Durch Afrika zu reisen ist für viele Overlander der Traum schlechthin. Es birgt allerdings viele Herausforderungen. Juliane und Mischa von 4-wheel-nomads.de sind mit ihren Kindern dort ein Jahr lang unterwegs. Uns haben sie erzählt, welche zusätzlichen Probleme das Reisen mit Kindern macht, welche Chancen es birgt und was sie bisher erlebt haben.
Wie seid ihr auf die Idee zu der Reise gekommen?
Das hat sich sehr langfristig entwickelt. Wir beide haben uns beim Reisen auf der „High Seas High School“, einem Segelprojekt unserer Schule, kennengelernt. Davor sind wir schon unabhängig voneinander viel umhergereist. Seit wir uns kennen reisen wir mehrfach im Jahr, innerhalb von Europa, aber auch in entferntere Regionen wie Mittelamerika oder Australien.
Reisen war und ist uns sehr wichtig. Es gehört einfach zu uns! Eine konkretere Idee zu einer Overland-Reise ist wahrscheinlich bei unseren zwei Reisen mit dem Miet-Geländewagen durch Australien entstanden.
Wie habt ihr euch auf die Reise vorbereitet?
Das ist eine sehr weit gefasste Frage! Wo fängt Vorbereitung an? Natürlich war für uns bei der Reisevorbereitung dieser speziellen Reise wichtig, dass unsere Kinder sowohl gesundheitlich, als auch von der generellen Reisesicherheit niemals großartig gefährdet sind. Daher hat sich das Reiseziel bis ungefähr sechs Monate vor der Abreise immer wieder verändert.
Für das Ziel Afrika haben uns afrikanische Freunde, Overland-Freunde, aber auch viele Menschen aus den Reiseländern, die uns über unseren Blog kontaktiert haben sehr mit Insider-Informationen geholfen. Mit der zusätzlichen Suche nach Sehenswürdigkeiten haben wir neben unserem Beruf nicht beschäftigen können, da wir bis zum Abreisetag gearbeitet haben.
Außerdem lassen wir gerne vieles einfach auf uns zu kommen, da wir von den Touristenmassen bei vielen Sehenswürdigkeiten eher abgestoßen sind. Manchmal sind persönliche Begegnungen, kleine Dörfer und weniger besuchte Orte viel beeindruckender als das touristisch Vermarktete.
Medizinisch haben wir uns vorbereitet, indem wir die vielen Mediziner im Freundes- und Bekanntenkreis um Rat gebeten haben und danach Impfungen und Reiseapotheke zusammengestellt haben.
Warum habt ihr euch für den Defender entschieden?
Die Fahrzeugwahl hat sehr lange gedauert. Durch Australien hatten wir die Möglichkeit tolle Erfahrungen mit dem Toyota Land Cruiser zu machen. Gerade die robuste Version, die von vielen Nichtregierungsorganisationen oder Armeen genutzt wird, ist ein tolles Basisfahrzeug für einen Overlander. Viele verschiedene Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller haben wir im Vorfeld angeschaut, unter anderem auch den Mercedes G, den Discovery und den Touareg.
Der Defender hat uns aber schon immer sehr gut gefallen, auch wenn sein Ruf vielfach nicht so gut ist. Irgendwie passt dieses old-school Auto in vieler Hinsicht zu uns und unserem Reise-Ansatz. Unser Defender ist aus dem Jahr 2011 und hat derzeit so ungefähr 60.000 km auf dem Buckel. Spannend ist, dass gerade über dieses Modell mit dem Td4-Motor so viel diskutiert wurde, vor allem darüber, ob die Elektronik für einen Einsatz als Overland-Fahrzeug spricht oder nicht. Spannend ist, dass wir relativ viele Fahrzeuge dieses Modells auf unserer bisherigen Reise durch Afrika gesehen haben, die meisten von Einheimischen gefahren!
Welche Umbauten habt ihr am Fahrzeug gemacht?
