgendwann an einem verregneten Sonntag wird Tom zum Lada-Niva-Fahrer. Der Wunsch, einen Geländewagen zu fahren, spukt schon länger in seinem Kopf herum. Aber es soll bitteschön etwas sein, was nicht jeder fährt. Etwas Individuelles, ein Fahrzeug, das man auf deutschen Straßen und Feldwegen nicht so oft sieht. Land Rover, Jeep und eine ganze Menge andere Fahrzeuge scheiden damit also schon mal aus. Als er im Internet einen Lada Niva entdeckt, der nur ein paar Orte weiter zum Verkauf steht, ist die Entscheidung gefallen. Der Niva erscheint ihm exotisch genug, und Tom ist fortan Lada-Fahrer.
Niva-Fahrer, die in der Nähe von Rosenheim wohnen, landen irgendwann unweigerlich bei Dimitri Schwab. Er betreibt in Prutting nicht nur eine Werkstatt, in der er die russischen Allradler repariert oder noch geländegängiger macht – er ist auch autorisierter Händler. Zudem importiert und verkauft er UAZ-Fahrzeuge. So kommt es, wie es kommen muss: Toms Niva, ein UAZ-3303-Pritschenwagen mit Einzelkabine und Tom stehen irgendwann gleichzeitig auf dem Hof vor Dimitris Werkstatt. Der seit 50 Jahren nahezu unverändert gebaute Russe gefällt Tom auf Anhieb. Außerdem hat er inzwischen festgestellt, dass ihm dann doch zu viele Nivas auf deutschen Straßen unterwegs sind. Für einen Individualisten ein Ding der Unmöglichkeit.
Als er Dimitri fragt, ob er ihm so einen Wagen zum Wettbewerbsfahrzeug umbauen könne, schaut dieser an dem nahezu zwei Meter großen Tom hoch und sagt: „Umbauen kann ich dir den schon, aber du passt da leider nicht rein.“ Das Fahrerhaus der Einzelkabine ist für großgewachsene Zeitgenossen einfach zu klein. So zieht der arme Tom ziemlich enttäuscht von dannen. Die Saat ist jedoch, wie so oft, schon aufgegangen und die Idee lässt Tom nicht mehr los. Der UAZ gefällt ihm und das schlichte Innere, das an alte VW Käfer Modelle erinnert, stört ihn nicht. Im Gegenteil: für ihn macht es den Charme des Fahrzeugs aus.
Schlichtes Blech, wo sonst Plastik-Landschaften abenteuerliche Formen annehmen. Einfache Analog-Instrumente, wo sonst Digitales die Anzeigen übernimmt, ein einfacher Griff, wo sonst die Zentralverriegelung die Türen absperrt. Ein einfaches Gebläse, eine Lüftungsklappe wie beim Land Rover, wo heute Klimaanlagen für kühle Luft sorgen. Die Klappe nutzen Kastenbrot-Fahrer übrigens um sich auf der Straße gegenseitig zu grüßen. Klappe auf, zu, auf, zu, ein identischer Gruß zurück und man weiß, der entgegenkommende Fahrer hat verstanden. Ein einfacher Motor, der zwischen den Sitzen liegt und den man über eine Klappe von oben erreicht (Bilder 23 und 24). Geht es puristischer? Wohl kaum.
So stöbert Tom nächtelang im Internet nach mehr Informationen und findet dort recht schnell den UAZ-39094-Doppelkabiner mit kurzer Pritsche. Schon rattert das Gehirn. Da könnte man doch … da müsste man einfach … wie wäre es …
Seine Überlegung, den Sitz einfach ein Stück nach hinten zu versetzen, falls es keine Abtrennung zwischen Fahrersitz und Rückbank gibt, ist schnell geklärt: man kann, es gibt keine Abtrennung. Auch die Frage, ob Dimitri genau diesen UAZ in Russland besorgen kann, ist schnell beantwortet – klar, er kann.
Selbstverständlich, was für eine Frage. Während der russische Kleinlaster also in den folgenden Wochen seinen Weg ins ferne Deutschland antritt, sitzt Tom derweil mit Papier und Bleistift an seinem Schreibtisch, lässt Gedanken zu Ideen werden, zeichnet Pläne, verwirft sie, zeichnet sie neu. Die Pritsche muss kürzer und schmaler werden, weiter nach unten und auch näher ans Fahrerhaus. Außerdem muss ein Überrollbügel drauf und ein Dachträger aufs Dach. Und Zusatz-Scheinwerfer. Der Auspuff soll auch anders – und überhaupt. Mit seinen Skizzen in der Hand steht er dann irgendwann wieder bei Dimitri in der Werkstatt. Der schaut drauf und meint, dass alles, was Tom sich ausgedacht hat, machbar ist – kein Problem.
