Nach der Fahrt durch den Balkan und Griechenland, quer durch die Türkei, einer Schleife im Iran bis zum Persischen Golf, wieder zurück in den Nordosten und der Transitdurchquerung Turkmenistans sind wir im Herzen Zentralasiens angekommen: Usbekistan, Zentrum der Seidenstraße und Inbegriff der Seidenstraße. Die glanzvollen Namen der Oasenstädte Chiwa, Buchara und Samarkand lassen auch heute noch Träume von Tausendundeiner Nacht lebendig werden. Prunkvoll verzierte Mausoleen, Moscheen, Minarette und Medressen wohin das Auge blickt.
Ein Land im Umbruch
Doch nicht nur die historischen Zeugnisse sind faszinierend. Auch das junge und moderne Usbekistan ist eine Reise wert. Es sind in erster Linie die Menschen, die unseren Aufenthalt so besonders machen.
Wir waren noch nicht lange im Land und fuhren gerade langsam von einer Sehenswürdigkeit ab, als draußen plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm einsetzte. Eine Schulklasse hatte uns entdeckt und begrüßte uns voller Begeisterung.
Schon hier zeigte sich, was wir später immer wieder beobachteten. Usbekistan ist ein sehr junges Land. 2018 lag der Altersdurchschnitt bei unter 29 Jahren. Im Vergleich dazu, in Deutschland lag er im gleichen Jahr bei 46 Jahren, allerdings bei einer neun Jahre höheren Lebenserwartung.
Im ganzen Land herrscht Aufbruchstimmung. Touristen – meist Tourgruppen – sind im Land, Straßen werden erneuert (was dringend nötig ist), ausländische Investoren werden eingeladen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Und die junge Bevölkerung freut sich über den Kontakt zur Außenwelt. Nirgendwo anders wurden wir so häufig von Schülern und Studenten angesprochen, die meist recht nervös ihr frisch gelerntes Englisch auspackten. Aber auch die älteren, die kein Englisch sprechen, begrüßten und fotografierten uns gerne. Und stehen im Gegenzug, selbst für Portraitaufnahmen, zur Verfügung.
25 Jahre Schreckensherrschaft
Usbekistan ist noch nicht lange so offen, wie wir es erlebt haben. Kein Wunder, dass die jungen Usbeken den Kontakt zu uns aktiv suchten. Erst im Jahr 2016 übernahm der aktuelle Präsident Shavkat Mirziyoyev das Amt von seinem verstorbenen Vorgänger Islom Karimov. In den 25 Jahren seiner Schreckensherrschaft hatte Usbekistan den Ruf, einer der repressivsten und isoliertesten Staaten der Welt zu sein. Öffentliche Proteste wurden gewaltsam niedergeschlagen, immer wieder verschwanden Oppositionelle oder wurden inhaftiert, Journalisten wurden verfolgt und die eigene Bevölkerung zur Zwangsarbeit auf den Baumwollfeldern gezwungen.
Seit der Amtsübernahme durch den früheren Ministerpräsidenten Mirziyoyev befindet sich Usbekistan auf einem Reformkurs, der seinesgleichen sucht, auch wenn einige Stimmen zur Vorsicht mahnen. Es gibt die Befürchtung, dass die Liberalisierung nur als Mittel zum Machtausbau verwendet wird.
Davon ist momentan bei einem touristischen Besuch wie dem unseren nichts zu spüren. Etliche Regimekritiker wurden aus dem Gefängnis entlassen und der gefürchtete Geheimdienstchef musste seinen Hut nehmen. Es wird gegen die Zwangsarbeit auf den Baumwollfeldern vorgegangen, die Korruption bekämpft und Polizisten müssen auf den Koran schwören, keine Bestechungsgelder anzunehmen. Die Liste ist lang. Seit Juli 2018 werden kontinuierlich die Einreisebestimmungen gelockert und der Wechselkurs zum Dollar wurde freigegeben, um den Tourismus zu fördern. Änderungen, von denen auch Overlander bei einer Reise nach Usbekistan sehr profitieren (siehe Visabestimmungen und Geld in Usbekistan weiter unten).