Im Verlauf von mehreren Reisen haben wir Stück für Stück die Umbauten machen lassen, die zu uns als Familie und unserer Art zu reisen passen. So haben wir ein Hubdach und eine kleine Inneneinrichtung einbauen lassen. Darüber hinaus haben wir das Fahrwerk verbessert, was vor Allem durch das höhere Fahrzeuggewicht notwendig war. Neben einer verbesserten Federung haben wir hinten Doppelstossdämpfer eingebaut, was den Fahrkomfort maßgeblich verbessert hat.
Für Unabhängigkeit sorgt die Doppelbatterieanlage mit Solarpanel und der 75l-Wassertank. Begeistert sind wir von unserer Engel-Kühlbox und der Foxwing-Markise, die einfach qualitativ und vom Reisenutzen her wahnsinnig gut sind!
Schon jetzt haben wir weitere Umbaupläne für die Zukunft, die wir wie immer mit unserer Hauswerkstatt, der „Offroad Manufaktur in Hamburg“ planen werden.
Wie lange seid ihr schon unterwegs und wie lange soll die Reise noch gehen?
Wir sind im Juli 2015 losgefahren und werden im August 2016 nach deutschem Recht unsere Tochter einschulen müssen. Unsere Überlegungen zum „Danach“ gehen immer wieder hin und her … Wir mögen unsere Arbeit an unserer Schule und unsere Kinder wollen sehr gerne wieder nach Hause, ihre Freunde und ihr gewohntes Umfeld genießen.
Trotzdem haben sie das Reisen auch extrem genossen und in ihrer Entwicklung enorm davon profitiert. Vielleicht sollten wir uns aber auch generell verändern, in einem anderen Land neu Fuß fassen … vielleicht in Kenia, Namibia oder Südafrika … Wir werden sehen. Vielleicht benötigen wir für eine solche Entscheidung auch noch mehr Zeit!
Länger laufen lassen werden wir diese Reise zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht! Wir wissen, wie wichtig und gut Reisen für die Entwicklung von Kindern sein kann. Wir wissen aber auch, dass wir als Eltern auch in der Hinsicht verantwortlich sein müssen, dass wir einen Lebensstil oder Ähnliches nicht so auf die Kinder projizieren, dass sie zu einseitig geprägt sind. Schließlich werden sie später selber entscheiden, wie sie leben wollen. Das kann so anders sein als das, was wir uns für uns derzeit vorstellen.
Wie navigiert ihr auf der Reise?
Wir haben mehrere Navigationsmöglichkeiten: Wir haben Tracks4Africa und „Open Street Map“-Karten auf dem Garmin Montana GPS und auf iPad und iPhone Google Maps und die App maps.me, die für Afrika bisher sehr gut war. Da wir uns grundsätzlich nicht auf elektronische Karten alleine verlassen wollen, haben wir auch für alle Reiseländer die guten Papierkarten von Reise Know How, beziehungsweise dem Global Mapping Project dabei.
In welchen Ländern wart ihr bisher und welche Länder liegen noch vor euch?
Bisher sind wir in Europa durch Deutschland, Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegovina, Montenegro, Albanien, Griechenland und Mazedonien gefahren. Alleine dieser Teil der Reise war schon wunderschön.
In Afrika haben wir bisher Ägypten, Sudan, Äthiopien, Kenia und Tansania bereist. Auch hier waren wir beeindruckt. Wir haben unsere geplanten Reiseländer reduziert, um langsamer unterwegs sein zu können. Aber wir bräuchten immer noch viel mehr Zeit! Afrika ist unendlich vielseitig, spannend und sehr viel besser als sein Ruf.
Was war bisher das Schönste, das ihr auf der Reise erlebt habt?
Das können wir nicht auf einen Ort oder eine Situation reduzieren. Wahnsinn waren die vielen intensiven Begegnungen mit den Menschen hier in Afrika. Wir sind auf viel Freundlichkeit und Unterstützung getroffen. Beeindruckt hat uns die Mentalität, die eben nicht ständig kritisierend und meckernd ist wie bei uns, noch dazu auf hohem Niveau. Es gibt hier viel Spontanität und Einfallsreichtum, wenn es darum geht, für scheinbar ausweglose Situationen Lösungen zu finden.
Im Sudan haben wir uns überraschenderweise sehr sicher gefühlt, sicherer noch als in Ägypten, das aber ebenfalls unerwartet gastfreundlich und sicher war. Die Menschen im Sudan waren extrem gastfreundlich obwohl sie teilweise über so wenige materielle Mittel verfügen.