Der nagelneue Wagen kommt also sofort in die Werkstatt und wird über mehrere Wochen aufwändig umgebaut. Der Fahrersitz wandert weiter nach hinten, die Rückbank fliegt raus. Einen Teil ihres Platzes nimmt eine orange Stahlkiste ein, die Kompressor, Druckluftbehälter und Zweitbatterie beherbergt. Die Batterie wird über ein Dual-Battery-System von T-Max geladen und versorgt die Zusatzscheinwerfer und den Kompressor mit Strom. Dachträger und Überrollbügel werden eigens angefertigt. Dabei stützt sich der Bügel auf den Verstrebungen der Pritsche ab. Der Auspuff wird nach oben verlegt. Hier kommt eine High Pipe aus dem Hansen-Styling- Parts-Katalog zum Einsatz. Da sie hinter dem letzten Schalldämpfer montiert wird, ist sie sogar eintragungsfrei. Das ist alles recht schnell erledigt.
Viel Zeit fließt jedoch in den Umbau der Pritsche. Sie wird nicht nur kürzer und schmaler, sondern soll auch anders montiert werden. Näher am Fahrerhaus ist die eine Vorgabe, näher am Rahmen die andere. Das bedeutet, dass die Rücklichter, die ursprünglich zwischen Pritsche und Rahmen sitzen, nun einen neuen Platz brauchen. Hier lässt sich Tom vom Land-Rover-Defender-Pickup inspirieren. Dort sind die Rückleuchten seitlich in die Rückwand integriert und stehen hochkant. Da die Heckklappe der UAZ-Pritsche im Gegensatz zum Defender aber die komplette Pritschenbreite einnimmt, kommen Flex und Schweißgerät zum Einsatz. Jetzt geht zwar keine der drei Pritschenseiten mehr auf, aber das findet Tom nicht weiter schlimm. Man kann ja über die Heckstoßstange hinaufklettern. Der Pritschenboden wurde zusätzlich mit Airline-Schienen ausgestattet. Auf der Pritsche findet Bergematerial in Alukisten, das Ersatzrad und ein Hi-Lift Platz. An der seitlichen Pritschenwand sind außen Sandbleche befestigt.
Wo wir gerade das Thema Stoßstange angesprochen hatten: Die beiden massiven Bumper aus robustem, vier Millimeter dickem Stahl werden von der russischen Firma OJ hergestellt und wurden gleich mitgeordert. In beide kann eine Seilwinde montiert werden. Vorne sitzt eine Horn-Winde mit Kunststoffseil (Bild 9), hinten hat Tom bislang noch keine Winde vorgesehen. Damit sind die wichtigsten Umbauten erst mal erledigt und Tom unternimmt seine ersten Fahrten über Asphalt und natürlich ins Gelände. Der Russe schlägt sich wacker, sogar sehr wacker. Bei einem Ausflug in ein Offroad-Fahrgelände fährt Tom dort einfach mal zwei Unimogs hinterher – und bleibt problemlos dran. Beim anschließenden Benzin-Gespräch sind sich die beiden Mog-Fahrer einig: Sie hätten beide im Leben nicht erwartet, dass der UAZ so locker mithält. Dabei ist der Buchanka doch genau dafür gebaut. In den weiten Steppen und auf den morastigen Wegen Russlands weiterzukommen ohne überall gleich steckenzubleiben.
Aber wie das so ist mit dem Umbau-Fieber, es hört nie auf. So treibt Tom irgendwann zwei russische Original-Militär-Portalachsen auf, die eine deutsche Schrauber-Gemeinschaft übrig hat. Diese Achsen werden vom ungarischen Militär heute immer noch in den UAZ-469-Hunter-Modellen gefahren. Sie haben Trommelbremsen und keine Sperren in den Differentialen. Toms Wunsch ist jedoch genau das: Scheibenbremsen und Sperren in beiden Achsen. Er findet eine ungarische Firma, die sich auf die Überholung und Wartung dieser Technik spezialisiert hat. Die Achsen gehen also nach Ungarn zum Montieren der Druckluftsperren. Für deren Aktivierung hat sich Tom eine andere Lösung überlegt, als man sie im Offroad-Bereich üblicherweise kennt. Meist werden die Sperren über einen elektrischen Schalter betätigt, der wiederum einen Druckluftschalter umlegt, der dann die Sperre aktiviert oder wieder deaktiviert. Das ist zugebenermaßen umständlich und eigentlich ein Schritt zu viel. Tom besorgt sich daher stattdessen zwei Druckluftschalter aus dem Anlagenbau, die die Sperren direkt aktivieren sollen und montiert sie auf einer Platte, die im Fahrerhaus angebracht wird – clevere Idee.
