Wow! Als ich den neuen Suzuki Jimny GJ mit ALLGRIP PRO Allradantrieb das erste Mal gesehen habe, dachte ich nur: Es geht doch noch! Ein Auto aus dem Jahr 2018, das so aussieht wie ein Geländewagen aussehen soll. Und nicht nur das, er hat sich auch Bewährtes bewahrt ohne ganz auf eine Modernisierung zu verzichten. Herausgekommen ist ein echter Suzuki fürs Gelände, der auch abseits unbefestigter Wege erfreut.
Wenn ich als Kind mit meinem Vater im Auto saß – er war genauso autobegeistert wie ich – sahen wir uns die die anderen Fahrzeuge an und sprachen darüber, welcher uns gefällt und welcher nicht. Die Autos hatten noch Eigenheiten, Ecken und Kanten und waren gut zu unterscheiden. Da der Windkanal noch nicht alles diktierte, waren sie auch ohne Markensymbol leicht einem Hersteller zuzuordnen. Die eckigen Autos gefielen mir immer am besten, auch wenn ich damals noch gar nicht wusste, dass das einen großen Vorteil bei einem Geländewagen bedeutet.
Umso trauriger finde ich es heute, dass die eckigen, markanten Geländewagen immer weniger werden. Jeden Tag sehe ich um mich herum Gleiches in Gleichem verschwinden, Fahrzeuge die wegen konformer Langeweile langweilen. Bis der neue Suzuki Jimny GJ erschien. Gut, mein Herz gehört einer anderen Marke, aber deshalb kann ich mich trotzdem über jedes gelungene Fahrzeuge freuen. Vor allem, wenn sie gegen den Trend der windgeschnittenen, rundgelutschten Karossen, die entweder mit einfallslosen oder übertriebenen Designelementen nerven, stehen und die Attribute eines echten Geländewagens hochhalten.
Der Suzuki Jimny GJ – Ein Kontrast im Einerlei
Der neue Jimny ist so, wie wir uns einen Geländewagen wünschen. Aufrecht stehen die Seiten. Wo ich kein Blech mehr sehe ist, der Wagen auch zu Ende. Er hat eine Dachrinne, wie ein G oder ein Defender sie hat. Dazu Starrachsen, vorne wie hinten, sowie ein echtes Untersetzungsgetriebe. Das reichte mir schon, um den kleinen Würfel fahren zu wollen, dessen Vorgänger sich über die Jahre hinweg eine große und treue Fangemeinde erobert haben. Als Mitglied einer ähnlich gepolten Fangemeinde, wollte ich jetzt wissen, was die Kollegen an ihrem Lieblingsobjekt so lieben. Also vereinbarten wir eine winterliche Fahrt durch das Bergische Land bei Köln.
Geblieben was er ist
Suzuki hat alles richtig gemacht. Umweltschutz und Sicherheitsanforderungen verlangten nach 20 Jahren der ersten Jimny-Generation in Europa und der nunmehr sechsten Generation ihrer Geländewagen ein neues Auto. Aber anstatt ihn als einen weiteren unsichtbaren SUV in der langen Reihe von 08/15-SUVs einzureihen, machten sie genau das Gegenteil. Ecken statt Rundungen, Bewährtes statt unnötiger Schnickschnack, Mechanik wo es ums Gelände geht.
Kleine Details versüßen meinen Eindruck. Zum Beispiel die Lampengläser können einzeln getauscht werden, so wie es sich für einen Geländewagen gehört. Gab es Feindkontakt mit Kollateralschaden, muss nicht gleich die ganze teure Lampeneinheit getauscht werden, sondern nur das einzelne Lampenglas.
Auch beim Motor klassisch konservativ
Beim Motor des Suzuki Jimny GJ wartet die nächste Überraschung. Nein, kein moderner Diesel oder gar ein Turbodiesel, sondern ein kleinerer und 14 Kilo leichterer simpler 1,5 Liter Saugbenziner hat den 1,3 Liter Benziner des Vorgängers abgelöst. Dabei spendierten sie dem Wagen 75 kW (102 PS) also gute 13 kW (18 PS) und mit 130 Nm 20 Nm mehr. Ein solcher Motor sagt vor allem eines: Ich funktioniere überall. Als Getriebe stehen ein manuelles 5-Gang-Getriebe und ein 4-stufiges Automatikgetriebe zur Verfügung. Mit der Motorisierung erreicht er eine Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h.