Usbekistan, Zentrum der Seidenstraße – Besuchte Highlights
Wir sind aus Turkmenistan bei Nukus (1) nach Usbekistan eingereist und immer nahe der Grenze zu Turkmenistan in südöstlicher Richtung gefahren. Die Hauptattraktionen des Landes sind die Orte, deren Namen bereits zu Zeiten der alten Seidenstraße für Reichtum und Wohlstand standen: Chiwa (2), Buchara (4) und Samarkand (5). Nördlich von Chiwa lohnt die Ayaz-Kala Festung (3) einen kurzen Abstecher. Vermutlich ebenfalls sehenswert, aber von uns nicht besucht sind der Schiffsfriedhof am ehemaligen Aralseeufer im Muynak (6), die Hauptstadt Taschkent (7) mit einer U-Bahn, deren Stationen stark an die der Moskauer Metro erinnern und das fruchtbare Ferganatal im äußersten Osten des Landes (östlich von Taschkent, nicht mehr auf der Karte abgebildet).
Visabestimmungen
Seit dem 1. Februar 2019 können 45 Nationen, unter anderem alle EU-Staaten, ohne Visum nach Usbekistan einreisen. Anfang 2020 kamen weitere 20 Staaten hinzu. Es entstehen keinerlei Kosten bei der Ein- und Ausreise. Die Aufenthaltsdauer beträgt 30 Tage.
Nach unserem Wissen gibt es keine Beschränkungen wie oft das Land verlassen und wieder betreten werden darf. Daher ist es möglich, durch eine kurze Aus- und wieder Einreise weitere 30 Tage zu erhalten, sollte man mehr Zeit benötigen.
Registrierungspflicht
Touristen müssen sich innerhalb von drei Tagen nach ihrer Einreise nach Usbekistan registrieren. Die einfachste Möglichkeit, dies zu erledigen, ist für eine Nacht eine Unterkunft zu buchen. Dort wird dann die Registrierung vorgenommen. Wichtig: den Registrierungsnachweis der Unterkunft, auf dem die Übernachtungsdaten vermerkt sind, nicht vergessen. Diesen muss man an der Grenze bei der Ausreise vorzeigen können.
Theoretisch müssen Registrierungen alle drei Tage vorgenommen werden. Allerdings scheint das in der Praxis nicht mehr so streng gehandhabt zu werden. Wir standen beispielsweise eine Woche ohne Registrierung in Samarkand. Als wir ausreisten wurden wir zwar nach Registrierungen gefragt, diese sind aber nicht im Detail überprüft worden. Andere Reisende, die mit uns im Land waren, konnten noch deutlich weniger Zeit als wir mit Registrierungen abdecken und hatten ebenfalls keine Schwierigkeiten.
Verständlicherweise herrscht bei allen Overlandern, die vornehmlich frei im eigenen Fahrzeug übernachten möchten, eine gewisse Unsicherheit bei dem Thema Registrierungspflicht. Weshalb wir uns in Chiwa bei der Touristenpolizei erkundigt haben, die in der ganzen Altstadt verteilt an kleinen Infohäuschen zu finden ist. Unsere Frage hat zunächst Verunsicherung ausgelöst. Nach einem längeren Telefonat wurde uns mitgeteilt, dass nur eine Registrierung ausreichend sei. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage lässt sich allerdings schwer prüfen.
Wer ganz auf Nummer sicher gehen möchte, kann sich auch selbst über ein usbekisches Online-Portal registrieren. Die Herausforderung dabei ist, dass für die Bezahlung eine usbekische Kreditkarte benötigt wird. Man braucht also in jedem Fall die Unterstützung eines Einheimischen. Hier der Link zu dem Portal: hwww.emehmon.uz.
Die gute Nachricht ist, dass die Registrierungspflicht voraussichtlich zum 1. Juli dieses Jahres abgeschafft werden soll. Aktuelle Informationen finden sich unter folgendem Link: caravanistan.com/visa/uzbekistan/registration/.
Wir können die hervorragend gepflegte und ständig aktualisierte Webseite Caravanistan jedem, der die Region bereisen möchte, sehr empfehlen. Sie ist die Anlaufstelle für Informationen zu ganz Zentralasien.
