Birgit und Franjo sind mit ihrem Hund Jaron und ihrem Reisemobil „TIO“, einem Mercedes Benz Sprinter 4×4, seit Mitte 2016 unterwegs in Südamerika. In diesem Artikel schildern sie uns ein paar Eindrücke von ihrer Reise durch Bolivien.
Grenzgang mit Hund in Bolivien
Seit einigen Monaten sind wir mit unserem Wohnmobil „TIO“ in Südamerika unterwegs. Nach Uruguay, Brasilien, Paraguay, Argentinien und Chile ist Bolivien nun das sechste Land unserer Reise – und das erste, in das wir unseren Hund – einen braunen Labrador namens Jaron – einschmuggeln.
Immer wieder hatten wir Probleme an den Grenzübergängen, weil die Richtlinien nicht einheitlich sind. Der eine Zollbeamte schaut sich die Papiere dreimal an, der nächste wirft nicht einen einzigen Blick hinein. Beim letzten Mal hieß es, die Tollwut-Impfung sei nur zehn Monate gültig. Als die Ausstellung der Gesundheitspapiere auch noch drei Tage dauern sollte, ist uns der Kragen geplatzt. Jetzt haben wir es drauf ankommen lassen. Und es hat geklappt, auch wenn uns ziemlich mulmig zumute war.
Uyuni – Friedhof und Salzsee
Wir stehen in Uyuni in der Nähe des Eisenbahnfriedhofs „Cementerio de Trenes“. 1872 wurde mit dem Bau der ersten Eisenbahnstrecke Boliviens begonnen. Sie diente dazu, Rohstoffe wie Salz aber auch Kupfer, Silber und Gold von den Minen im Landesinneren zum Meer zu transportieren. Uyuni bekam ein Eisenbahnbetriebswerk und somit entwickelte sich im 19. Jahrhundert die Stadt zum wichtigsten Eisenbahnknoten.
Als die örtliche Industrie um 1940 zusammenbrach, wurden die Minen aufgegeben und die Strecke inklusive der Züge dem Verfall preisgegeben. Gut 100 Loks und Wagen stehen heute auf heute dem Eisenbahnfriedhof. Die ältesten stammen aus dem 19. Jahrhundert. Trotz der beeindruckten Zeugnisse vergangener Zeiten, gleicht der Platz wegen der vielen Besucher heute eher einer Müllhalde.
Morgen haben wir den ganzen Salar de Uyuni mit einer Fläche von rund 10.580 Quadratkilometern vor uns, da werden wir wohl einen schönen Übernachtungsplatz finden.
Wir sind am Ziel. Nach der anfangs bräunlichen Uferfarbe breitet sich nach einigen Kilometern eine schneeweiß glitzernde Salzfläche vor uns aus, die sich bis zum Horizont erstreckt. Das Weiß blendet in den Augen, weshalb wir froh sind, unsere Sonnenbrillen dabei zu haben. Der See ist gigantisch. Mit einer Tiefe bis zu 100 Metern liegt hier eine Salzmenge von circa 10 Milliarden Tonnen, von denen jährlich etwa 25.000 Tonnen abgebaut werden.
Schlechte Luft in Potosí
Nach drei Tagen verlassen wir die absolute Stille des Salzsees und erreichen Potosí, eine der höchstgelegenen Großstädte der Welt. In fast 4.000 Meter Höhe ist die Luft dünn. Die Abgase der Stadtbusse und Autos erschweren das Atmen zusätzlich. Stoßstange an Stoßstange quälen sich die Fahrzeuge durch die engen Straßen. Das Getümmel in der Stadt ist unbeschreiblich.
Vor jeder Haustür sitzt eine „Cholita“ in ihrer typischen Tracht und verkauft Empanadas (gefüllte Teigtaschen), Früchte, Nüsse, Kräuter, Coca-Blätter, Brot oder Gebäck. Auf den Verkaufsständen auf dem Marktplatz gibt es noch mehr warme Speisen, Getränke oder Eis. Touristen sind hier kaum zu finden.
Potosí bedeutet in der Sprache der Einheimischen soviel wie Lärm. Die Stadt profitierte schon zu Zeiten der Inkas vom Silber des „Cerro Rico“ (reicher Berg), der sie im 17. Jahrhundert zur reichsten Stadt der Erde machte. Über drei Jahrhunderte wurden hier über 60.000 Tonnen Silber aus den Minen gefördert. Dazu noch Zinn, Nickel und andere Edelmetalle. Die Spanier füllten mit den Verkaufserlösen über drei Jahrhunderte ihre Staatskasse, auf Kosten der einheimischen Zwangsarbeiter, von denen Millionen in den Minen starben.