Der Antriebsstrang hat nicht mehr als er braucht
Keine aufwendige Elektronik, keine kupplungsbasierte Kraftverteilung, nein, einfach ein mechanisches Verteilergetriebe. Der Allrad kennt nur aus, ein oder ein mit Untersetzung. Simpel und es tut was es soll, ehrliche und überschaubare Technik.
Ein bisschen wurde schon in die Trickkiste gegriffen. Der Jimny GJ hat jetzt eine elektronische Traktionskontrolle, die im Falle von Traktionsverlust an beiden Achsen, das Fortkommen per Bremseingriff sichert. Diese Technik findet sich aber auch schon viele Jahre in anderen Offroadern und stört nicht, wenn mechanische Sperren nachgerüstet werden. Die Vorderräder besitzen Freilaufnaben, die den Rollwiderstand und die gedrehten Massen im Zweiradantrieb reduzieren und so Benzin sparen. Im Allradmodus werden sie pneumatisch verriegelt, so dass auch im Rückwärtsgang Allrad zur Verfügung steht.
Der Leiterrahmen besitzt im Vergleich zum Vorgänger eine neue X-Verstrebung und zwei zusätzliche Querträger.
Unser Eindruck
Wir haben für unseren Test den Suzuki Jimny GJ ALLGRIP PRO Comfort+, also die Komplettausstattung mit 15 Zoll Bereifung in 195/80 und LED-Beleuchtung, bekommen. Und ja, er gefällt. In der Stadt gibt er einen kleinen wendigen Cityflitzer ab, im Gelände einen verlässlichen Begleiter. Aber man muss sein kratzfestes, einfaches Interieur und seine für meinen Geschmack nach wie vor etwas zu geringe Leistung mögen. Auf der Autobahn fehlte mir ab und zu ein wenig die Spritzigkeit, um zügig einen Überholvorgang abzuschließen. Wer es aber nicht auf das Rasen abgesehen hat, dürfte zufrieden sein.
Vom Gefühl her, sitze ich mit meinen 1,75 Metern Körpergröße ein wenig zu tief. Der Trend die Karosse bis zur Schulter hochzuziehen wurde beim Jimny zum Glück nicht in Gänze vollzogen. Aber selbst kleinere Personen sollten damit kein echtes Problem haben, denn wie gesagt, wo das Auto nicht mehr zu sehen ist, ist auch keines mehr.
Die Schaltwege sind erfreulich kurz und die Führung erstaunlich präzise, das gefällt. Etwas störend wirkt das Nachwanken, beispielsweise nach dem Abbiegen. Das der Wagen Starrachsen hat, merkt man beim Überfahren von Bodenunebenheiten sehr schnell. Der eine oder andere hat in seinem Leben vielleicht noch nie einen Wagen mit Starrachsen gefahren und ist vielleicht irritiert, aber das leichte Hoppeln der Achsen ist durchaus normal und im Jimny auch sehr erträglich.
Damit hat sich aber auch schon, mit meinem Abriss über die Straßentauglichkeit des Jimny. Wer einen echten Geländewagen fahren will, muss auf der Straße sowieso mit dem einen oder anderen Kompromiss leben. Er fährt wie ein ganz normales Auto. Was will man mehr?
So ganz ohne moderne Systeme kommt er dann doch nicht aus
Was die Assistenzsysteme angeht, hat der Wagen moderat Zuwachs bekommen. Nichts was stört oder überflüssig wäre oder gar ein Fahrtende herbeiführen könnte. Gut und richtig ist, beide Ausstattungslinien haben alle Sicherheits- und Assistenzsysteme an Bord.
- Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP)
- Dual-Sensor gestützte aktive Bremsunterstützung (DSBS) (Notbremssystem) bei drohendem Aufprall auf Fahrzeug oder Person
- Müdigkeitserkennung – warnt bei alarmierenden Lenkbewegungen
- Spurhaltewarnsystem
- Verkehrszeichenerkennung
- Berganfahrhilfe – hält ein paar Sekunden die Bremse geschlossen, bis am Berg Gas gegebenwird
- Bergabfahrhilfe – verlangsamt durch Intervall-Bremseingriff das Fahrzeug bei Bergabfahrt im Gelände
- Airbags vorn für Fahrer und Beifahrer
- Seitenairbags vorn
- Vorhangairbags vorn und hinten
- Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer vorn und hinten
- Warnsystem für nicht angelegte Sicherheitsgurte vorn und hinten
- Reifendruck-Kontrollanzeige
Interieur
Wen das reduzierte Innere eines Geländewagens nicht abschreckt, wird sich beim Suzuki gut aufgehoben fühlen. Die Verkleidungen vermitteln nicht das übliche, gepolsterte Wohnzimmergefühl anderer PKW, aber für einen Geländewagen, der auch mal feucht ausgewischt werden muss, ist das absolut in Ordnung. Die Anordnung der Bedienelemente ist sauber und aufgeräumt, die Schalter sind auch mit Handschuhen gut zu bedienen, alles ist übersichtlich angeordnet, die Bedienung fällt leicht. Kurios: Ein bisschen wirken die beiden großen Rundinstrumente, die Anordnung der Lüfter und die runden Schalter wie bei der letzten G-Klasse.