Einreise mit dem eigenen Fahrzeug
Ein Carnet de Passage wird nicht benötigt. Bei der Einreise werden die Fahrzeugdetails vom Zoll elektronisch erfasst. Es gibt keine Pflicht, eine Versicherung abzuschließen, allerdings ist es wohl in sehr seltenen Fällen passiert, dass bei der Ausreise nach einem Versicherungsnachweis gefragt wurde. Um möglichen Diskussionen vorzubeugen und da die Versicherung nur sehr wenig kostet, schadet es nicht, sie abzuschließen. Direkt an der Grenze, die wir überquert haben, war das nicht möglich, aber in Nukus, der nächstgrößeren Stadt. Dort haben wir für unser Fahrzeug für 30 Tage 14.500 Som bezahlt, was circa 1,50 Euro entspricht. Die Koordinaten des Versicherungsbüros finden sich in der Smartphone-App iOverlander.
Geld in Usbekistan
Seitdem der Dollarkurs freigegeben wurde, gibt es keinen Schwarzmarkthandel mehr, was die Situation sehr entspannt hat. Als wir im Land waren, hat die Nationalbank von Usbekistan den besten Wechselkurs auf Dollar und Euro angeboten.
An manchen Geldautomaten in größeren Hotels konnten wir Dollar oder Usbekische Som bekommen, dies hat aber nur unzuverlässig funktioniert. Interessanterweise waren die Automatengebühren auf Dollarabhebungen niedriger als für Som, so dass ein Abheben von US Dollar und anschließender Tausch bei der Bank der für uns günstigste Handel war.
Diese Situation ändert sich aber sehr schnell und dynamisch. Es scheint inzwischen mehr funktionierende Geldautomaten zu geben als während unseres Aufenthalts in Usbekistan im April 2019. Daher empfiehlt es sich auf jeden Fall, in iOverlander nach neuesten Erfahrungen zu suchen oder sich bei Caravanistan zu informieren. Hier der Link zum Artikel über Geld in Usbekistan: caravanistan.com/uzbekistan/money/.
Dieselqualität in Usbekistan
Die aktuellste Übersichtskarte der Vereinten Nationen vom Juli 2018 gibt den Schwefelgehalt in Usbekistan mit 500 bis 2000 ppm an. Wir konnten immer saubere, gepflegte Zapfsäulen finden und haben keinen Filter beim Tanken verwendet. Auch im Fahrzeug ist kein zusätzlicher Kraftstofffilter verbaut. Unser Ford Ranger Baujahr 2011 mit 2,5 l Commonrail Diesel Motor (Euro 4 mit Abgasrückführung und ohne Dieselpartikelfilter) kam gut mit dem usbekischen Diesel, den wir getankt haben, klar. Wir hatten keinerlei Schwierigkeiten.
Es empfiehlt sich aber eine gewisse Vorsicht und es ist gut, vor dem Tanken auf Sauberkeit und Zustand der Tankstelle zu achten. Beim Tanken aus Flaschen auf dem Schwarzmarkt, wie es besonders in Karakalpakstan eventuell nötig sein könnte, ist erhöhte Vorsicht angebracht und ein Filter beim Tanken bestimmt keine schlechte Maßnahme.
Dieselverfügbarkeit in Usbekistan
Die meisten Fahrzeuge im Land fahren mit Gas, daher ist Diesel in Usbekistan nicht immer zuverlässig zu bekommen. Insbesondere während der Baumwollernte im Herbst kann es zu Knappheiten kommen.
Reist man aus Turkmenistan in die usbekische Republik Karakalpakstan ein, dann empfiehlt es sich, kurz vor der Grenze den Tank und alle verfügbaren Reservebehälter aufzufüllen. Insbesondere, wenn man die Tour zum Aralsee plant, da in der ganzen Region Diesel noch schlechter verfügbar ist als im restlichen Land.
Fährt man wie wir von Nukus Richtung Chiwa ohne den Abstecher zum Aralsee, dann kommen ab Chiwa bis Samarkand immer wieder Tankstellen, die Diesel anbieten. Unsere Reichweite von rund 1.000 Kilometern hat uns problemlos von der turkmenischen Grenze zur nächsten Tankstelle bei Chiwa gebracht. Auch auf der weiteren Strecke bis Samarkand konnten wir im April 2019 immer rechtzeitig auftanken.
Wild-Campen in Usbekistan
Wir hatten keine negativen Erfahrungen und haben die von uns bereisten Gegenden in Usbekistan als sehr sicher und einfach zum Wild-Campen empfunden. Ganz Zentralasien ist von einer großen Gastfreundschaft geprägt. Usbekistan stellt keine Ausnahme dar, so dass die Menschen uns mit viel Freude, Offenheit und Neugierde begegnet sind.