Sucre – buntes Leben in weißer Stadt
Unser nächstes Ziel ist Sucre. Da unsere Spanischlehrerin in Deutschland aus Sucre stammt, hat sie uns ihre Heimatstadt natürlich besonders ans Herz gelegt – zumal ihr Sohn hier wohnt, den wir auch unbedingt besuchen wollen.
Über zum Teil abenteuerliche Wege, Umleitungen und Schlaglochpisten erreichen wir den kleinen Campground in der Nähe der Innenstadt. Hier stehen schon sechs Overlanderfahrzeuge auf engstem Raum. Es ist eng, aber gemütlich.
Von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt, gilt Sucre mit seinen weißen Gebäuden als eines der am besten erhaltenen Beispiele einer Kolonialstadt in Südamerika. Quirlige Plazas, farbenfrohe Mercados und freundliche Menschen, hier fühlen wir uns sofort wohl.
Am 25. Mai, dem Nationalfeiertag, wird der 208. Geburtstag von Sucre mit Musikgruppen, bolivianischer Folklore und einem Autokorso mit geschmückten Fahrzeugen und Musikkapelle gefeiert. Eso es la vida … Und das Leben ist bunt …
La Paz – eine Stadt, 1000 Meter Höhenunterschied
Da wir uns über mehrere Tage an die Höhe gewöhnt haben, ist die lange Fahrt durch das Altiplano nach La Paz kein Problem. Wir übernachten oft an den Plazas der kleinen Ortschaften – sicher und (meistens) ruhig.
Vom Stadtteil „El Alto“ bekommen wir – aus 4.000 Metern Höhe – eine erste beeindruckende Aussicht auf die höchstgelegene Regierungsstadt der Welt. Hier ziehen es die Reichen vor, ihre Villen im Talkessel zu bauen, wo die Luft wärmer und weniger dünn ist, während sich die Bretterbuden der ärmeren Bevölkerung 1.000 Meter höher an die Hänge schmiegen.
Mit der Seilbahn, dem „Teleférico“, starten wir zu unserer Stadtbesichtigung mit Gerd, der seit 35 Jahren hier wohnt. Wir besuchen den riesigen Markt in El Alto. Hier gibt es wirklich alles.
Vom Hausberg, dem „Killi Killi“, hat man die beste Rundumsicht auf die Stadt. Auf dem Hexenmarkt, wohl einem der skurrilsten Märkte der Welt, entdecken wir Kräuter gegen die schwindende Leidenschaft oder für mehr Kunden im Geschäft, Steine, Lamaföten und Pulver für diverse Opferteller der Schamanen.
Camino de la Muerte – Die gefährlichste Straße der Welt
Doch genug der Städte. Uns lockt der „Camino de la Muerte“, die ehemalige Todesstraße, von La Paz nach Coroico. Auf der einspurigen Strecke gelangen wir über dutzende Serpentinen und steile Berghänge aus dem Hochland der Anden in die Yungas, das tropische Tiefland – 1.800 Meter Höhenunterschied.
Der vorgeschriebene Linksverkehr soll dafür sorgen, dass der bergab fahrende Fahrzeugführer den Abhang besser im Blick hat. Nachdem die Downhill-Biker gegen Mittag die Strecke passiert haben, ist nicht mehr mit viel Gegenverkehr zu rechnen, da mittlerweile eine breitere Ausweich-Route zur Verfügung steht. Bis zum Bau der neuen Strecke hat die „gefährlichste Straße der Welt“ bis zu 300 Todesopfer jährlich gefordert.
Überhängende Felswände, senkrecht abfallende Steilhänge, zu durchquerende Bäche, Geröllfelder und Steilkurven erfordern unsere volle Aufmerksamkeit. Aber die Schönheit dieser ursprünglichen Landschaft und die Aussicht in die tiefer liegenden Täler entlohnen uns für die Strapazen – und natürlich der Reiz, diese „Todesstrecke“ gefahren zu sein. Kurz vor dem Ziel kommt Nebel auf und lässt die Bäume wie mystische Schatten erscheinen. Doch schließlich erreichen wir unseren Übernachtungsplatz, das „Death Road Camp“ und genießen die ruhige Nacht.
Am nächsten Morgen treibt der Wind immer wieder vereinzelte Nebelschwaden über den Bergkamm. Unsere Drohne zeigt beeindruckende Bilder von Bergspitzen, Nebel und blauem Himmel, und als wir die Anhöhe zu Fuß erreichen, stehen wir auf einmal „über den Wolken“ – ein gigantisches Gefühl. Mittlerweile ist eine Gruppe Mountainbiker eingetroffen, die sich ihre Ausrüstung vom Kleinbus holt, ein letztes Mal die wichtigsten Verhaltensregeln eingeimpft bekommt und sich dann johlend ins Tal verabschiedet.