Zwischen den Sitzen finden sich der Handschalthebel, der Hebel für Allrad und Untersetzung und die Handbremse. Beim Allrad und der Untersetzung ist Suzuki von der elektrischen Bedienung zum mechanischen Hebel zurückgekehrt, was die Fans freuen dürfte. Das Multifunktionsdisplay prangt oben in der Mitte und lässt sich gut ablesen. Wichtige Bedienfunktionen des Audiosystems und der Anzeigen sind am Lenkrad untergebracht.
Wer sich für die Comfort+ Version entscheidet, bekommt im Heck noch eine Laderaumbox dazu. Ohne umgeklappte Hecksitze eignet sich der Jimny auch kaum mehr als für die vollen Einkaufstüten nach einem Stadtbummel. Umgeklappt stehen 830 Liter Volumen für den Transport zur Verfügung.
Im Gelände
Aber richtig gespannt waren wir auf das Fahren im Gelände. Als Teststrecke mussten die verschneiten Feldwege eines Jagdreviers herhalten. Es gab Bäche, aufgeweichte Feldwege, kurze, steile Anstiege und vereiste Abfahrten. Fairerweise müssen wir sagen, dass der Wagen mit normalen Winterreifen für die Straße ausgestattet war. Ein echtes Manko, wie wir noch feststellen mussten.
Kleine Schwächen
Zuerst ging es durch fließendes Gewässer. Nichts wirklich Erschreckendes und die Bodenfreiheit von 205 Millimetern ließ mich beruhigt durch den Bach fahren. Über verschneite Feldwege ging es weiter. An einem kleinen, aber steilen Anstieg traten leider, verursacht durch die Bereifung, zwei Schwächen des Jimnys zu Tage. Bei einem kleinen treppenartigen Anstieg verloren die Straßenreifen schnell die Traktion und drehten auf dem durchweichten Boden durch. Obwohl die Untersetzung eingeschaltet war, ging der Motor aus. Er schaffte er es nicht die Räder bei leicht gedrücktem Gaspedal in Drehung zu halten.
Dann versuchte ich es mit mehr Gas. Um aber keinen Abflug zu machen, regelte ich am Anstieg kurz vor Erreichen der oberen Kante etwas zurück und schaffte es wieder nicht. Dann spielte ich leicht mit der Kupplung, um den Wagen hochzuwippen, immer nur einen kurzen Moment. Natürlich drehten die Räder wieder durch. Aber schon nach drei sehr kurzen Versuchen roch es nach verbranntem Kupplungsbelag. Für meinen Geschmack viel zu schnell.
Die scheinbar etwas unterdimensionierte Kupplung ist wohl schon beim Vorgänger ein bekanntes Problem und scheint geblieben zu sein. Was mich aber wirklich wunderte, ist dass es der Motor nicht geschafft hat, in der Untersetzung die Räder einfach am Durchdrehen zu halten. Mit Geländereifen und besserem Grip ist die Gefahr des Abwürgens noch größer, also muss mit ausreichend Schwung gefahren werden, da ein Spiel mit der Kupplung sich verbietet.
Sinnvolle Bergabfahrhilfe
Dann ging es auf vereistem und verschneitem Wege steil bergab, etwas mehr als 10 Prozent. Zuerst mit der Bergabfahrhilfe, die in der Untersetzung manuell eingeschaltet werden muss. Sie bremst den Wagen souverän auf ein sicheres Tempo runter und verhindert das Rutschen durch die Intervallbremsung. Danach musste der Motor alleine den Wagen bremsen. Auch das war bei dieser Steigung noch kein Problem.