Selbst in den Städten stört sich niemand daran, wenn man einige Tage bleibt und im Auto übernachtet. Auf diesem Platz mitten in Samarkand standen wir beispielsweise eine Woche lang. Einige Universitäts- und Regierungsgebäude liegen in direkter Nähe und zum weltberühmten Registan sind es keine zehn Minuten Fußweg.
Ansonsten haben wir verhältnismäßig lange in den Städten vor Hostels gestanden und im Auto übernachtet. Beispielsweise hier in Chiwa.
Ausreise aus Turkmenistan
Am Tag fünf unseres Aufenthalts in Turkmenistan, dem letzten Gültigkeitstag unseres Transitvisums, machen wir uns vormittags von Konya-Urgench auf den Weg zur nahe gelegenen Grenze. Hinter uns liegt eine der schlimmsten Strecken, die wir je erlebt haben und – wie sich im weiteren Verlauf der Reise zeigen sollte – eine der schlimmsten, die wir erleben würden. Wir hoffen sehr auf eine Besserung in Usbekistan. Eine Hoffnung, die nur teilweise erfüllt werden sollte.
Gegen elf Uhr vormittags kommen wir am turkmenischen Grenzposten an und werden direkt von einem jungen Beamten, der gut Englisch spricht, in Empfang genommen. Er erklärt uns, an welche Stationen wir in welcher Reihenfolge gehen müssen. Unsere Taschen mit Wertsachen, die wir mit ins Gebäude genommen haben, werden durch einen Röntgenscanner geschickt und im Anschluss dürfen wir das klobige GPS Gerät, welches wir im Beifahrerfußraum fünf Tage durch Turkmenistan gefahren haben, wieder abgeben. Wir beobachten nicht, dass irgendwelche Daten aus dem Gerät ausgelesen werden, was die Berichte vieler anderer Reisender bestätigt. Die GPS-Überwachung scheint Formsache zu sein, so lange man nicht unangenehm auffällt.
An der nächsten Station steht nur eine Familie vor uns. Wir benötigen noch die Ausreisestempel und dann soll unser Fahrzeug einer abschließenden Kontrolle unterzogen werden. Wir rechnen schon mit einem schnellen Grenzübergang, doch dann dauert es fast eine Stunde, bis die Familie abgefertigt ist. Unsere Pässe gehen schnell und wenige Minuten später sitzen wir draußen bei unserem Fahrzeug und warten auf die Inspektion.
Mittlerweile ist es zwölf Uhr mittags und aus dem Schaltergebäude treten immer wieder Gruppen turkmenischer Beamte mit ihrem Mittagessen. Sie verschwinden alle in einem kleinen Gebäude in der Nähe der Einfahrtsschranke. Wir sitzen weiter vor dem Auto, warten und bekommen ebenfalls Hunger. Nach einer halben Stunde frage ich nach, ob denn jetzt erst einmal Mittagspause sei oder ob wir noch kontrolliert werden würden. “Nein, nein, es kommt sofort jemand”, lautet die Antwort. Es kommen tatsächlich mal zwei Beamte und es sieht so aus als ginge es los. Ich soll die Türen öffen. Doch dann stehen sie eine Weile neben dem Fahrzeug, diskutieren auf Turkmenisch und verschwinden dann wieder. Eine weitere halbe Stunde vergeht, bis die zwei Beamten, offenbar mit ihrem Vorgesetzten im Schlepptau, zurückkehren. Und jetzt ist es wirklich soweit. Handschuhfach und Mittelkonsole werden kontrolliert. Dies passiert übrigens zuverlässig an jeder Grenze, die wir bisher passiert haben. Diese beiden Fächer werden unter Garantie überprüft. Sie werfen einen weiteren Blick in die Stauräume der Wohnkabine und etwa zehn Minuten später haben wir die Erlaubnis das Land zu verlassen. Schade eigentlich, wir hätten gerne mehr Zeit in Aschgabat und am Tor zur Hölle verbracht.
Einreise nach Usbekistan
Aber nun wartet erst einmal Usbekistan auf uns. Wir fahren vor das Schaltergebäude und steigen aus. Ein Grenzbeamter kommt direkt auf uns zu, deutet auf das Transportrohr, welches vorne am Alkoven von Ramon, unserem Ford Ranger, befestigt ist, und sagt etwas auf Russisch. Auch wenn wir die Sprache nicht verstehen, interpretiere ich sofort, dass er fragt: “Was habt ihr denn da für einen Raketenwerfer?”
