Die Gänse machen einen Heidenlärm. Viel zu früh für meinen Geschmack. Ich drehe mich noch einmal um, spinkse raus. Ist es schon Zeit aufzustehen? Ich möchte in Ruhe frühstücken und pünktlich abfahrbereit sein. Denn um 09:00 Uhr geht die erste Heidesand-Brabant-Tour durch die Niederlande los. Und ich muss vorneweg fahren.
Als ich mitbekommen hatte, dass bei unseren Nachbarn, den Niederländern, legal der Asphalt verlassen werden darf, suchte ich mir gleich ein paar Strecken zusammen. Eine gute Strecke kann man schließlich immer gebrauchen. Im Internet, von Freunden und vor-Ort besorgte ich mir Tracks. Insgesamt fünf mal scoutete ich die Strecke und stellte einen rund 200 km langen Rundparcours zwischen der Maas und Eindhoven zusammen. Um es gleich vorweg zu sagen, diese Strecken bieten kein Hardcore-Offroad, aber immerhin Sandpisten und teilweise auch verschlammte und zerfurchte Wege, die nach Regen eine nette Schlitterpartie bieten.
Nicht zu hart und nicht zu zart. Also genau das richtige für einen Offroad-Familienausflug. Das sah Michael Ortner von der 4×4-Experience. Ich hatte ihm bei einem Treffen in unserer Stammwerkstatt von den Strecken erzählt. Michael hatte die Idee, daraus eine schöne Tour für den Saisonabschluss mit der ganzen Familie zu machen. Also ab in die Niederlande, die letzten Scouttouren fuhren wir zusammen. Uns war es wichtig, dass alle Wege legal befahrbar sind.
Mit nackten Füßen stehe ich nun hier im feuchten Gras. Es ist frisch an der Maas. Es fühlt sich sehr angenehm an und weckt meine Sinne. Der Tag verspricht schön zu werden. Wolkenloser Himmel und kaum Wind. Der sehr ordentliche Campingplatz liegt wie eine kleine Insel mitten in dem Fluss. Langsam schälen sich auch die Tourteilnehmer aus ihren Autos und Zelten. Ich bin nun hellwach und Michael hat bereits die erste Runde mit seinem Hund gedreht. Ich mache uns Kaffee, schmiere mir zwei Brote und packe ein paar größere Sachen in Michaels Island-Zelt. Den Rest verstaue ich im Auto. Punkt neun stehe an ich der Rezeption und leite den Konvoi auf den Besucherparkplatz. Noch ein kurzes Briefing und dann geht es auch schon los.
Zuerst fahren wir auf die Autobahn Richtung Eindhoven. Gut 20 km brauchen wir zum Tourbeginn. Nach der Autobahnabfahrt noch ein Stück Asphalt, dann kommt der erste Pistenabschnitt. Zuerst einige Kilometer hügelige Sandpiste. Der Boden ist leicht feucht, so dass es nicht zu sehr staubt. Mir kann das egal sein, denn ich fahre ganz vorne. Einige Radfahrer sind auch schon unterwegs. Die haben ihre eigene Spur, aber dennoch ist gegenseitige Rücksichtnahme angezeigt. So bleiben die Wege dann auch für Fahrzeuge offen. Ab jetzt geht es im regelmäßigen Wechsel auf Piste und Asphalt weiter. Wir fahren durch Wälder, durch große und kleine Pfützen. Vorbei an Windmühlen und entlang von Grachten fahren wir dem Track nach. Mittlerweile ist es warm geworden und ich kurbele die Seitenscheibe runter. Nur nicht zu weit, denn immer wieder geht es durch Pfützen. Gegen Mittag gibt es einen typisch holländischen Snack. In Browhuis bestellen wir uns Fritjes special, Frikandel und andere Spezialitäten. Gut, das ist kein Sterneessen, aber es macht satt und wir können die zweite Tourhälfte fahren.
Wir haben bereits zwei Klappbrücken passiert, als wir am Ende eines Waldstücks auf ein tieferes Schlammloch treffen. Ich teste es vorsichtig an und bleibe ohne Mittelsperre auch gleich stecken. Sperre rein, zweiter Versuch. Prima, es geht weiter. Über Funk gebe ich an die Gruppe durch, dass das Loch nicht zu tief ist und ein bisschen Schwung hilft. Um die Ecke herum parke ich, um ein paar Bilder zu machen. Leider stelle ich mich taktisch nicht so klug hin und der erste Wagen, der mich passiert hat das wohl mit dem „ein bisschen Schwung“ missverstanden. Mit Schlamm vollgekleistert stehe ich nun da. Zum Glück hat die Schutzhülle meines Kameratelefons das Gerät geschützt. Ich wechsele meine Position, gerade als der Jeep mit den etwas zu kleinen Reifen anfährt. Er schafft es nicht. Den Wagen hat der Besitzer erst vor kurzer Zeit erstanden. Es gab für ihn noch keine Möglichkeit den Jeep etwas fitter zu machen. Michael, als letztes Tourfahrzeug macht sofort die Winde parat. Schnell ist der Wagen angeleint und nach hintern rausgezogen. In einer etwas anderen Spur meistert er dann das Hindernis. Wir bleiben für einen Moment an der Stelle stehen. Ich sehe ein Grinsen in viele Gesichtern. Auch wenn nicht jeder anfangs vorhatte, seinen Wagen unbedingt dreckig zu machen, so hatten jetzt doch alle ihren Spaß gehabt. Und das Auto kann man wieder sauber machen.