Gute Handhabung
Zuletzt ging es dann zügiger über den Feldweg. Ein gutes Gefühl gibt das geringe Gewicht. Ich hatte nie den Eindruck, dass es mich irgendwohin zieht, wo ich nicht hin will. Zu sportliche Ambitionen kombiniert mit argen Bodenwellen quittiert das Fahrwerk jedoch mit einem satten Knall, wenn der Wagen durchfedert. Achsanschläge gibt es wohl nur im Zubehör.
Wir hoben dann noch das hintere Beinchen hoch, um mal zu schauen, was er an Verschränkung zu bieten hat. Der Radstand beträgt 2.250 Millimeter und die Spurweite 1.395 Millimeter vorne und 1.405 Millimeter hinten. Für dieses Verhältnis kann man zufrieden sein. Und der Zubehörmarkt wird sicherlich das übrige dazu tun.
Ohne Ende wendig
Wo es eng wird spielt er seine Maße aus. Ein phänomenal kleiner Wendekreis von 9,8 Metern (gefühlt 7 Meter), sehr kurze Überhänge und eine gute Übersicht helfen beim Manövrieren. Ein Einweiser im Gelände ist nahezu überflüssig. Gegenüber seinem Vorgänger wartet er zudem mit verbesserten Werten auf:
- Bodenfreiheit: 205 mm
- Böschungswinkel vorne: 36°
- Böschungswinkel hinten: 48°
- Rampenwinkel: 27°
Erstmal nur kleineres Schuhwerk
Vom Werk aus sind derzeit nur Räder in der Größe 195/80 R15 96 S 5,5 x 15 auf Felgen mit Einpresstiefe 5mm zugelassen. Damit stehen einige AT und mindestens ein MT-Reifen (Kumho Road Venture MT KL71) zur Verfügung.
Ein bisschen Wehmut kommt dennoch auf
Was uns als reiseverrückte Offroader natürlich ein bisschen traurig macht, ist die so geringe Zuladung und Dachlast des Jimnys. Natürlich lädt sein gesamtes Platzangebot nicht gerade zu einer mehrjährigen Overland-Tour ein, aber der eine oder andere hätte es sich schon gemütlich gemacht. Zumindest muss man jetzt noch kreativer werden, soll es mit dem Würfel auf große Fahrt gehen.
Gerade einmal 270 Kilogramm Zuladung erlaubt die Schalt-Versiondes Suzuki Jimny GJ, neben einem 75 Kilogramm schweren Fahrer und vollem Tank. Die Automatikversion hat noch einmal 20 Kilogramm weniger zu bieten. Das Dach darf gerade einmal 50 Kilogramm tragen. Das reicht für ein kleines Dachzelt mit Dachgepäckträger gerade mal aus. Ein Nachteil des ansonsten so ansprechenden Dachs, welches nicht mehr eins ist mit der restlichen Karosse.
Wir mögen ihn
Jedenfalls hat sich der Suzuki Jimny GJ ALLGRIP PRO einen Platz in unserem Redaktions-Herzen erobert. Ein einfaches, unkompliziertes Auto ohne zu viel technischen Ballast. Man darf ihn nicht als PKW nehmen, der die ganze Familie auch schon mal tief in den Süden in den Urlaub bringt und ansonsten so viel Komfort wie möglich bieten soll. Der Jimny ist auch keiner mit sportlichen Ambitionen oder will mit feinsten Fahrleistungen auf dem Asphalt glänzen. Nein, er ist einfach gehalten, aber nicht spartanisch, er taugt als Alltagsfahrzeug und er ist bezahlbar. Vor allem aber macht es viel Spaß ihn im Gelände zu bewegen. Und darum geht es, reinsetzen, losfahren und Spaß haben. Das Konzept Jimny stimmt und ist in sich schlüssig.
Mit seiner unangepassten Form ist außerdem ein Statement gegen den Einheitsbrei, das macht ihn zusätzlich sympathisch. Wir freuen uns schon darauf, ihn öfter im Straßenbild und auch abseits der Straßen zu sehen. Das scheint sehr wahrscheinlich, denn Suzuki kommt mit der Produktion gerade nicht hinterher. Die Wartezeit beträgt derzeit gut 18 Monate und neue Bestellungen werden gerade nicht entgegen genommen. Hoffen wir, das sich das bald ändert.
Hier findet ihr Weiteres zum Jimny GJ.
Zur offiziellen Seite bei Suzuki: Jimny GJ.
© Fotos: Doreen Kühr, Unternehmensfotografie NRW und Suzuki Motors