Auf der Jagd nach Dokumenten quer durch La Paz
Zurück in La Paz brauchen wir – wieder einmal – Papiere, um Jaron über die Grenze zu bekommen. Es ist jedes Mal ein ziemlicher Aufwand und immer wieder scheitern wir an anderen bürokratischen Vorschriften. Wir teilen uns auf: Ich gehe mit dem Hund zum Tierarzt und Franjo mit der Rechnung der SENASAG (Gesundheitsbehörde) zur Bank, um die 80 Bs zu bezahlen. In der Bank sagt man ihm, dass er dazu seinen Reisepass benötigt. Den aber habe ich im Rucksack – und ich sitze beim Tierarzt und warte auf das Gesundheitszeugnis. Zum Glück gibt sich nach langem Hin und Her der Schalterbeamte mit dem Personalausweis UND dem Führerschein zufrieden.
Der Tierarzt hat Jaron nur aus der Ferne gesehen, stellt aber das Dokument aus und ist auch noch so freundlich, die Entwurmung auf dem Papier um eine Woche zu verschieben, da die Gültigkeit nur 15 Tage beträgt. Dafür zahlen wir allerdings 200 Bs. Wir hasten zur SENASAG – quer über die Straße, sind aber 5 Minuten zu spät – Siesta für zweieinhalb Stunden.
Endlich zum verantwortlichen Beamten durchgedrungen, macht er ein paar willkürliche Kopien und lässt sich erweichen, das Dokument direkt zu erstellen. Denn normalerweise wartet man zwei Tage auf die Bescheinigung – die eine Gültigkeit von 10 Tagen hat. Nach einstündigem Däumchen drehen, sind wir raus aus der Behörde. Eines ist klar, nächstes Mal wird Jaron wieder geschmuggelt.
Titicaca See – Fahrzeugweihe in Copacabana
Wir sind auf dem Weg zum Titicaca-See. Die Strecke ist recht kurz und nach einer wackeligen Überfahrt mit der Ponton-Fähre von San Pablo de Tiquina nach San Pedro de Tiquina erreichen wir Copacabana und stellen uns, zusammen mit einigen befreundeten Overlandern, an die Strandpromenade.
Jedes Wochenende werden in Copacabana hunderte von Autos geweiht. Aus ganz Bolivien, aber auch aus den benachbarten Ländern Peru und Chile kommen Autobesitzer hierher um vor der „Basilica de la Virgen de la Candelaria“ Gottes Segen für ihr Fahrzeug zu erbitten.
Dutzende von Ständen bieten Girlanden, Rosetten, Papierglocken und Blumen an, um sein „Heilig´s Blechle“ zu schmücken. In Zweier-Reihen warten die Autos vor der Basilika, während eine Nonne damit beschäftigt ist, über den Fahrzeugen und ihren Besitzern den Segen auszusprechen.
Jeweils zwei Gebete, reichlich Weihwasser um das Fahrzeug herum und im Innenraum sowie ein abschließendes Foto, das der Fotograf direkt zum Kauf anbietet. So dauert die Prozedur schon eine Weile. In der Zwischenzeit bekommen sich die Wartenden über die Reihenfolge der zu segnenden Fahrzeuge fast in die Wolle, obwohl niemand davonfahren könnte, selbst wenn er wollte, da die Autos dicht an dicht stehen.
Nachdem wir nun den kirchlichen Segen bekommen haben, fahren wir hinunter an den Strand, um zur Sicherheit auch noch das Wohlwollen des Schamanen für unser Gefährt zu erbitten.
Mit Feuerschalen, Glöckchen und ausgestopftem Gürteltier bewaffnet, zieht er mehrfach beschwörend ums Auto und begießt es anschließend reichlich mit Bier.
Die kirchlich gesegneten Fahrzeughalter versuchen dann bis zum Abend, ebenfalls einiges von dem segensreichen Getränk des Schamanen in sich hineinzuschütten, bevor sie sich auf den Heimweg machen. Passieren kann ihnen nichts, denn alles ist ja doppelt geweiht.
Bei diesem Spektakel müssen wir einfach mitmachen – allerdings ohne den Alkohol, denn wir wollen ja noch – bunt geschmückt – von Bolivien über die Grenze nach Peru.
Wenn ihr mehr über die Reise von Birgit und Franjo erfahren wollt, dann seht euch mal ihr Blog Tio on Tour an.