Zum Glück grinst er breit während dieser Worte. Ich zeige ihm den tatsächlichen Inhalt, Campingtisch und Stühle, aber er winkt bereits ab. Nach einer flüchtigen Fahrzeugkontrolle gehen wir in das Gebäude, die Pässe sind schnell gestempelt und wir nehmen in einem Zimmer des Zolls Platz. Das Erfassen des Fahrzeugs dauert etwas länger, hauptsächlich wegen Verständigungsschwierigkeiten. Jetzt machen sich unsere fehlenden Russischkenntnisse doch bemerkbar. Nach einer Weile sind alle Fahrzeugdaten im Computer erfast und wir werden in Usbekistan willkommen geheißen.
Kunst in der Wüste
Der erste Stopp im Land gilt Nukus, der Hauptstadt der Republik Karakalpakstan. Die Gegend ist geprägt von Wüste, die zum Teil menschengemacht ist. Die Aralkum ist durch die fortschreitende Austrocknung des Aralsees entstanden, wofür zu einem großen Teil der sehr wasserintensive Baumwollanbau Usbekistans verantwortlich ist.
In Nukus lassen sich schnell und einfach die üblichen Erledigungen nach der Einreise in ein neues Land organisieren: Geld tauschen oder abheben, SIM Karte besorgen und Autoversicherung abschließen. Ist der Pflichtteil erledigt, gibt es eine höchst ungewöhnliche Attraktion in der Stadt. Das Sawitzki Museum, benannt nach seinem Gründer Igor Witaljewitsch Sawitzki, bietet die weltweit zweitgrößte Sammlung an russischer Avantgarde. Sie wird nur von der des Staatlichen Russischen Museums in St. Petersburg übertroffen. Weit abgeschieden von Moskau gelang es Sawitzki ab Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts die Werke von Künstlern zu sammeln, die im Zentrum der Macht nicht gerne gesehen wurden. Seiner Leidenschaft ist es zu verdanken, dass hier, inmitten der Wüste, eine solch einzigartige Ausstellung zu besichtigen ist.
Chiwa
Die erste längere Fahrt in Usbekistan steht uns bevor. Auf der A380, die Teil der Europastraße 40 ist, geht es zunächst nach Chiwa und anschließend nach Buchara, wo wir die mit 8.000 Kilometern längste Europastraße wieder verlassen.
Gleich zu Beginn werden unsere Hoffnungen auf bessere Straßen enttäuscht. Wir stolpern von Schlagloch zu Schlagloch. Gleichzeitig entpuppen sich die Usbeken als recht aggressive Autofahrer, die ohne Rücksicht überholen, wo sie nur können – egal ob das nun links oder rechts, mit oder ohne Gegenverkehr stattfindet. Was es uns immer wieder unmöglich macht, teils sehr tiefen Löchern auszuweichen. Die Straßenverhältnisse werden glücklicherweise besser, je weiter wir nach Osten kommen.
Chiwa ist die kleinste der alten Oasenstädte. Der ganze historische Stadtkern, Itschan-Kala genannt, wurde 1990 zum UNESCO-Welterbe erklärt. Er ist vollständig von der etwa 2500 Jahre alten Stadtmauer umgeben. Das Westtor ist der Hauteingang zu dem die meisten Besucher die Altstadt betreten. Man sieht ihm allerdings an, dass es unmöglich das Alter der Mauer haben kann. Es ist eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1970, nachdem das Original 1920 zerstört wurde.
Am Westtor gibt es ein Drehkreuz an dem Touristen aufgefordert werden, eine Eintrittskarte zu kaufen. Diese berechtigt zum Eintritt in die meisten Gebäude innerhalb der Altstadtmauern, ist aber offenbar nicht nötig, wenn man nur durch die Gassen schlendern möchte. Geht man nicht durch das Westtor, sondern beispielsweise einmal ums Eck zum Südtor, kann man ungehindert passieren.
Direkt hinter dem Westtor ragt das mächtige Kalta Minor Minarett hervor, das Wahrzeichen Chiwas. Es sollte mit einer geplanten Höhe von 70 bis 80 Metern das größte Minarett der islamischen Welt werden. Die Arbeiten daran wurden aber 1855 nach fünf Jahren Bauzeit eingestellt, nachdem der Auftraggeber, der damalige Herrscher des Khanats Chiwa, in einer Schlacht getötet worden war. Der mächte Bau mit seinen blau und türkis glasieren Ziegeln beeindruckt auch unvollendet.