Für uns alle war es sehr wichtig, unsere Freunde in Äthiopien wieder zu treffen. Dort hatten wir während eines früheren Aufenthaltes Freunde fürs Leben gefunden, die uns sehr ans Herz gewachsen sind. Durch sie konnten wir das Land, das sicherlich recht schwer zu bereisen und zu verstehen ist, anders kennen lernen. Äthiopien wurde dadurch nicht auf Bettelei und Steine schmeißende Kinder reduziert, was für viele Overland-Reisende ein Grund ist Äthiopien nicht oder nur als Transitland zu bereisen.
In Kenia und Tansania hat uns das relaxte Leben sehr gut getan. Gerade die Küste zwischen Zentral-Kenia und Daressalam ist der absolute Wahnsinn!
Gab es auf eurer Reise Situationen, die kritisch waren und bei denen ihr Angst hattet?
Wir hatten niemals Angst und wurden nie bedroht. Natürlich gibt es immer auch Gegenden, gerade in größeren Städten oder Grenzorten, die einem nicht so gefallen und wo man versucht schnell wieder raus zu kommen, aber die gibt es bei uns zu Hause auch.
Bei Problemen mit dem Auto oder gesundheitlichen Problemen wurde uns überall kompetent, schnell und kostengünstig geholfen!
Ihr wart als Paar alleine im Geländewagen in Australien unterwegs, jetzt reist ihr mit euren Kindern. Wie unterscheiden sich beide Arten des Reisens?
Wir haben heute viel weniger Zeit fürs Lesen und Relaxen als Paar oder als Einzelpersonen, da wir für unsere Familie rund um die Uhr da sind, und das auch sein wollen. Aber gerade deshalb sind wir unterwegs – um Zeit für unsere Kinder zu haben und nicht ständig von der Arbeit und dem davon abhängigen Tageslauf kontrolliert zu werden.
Trotzdem ist das Reisen für uns auch eine Art „Arbeit“. Reisen, wie wir es machen, ist halt nicht „all inclusive“. Das Essen will gekocht werden, Wäsche gewaschen, Ausrüstung und Auto kontrolliert und instand gehalten werden, Routen geplant etc. Aber diese Dinge machen gemeinsam auch Spaß und bieten tolle Möglichkeiten, Kindern Erlebnisse und auch immer größere Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.
Mit den Kindern nimmt man manchmal eine andere Perspektive ein: Man ist langsamer unterwegs und durch die vielen Kinderfragen entsteht zum Teil eine andere Wahrnehmung, durch die man auch andere Dinge kennenlernt. Durch die Kinder, beziehungsweise das Reisen als Familie, wird bei Begegnungen das Eis viel schneller gebrochen. Man lernt noch viel mehr Menschen kennen und gerade der Kontakt zu Frauen, beispielsweise in islamisch geprägten Ländern, wird durch einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt erleichtert. Die Kinder heben uns auch in traditionelleren Gesellschaften in einen anderen Status, der hoch respektiert wird, was manchmal das Reisen deutlich vereinfacht.
Eure Tochter Anouk scheint darunter zu leiden, dass sie Menschen, zu denen sie auf der Reise eine Beziehung aufbaut, gleich wieder verlassen muss. Hattet ihr das erwartet und wie geht ihr damit um?
Anouk ist ein sehr sensitiver Mensch, der sehr gut merkt, wenn Menschen wirkliches Interesse an ihr haben. Dann baut sie tatsächlich sehr schnell sehr intensive Beziehungen auf. Abschiede sind dann natürlich schwer. Aber wir haben mit vielen unserer Reisebekanntschaften Freundschaft geschlossen und schmieden schon gemeinsam Pläne, wie und wann wir uns wiedersehen werden, gemeinsam reisen oder uns gegenseitig besuchen. Das wird spannend und ermöglicht ein weiteres Pflegen von entstandenen Kontakten und Freundschaften.