In der Halle der Schrauber-Gemeinschaft werden die mittlerweile aus Ungarn zurückgekehrten Achsen unter den UAZ montiert. Dazu sind allerdings einige größere Anpassungen nötig. So müssen zum Beispiel für die Lenkung extra Adapter angefertigt werden, damit die Lenkung auch weiterhin funktioniert. Außerdem bekommt der Russe bei der Gelegenheit auch gleich noch die von Tom ersehnten Scheibenbremsen rundum . Sie sind innenbelüftet und stammen aus dem russischen GAZ-Allrad-Transporter Gazelle. Für das richtige Zusammenspiel aller Komponenten ist allerdings noch reichlich Feintuning erforderlich. Tom erzählt, dass sich sein UAZ nach dem Achsumbau auf der Straße zunächst fuhr wie ein Boot bei heftigem Seegang. Ins Gelände hat er sich damit erst gar nicht gewagt.
Das ist mittlerweile aber alles behoben, und mit Toms UAZ ist ein Fahrzeug entstanden, das in Deutschland wohl einzigartig sein dürfte. So ein Unikat hat natürlich auch einen Namen: „Russky“. Tom hat diese Wortschöpfung aus Russland und Husky gebildet (Bild 22). Bei seiner obligatorischen Internet-Recherche ist er dann auf die (fast) gleich geschriebene Insel Russki gestoßen. Sie ist knapp 98 Quadratkilometer groß, gehört (natürlich) zu Russland und liegt vor Wladiwostok im Japanischen Meer.
Auch wir haben im Internet recherchiert. Von Rosenheim aus sind es knapp 11.500 Kilometer nach Russki, und es gibt eine Brücke, die die Insel mit dem Festland verbindet. Nur für den Fall, dass Tom mit seinem „Russky“ mal Russki besuchen will (Bild 34). Dass der UAZ-Doppelkabiner dort aber auch so selten auf den Straßen zu sehen ist wie bei uns, wagen wir zu bezweifeln.
Text & Fotos: Michael Scheler
Made in Russia
Dimitri Schwab
Rosenheimer Str. 12-14 83134 Prutting
Tel. 08036 – 90 88 070
Fax 08036 – 90 88 073
E-Mail info@madeinrussia.de
Web www.madeinrussia.deInsel Russki:
https://de.wikipedia.org/wiki/Russki_(Japanisches_Meer)
Technische Daten:
Modell UAZ Typ Farmer 39094
Baujahr November 2015
Karosserie:
Abmessungen LxBxH 4.847×1.974×2.355 mm
Aufbau Leiterrahmen mit aufgeschraubter Karosserie
Motor:
- Bauart 4 Zylinder Benziner
- Hubraum 2.693 cm3
- Leistung 112 PS @ 4250 U/min
- Drehmoment 200 Nm @ 2.500 U/min
Antriebssystem:
- Getriebe Fünfgang-Schaltgetriebe
- Antrieb Zuschalt-Allrad mit Untersetzung
- Geländeuntersetzung 1,94:1
- Sperre vorn Ja
- Sperre mitte Ja, durch Zuschalt-Allrad
- Sperre hinten Ja
Fahrwerk:
- Radaufhängung vorn Militär-Portalachse aus UAZ Hunter 2,7:1
- Radaufhängung hinten Militär-Portalachse aus UAZ Hunter 2,7:1
- Federn v/h Blattfedern
- Bremsen vorn Scheibenbremsen Innenbelüftet
- Bremsen hinten Scheibenbremsen Innenbelüftet, nachgerüstet
- Reifen BF-Goodrich MT 255/85 R16
- Felgen UAZ 16″-Stahlfelgen
Weitere Umbauten:
- Horntools-Seilwinde, 4,3to Alpha 9.5 Quick mit 30-Meter-Kunststoffseil
- verstärkte OJ-Frontstoßstange
- verstärkte OJ-Heckstoßstange
- Eigenbau-Unterfahrschutz
- Horntools-Kompressor mit Acht-Liter-Tank 150l/min, 8bar
- T-Max-Doppelbatterie-System DBS02
- High-Pipe von Hansen Styling Parts
- Eigenbau-Überrollbügel
- Bodylift 8 cm
Text und Fotos: Michael Scheler