Auf mehr Höhe hat es das Islam Hodscha Minarett gebracht, welches allerdings erst zwischen 1908 und 1910 erbaut wurde. 57 Meter ist es hoch und ragt weit über alle anderen Gebäude Chiwas hinaus.
Ayaz-Kala Festungsanlage
Deutlich älter – annähernd 2000 Jahre – ist die Ayaz-Kala, eine Anlage von drei Lehmfestungen, deren Ruinen nördlich von Chiwa am Rande der Kisilkum stehen. Die Lehmmauern sind ziemlich erodiert, doch der Blick von der oberen auf die mittlere Festung lohnt sich.
In der Nähe haben wir eine der seltenen Tierbegegnungen im Land, vermutlich eine Steppe Ribbon Racer, eine Giftschlange, die aber für den Menschen eher ungefährlich sein soll.
Buchara
Wir nehmen trotzdem lieber Abstand und fahren wieder in die Stadt. Buchara ist deutlich größer als Chiwa und die Sehenswürdigkeiten verteilen sich auf ein weitläufigeres Gebiet. Aber auch hier gibt es ein historisches Zentrum, welches seit 1993 zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. Zu sehen sind unzählige historische Bauwerke, Moscheen und Medressen (islamische Hochschulen).
Ark Zitadelle
Die Ark Zitadelle diente als Sitz der Emire und Khane von Buchara. Es ist nicht bekannt, wann das Gebäude oder Vorläufer davon erstmals erbaut wurden, aber die Zitadelle wurde mehrmals zerstört und wieder aufgebaut. Besonders auffällig sind die massiven Festungsmauern, die ein Areal von vier Hektar umschließen. Interessant für Overlander: auf dem großen Besucherparkplatz stehen regelmäßig Reisende und übernachten in ihren Fahrzeugen.
Mir-Arab Medresse und Kalon Minaret
Nicht weit entfernt liegt das Poi Kalon Gebäudeensemble, welches eine Moschee und zwei Medressen umfasst, alle aus dem frühen 16. Jahrhundert. Die Mir-Arab Medresse war die wichtigste islamische Bildungseinrichtung der Sowjetunion. Unter Lenin wurde der Lehrbetrieb 1920 eingestellt, aber 1945 unter Stalin wieder aufgenommen. Auch heute noch ist die Schule aktiv.
Das Kalon Minarett gilt als Wahrzeichen Bucharas. 1127 fertig gestellt ist es älter als die anderen Gebäude des Poi Kalon Ensembles. Es ist aus rohen Ziegeln erbaut, die so angeordnet sind, dass sie verschiedene Muster ergeben.
Chor Minor
Das Torgebäude Chor Minor ist in einem anderen Stadtteil inmitten eines Wohnviertels gelegen. Es war Teil einer Medresse, die aber nicht mehr existiert. Der Name bedeutet übersetzt vier Minarette, auch wenn die Türme niemals diese Funktion innehatten, sondern nur zur Zierde gebaut wurden. Architektonisch fällt das Bauwerk aus der Reihe und scheint eher indischen Vorbildern nachempfunden zu sein.
Kritik
Wir möchten nicht unerwähnt lassen, dass man immer wieder kritische Stimmen zu den Sehenswürdigkeiten Usbekistans hört. Bemängelt wird, dass sich die Städte wie riesige, inszenierte Open-Air Museen anfühlten und dass bei der Renovierung der historischen Gebäude zu viel gestalterische Freiheit am Werk war. In anderen Ländern wie dem Iran würden die alten Bauten weiterhin in das lokale Leben integriert sein, während in Usbekistan die Bevölkerung ausgeschlossen wurde und teilweise unter den Renovierungsmaßnahmen leiden musste. In jeder Moschee oder Medresse finden sich Souvenirstände für Touristen. Wenn sie usbekisches Kunsthandwerk wie Stoffe, Kleider oder Teppiche verkaufen, kann sich das sehr gut einfügen, was aber nicht immer so gut gelingt wie in diesen Beispielen.
Schlussendlich muss sich hierzu jeder sein eigenes Bild machen. Wir können für uns sagen, dass wir beides erlebt haben und uns Usbekistan trotz der Inszenierung seiner Sehenswürdigkeiten außerordentlich fasziniert hat. Die architektonische Kraft seiner Bauwerke ist und bleibt einzigartig. Dies zeigt sich besonders in Samarkand.