Für Anouk sind Heimweh (denn auch zu Hause hat sie ein paar Freunde, die ihr sehr sehr wichtig sind) und Abschiednehmen auch als Lernfelder wichtig. Lernen bedeutet schließlich nicht, dass alles „rundgelutscht“ und einfach sein muss. Diese Erfahrungen sind wichtige Herausforderungen, die bestanden werden müssen, um später selbstbewusst durchs Leben gehen zu können. Anouk ist trotz ihrer Sensitivität sehr stark!
Musstet ihr bisher etwas am Defender reparieren lassen?
Das Abgas-Rückführungs-Ventil hat in Albanien komische Geräusche gemacht und wir haben es austauschen lassen, bevor eine Reparatur aufgrund eines Schadens notwendig wurde. In Kenia haben wir Sprit getankt (an einer Total Tankstelle, nicht irgendwo im Busch), der zu 50 Prozent mit Wasser versetzt war. Das hat zum Not-Aus durch den Computer-Chip geführt (gar nicht so schlecht, das Ding!) und wir mussten die Tanks ausbauen und reinigen. Ansonsten gab es bisher kein wirkliches Problem mit dem Auto.
Wie viel gebt ihr derzeit monatlich im Durchschnitt auf der Reise aus?
Pro Tag geben wir derzeit ungefähr 100,70 Euro aus. Gerechnet hatten wir mit 100 Euro, aber als Budget 125 Euro zur Verfügung. Der Mammutanteil davon, also 50 Prozent gehen für „Leben“ drauf, also für Eintritte, Essen … einfach fürs Genießen! Nur circa 8 Prozent für Diesel!
Welche Eigenschaften sollten Weltreisende eurer Meinung nach unbedingt haben?
Wir glauben, dass man das so pauschal gar nicht sagen kann. Sicherlich geht individuelles Reisen nur langfristig gut, wenn man offen für andere Menschen und Kulturen ist und nicht immer erwartet, dass alles so ist wie zu Hause! Wir haben hier tatsächlich rassistische Deutsche getroffen, die trotzdem ständig in Afrika unterwegs sind und die niedrigen Reisekosten genießen. Das war uns absolut zuwider!
Viele Menschen bei uns sind zu sehr von Ängsten geleitet. Man muss lernen mit diesen Ängsten umzugehen und sich einzulassen auch auf Länder, die durch unsere Medien einen schlechten Ruf haben.
Flexibilität und eine gewisse Abenteuerlust muss man aber definitiv haben, um sich aufzumachen, die heimische Komfort-Zone zu verlassen.
Ansonsten gilt es wie überall: Patent-Rezepte gibt es nicht und wesentlich ist, dass man mag was man tut. Dann klappt vieles unerwartet gut und schnell!
Würdet ihr sagen, dass ihr euch verändert habt?
Ja, wir sind als Familie noch intensiver zusammengewachsen. Die Kinder insbesondere sind charakterstärker und selbstbewusster geworden. Auch wir Eltern haben uns verändert, einige Ziele für unser weiteres Leben gesteckt und manches an uns selbst entdeckt, was uns wichtig ist. Man vernachlässigt vieles im normalen Berufsleben, was man beim Langzeit-Reisen (wieder-) entdeckt!
Welche Frage würdet ihr gerne einmal gestellt bekommen und wie lautet die Antwort?
Das ist echt eine gute Frage, über die man ordentlich nachdenken muss. Vor Kurzen wurden wir gefragt, warum wir, obwohl wir uns doch auf einem Segelschiff kennen gelernt haben, nicht eine Weltumsegelung machen. Wir würden dies für die Zukunft definitiv nicht ausschließen. Allerdings fehlt uns derzeit für eine solche Art zu Reisen schlichtweg die Segelroutine, obwohl wir auf einer Nordseeinsel leben, entsprechende Scheine und Ausbildungen haben und eigentlich beste Voraussetzungen haben. Aufgrund unserer Erfahrungen an Bord sind uns aber auch Enge und Gefahren bewusst. Für unsere doch recht jungen Kinder wollten wir ein relaxteres Reisen mit viel „Auslauf“ ermöglichen!
Über die 4-wheel-nomads: Juliane, Mischa, Anouk (6) und Sóley (3) sind seit Juli letzten Jahres unterwegs. Sie bloggen auf 4-wheel-nomads.de.