Samarkand
Die Stadt wurde im 13. Jahrhundert durch Dschingis Khan zwar zerstört, aber ein Jahrhundert später vom mongolischen Herrscher Timur zur Hauptstadt seines Großreichs erkoren und in der Folge zu einer der damals bedeutendsten Metropolen ausgebaut. Viel vom heutigen Glanz Samarkands geht auf diese Zeit zurück.
Bibi-Chanum-Moschee
Beispielsweise ließ Timur zwischen 1399 und 1404 die Bibi-Chanum-Moschee erbauen, die eine der größten und glanzvollsten Moscheen der islamischen Welt war. Um das zu erreichen verschleppte er die besten Künstler und Baumeister aus allen Teilen seines riesigen Reiches. Allerdings holte ihn sein Ehrgeiz schnell wieder ein. Bereits vor der Fertigstellung begannen Teile wieder zu zerfallen. Die Grenzen der herkömmlichen Ziegelmauertechnik waren überschritten und das Gewicht, das auf tragenden Mauern lastete, schlicht zu groß. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden zwar nochmals Renovierungsarbeiten durchgeführt, aber danach verfiel das Prachtgebäude zusehends. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird die Moschee wieder aufgebaut, eine Arbeit, die bis heute anhält.
Siab-Basar
Ganz in der Nähe der Moschee bietet der Siab Basar eine schöne Abwechslung. Er wird nicht nur von Touristen sondern auch von Einheimischen viel genutzt.
Gur-Emir-Mausoleum
Timur wäre nicht Timur, wenn er selbst nicht auch in einem Prachtbau beerdigt wäre. Das Gur-Emir-Mausoleum wurde noch während seiner Herrschaftszeit im Jahr 1404 vollendet und war ursprünglich für einen Neffen von ihm geplant. Angeblich war ihm der Bau nicht hoch genug und er ließ ihn vollständig umbauen. Nur ein Jahr später starb Timur nach übermäßigem mehrtägigem Alkoholkonsum auf einem Winter-Feldzug gegen China und wurde in Samarkand beigesetzt.
Registan
Das Highlight Samarkands schlechthin, der Registan, kann allerdings nicht Timur zugeschrieben werden. Das Wort Registan bedeutet Sandplatz und geht auf die Zeit zurück als hier im 15. Jahrhundert der sehr wissenschaftlich und weniger staatsmännisch orientierte Herrscher Ulugh Beg die erste nach ihm benannte Medresse erbauen ließ. Er holte etwa 70 Gelehrte an die Universität und unterrichtete dort selbst bis zu seinem Tod Mathematik und Astronomie. Die Ulugh-Beg-Medresse galt als eine der angesehendsten Bildungseinrichtungen Zentralasiens.
Erst im 17. Jahrhundert wurde genau gegenüber die Sher-Dor-Medresse errichtet. Dieses städtebauliche Prinzip, bei dem die Hauptfassaden zweier Prunkbauten meist streng symmetrisch einander gegenüber gestellt sind, nennt sich Kosch-Prinzip. Der Registan ist das beeindruckendste Beispiel, das wir kennen.
Einige Jahre später wurde der Platz durch die vor Kopf angeordnete Tilya-Kori-Medresse vervollständigt.
Die Tilya-Kori-Medresse diente nicht nur als Ausblidungsstätte sondern auch als Moschee, deren Hauptsaal prunkvoll verziert und vergoldet ist.
Eine magische Atmosphäre entsteht bei Einbruch der Nacht, wenn die Gebäude beleuchtet werden.
Meistens einmal pro Woche, aber in unregelmäßigen Abständen, findet zusätzlich eine kostenlose Licht, Laser- und Videoshow statt, bei der die Gebäude als Projektionsfläche dienen. Es wird die Geschichte Samarkands, Usbekistans und der Seidenstraße erzählt und dabei manches Mal kräftig übertrieben. Es sei ihnen gegönnt.
Der Deutschprofessor
Vier Wochen haben wir in Usbekistan hauptsächlich in Städten verbracht und freuen uns nun wieder auf die Natur. Nachdem wir die Lightshow am Registan erlebt haben, beschließen wir, nach Tadschikistan weiterzufahren. Doch einen Tag vor der geplanten Abfahrt kommt ein älterer Herr mit Anzug und Kravatte an unserem Übernachtungsplatz in Samarkand auf uns zu. Er spricht uns in perfektem Deutsch an. Es stellt sich heraus, dass er der Deutschprofessor an der gegenüberliegenden Universität ist und uns zu sich nach Hause zum Abendessen einladen möchte. Wir nehmen gerne an und verschieben unseren Aufbruch um einen Tag.
Ein usbekisches Sprichwort besagt, der Gast stünde höher als der Vater. Auch hört man “jeder Gast ist von Gott gesandt”. Auf den Internetseiten eines Reiseanbieters heißt es, dass manchmal die Kinder den Gästen etwas vortanzten oder dass die Hausfrau die Gäste in die Geheimnisse der usbekischen Küche einweihen würde. Nachdem wir dies und vieles mehr über die umwerfende usbekische Gastfreundschaft gehört haben, sind wir schon sehr auf den Abend gespannt. Wir erhoffen uns ein gutes, hausgemachtes Plov, auch Pilav oder Pilau genannt. Dabei handelt es sich um eine meist sehr ölige Reispfanne, je nach Region mit unterschiedlichem Fleisch (häufig Lamm oder Hammel, selten Rind) und Gemüsebeigaben (meist Karotten und Zwiebeln). Bisher konnten uns die Plovs, die wir in Restaurants gegessen haben, wegen ihres sehr hohen Ölgehalts eher nicht überzeugen, aber Freunde von uns, die in den Genuss einer Einladung gekommen waren, schwärmten davon.
Am späten Nachmittag des nächsten Tages steht der Professor mit einer kleinen Gruppe seiner Studenten vor unseren Auto. Die Studenten möchten alle lieber Englisch mit uns sprechen, ihr Deutsch steckt noch sehr in den Kinderschuhen. Für uns kein Problem, ihr Lehrer ist verständlicherweise etwas enttäuscht. Die Runde mit den Studenten zerstreut sich schnell wieder und wir fahren zu unserem Gastgeber. Er bewohnt ein großes, sehr zentral hinter der Bibi-Chanum-Moschee gelegenes Haus. Als wir ankommen begrüßen uns seine Frau und Tochter, sowie sein etwa 16-jähriger Enkel. Wir werden direkt ins Esszimmer geführt, der Enkel soll neben uns Platz nehmen. Er kann Englisch und muss üben. Die beiden Frauen des Hauses sprechen leider keine Sprache, der auch wir mächtig sind. Also bleibt die Konversation an Enkel und Großvater hängen. “Er muss in zwei Tagen eine Englischprüfung für die Aufnahme an der Uni bestehen”, erklärt uns der Großvater. Und zu seinem Enkel gewandt: “Los, sprich Englisch mit ihnen, Du musst üben!”
Wir plaudern ein wenig mit dem Enkel, sein Englisch ist passabel. Währenddessen serviert die Dame des Hauses Grillhühnchen, Salat und Brot. Schade, wieder können wir uns nicht davon überzeugen, dass Plov so toll ist, wie die Einheimischen immer behaupten.
Über dem Essen kommt die Unterhaltung etwas ins Stocken. Sofort fordert uns der Professor auf: “Los, sprecht mit ihm, er muss üben!” Wir folgen brav der Aufforderung und stellen dem Neffen ein paar Fragen, die er ebenso brav beantwortet. Sein Großvatter möchte wissen: “Und? Wie ist sein Englisch? Wird er die Prüfung bestehen?” So geht das den ganzen Abend. Der eingeschüchterte Neffe wird unter Druck gesetzt, sich unbedingt mit uns zu unterhalten und ja nicht die wichtige Prüfung in den Sand zu setzen und wir sollen den Neffen in der Konversation fordern und anschließend beurteilen. Es drängt sich der Gedanke auf, dass wir zur Prüfungsvorbereitung eingeladen wurden. Als wir nach etwa dreieinhalb Stunden Englischnachhilfe das Haus des Professors uns seiner Familie wieder verlassen dürfen, sind wir zugegeben froh, den Abend überstanden zu haben.
Jetzt freuen wir uns erst recht auf die Landschaften Tadschikistans. Wilde Bergkulissen warten auf uns und vermutlich das größte Abenteuer unserer Tour, der Pamir Highway.
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© Fotos: Oliver Neumann