Weiter geht es. Wir fahren einen Bauernhof an. Hier wohnt eine Gemeinschaft von Kindern mit Down-Syndrom mit ihren Betreuern. Sie stellen Marmeladen und andere Produkte aus Obst her und verkaufen sie. Wir hatten auf den Scout-Touren mit einem Betreuer vereinbart, dass sie für uns ihr Verkaufsregal auffüllen sollen. Wir kaufen es fast ganz leer. Eine gute Sache, wie ich finde. Hilft es doch dieser Gemeinschaft und auch unseren Gaumen.
Der erste Tourtag nähert sich dem Ende. Über die Autobahn geht es gut gelaunt zurück zum Campingplatz. Schnell unter die saubere Dusche und etwas essen. Da es ein wenig nach Regen aussieht, ziehen wir uns unter den Holzbau zurück, den wir für uns nutzen dürfen. Wir platzieren dort zwei Grills und jeder bringt etwas mit. In kurzer Zeit ist eine kleine Gemeinschaft entstanden. Angeregte Gespräche lassen den Tag Revue passieren und auch aktuelle Themen werden diskutiert. Für den weiteren Abend ist der Besuch des Lichterfestivals auf der Maas geplant. Dabei fahren in der Dunkelheit mit Lichterketten und Lichteffekten ausgestattete Boote den Fluß auf und ab. Wir stellen uns mit der Gruppe neben das Bootshaus und genießen, teilweise auch etwas belustigt, das Treiben auf dem Wasser. Nachdem alle Boote vorbeigezogen sind, trinken wir noch ein oder zwei, vielleicht auch drei Absacker in der großen Bar des Platzes.
Nach einigen weiteren interessanten Gesprächen verschwinde auch ich in mein Bett. Morgen möchte ich noch früher aufstehen, denn das Highlight der Tour steht uns ja noch bevor: Terrein 2016.
Sonntag Morgen – etwas kühler noch als am Vortag falle ich aus dem Auto. Natürlich habe ich es nicht geschafft, früher auf zu sein. Und mein Plan mir morgens einen richtig schönen, heißen und starken Cowboy-Kaffee zu machen verwarf ich auch sogleich. Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass wir heute alles einpacken müssen. Ich wüsste gerade nicht, wohin ich Asche und Glut entsorgen sollte. Also gab es wieder Stempelkannenkaffee. Meinetwegen, das ging gestern, dann geht es auch heute. Dusche, Frühstück und Packen. Pünktlich stehe ich abfahrbereit an der Schranke des Campingplatzes.
Mit dem Konvoi im Schlepptau zur letzten Fahrerbesprechung und dann wieder auf die Autobahn. Richtung: Landsard. Dort ist ein kleines aber tückisches Gelände. An diesem Wochenende findet dort die Terrein 2016 statt und wir dürfen dabei sein. Eine Dreiviertelstunde später fahren wir auf das Gelände. Meine Freundin Dee von Jeet-at-work begrüßt uns alle am Tor und weist uns ein. Sie hilft uns auch bei dem Ausfüllen der niederländischen Anmeldung. Was für ein Service. Wir kommen uns wie Ehrengäste vor, auch wenn wir gar keine sind. Amüsiert und erstaunt sehen sich einige Teilnehmer die zum Teil heftig umgebauten Geländekiller an. Jeeps, Ex-Land Rover, Iltis, Toyotas und sogar ein stark verkürzter Range Rover Classic mit gelenkter Vorder- und Hinterachse ziehen unsere Blicke an. Der Range wird später dabei beobachtet, wie er im Kreis um einen Baum fährt.
Wir schlagen uns nach der Anmeldung ins Gelände. An geeigneter Stelle beginnt Michael mit dem ersten Workshop: Einweisung durch den Beifahrer. Ja, was soll ich sagen. Die Aufgabe war es, vom wilden Händewinken zu einer klaren Anweisung an den Fahrer zu kommen. Gar nicht mal so leicht. Obwohl es nicht um Geschwindigkeit geht, lassen es manche sehr hektisch angehen, achten hier und da nicht auf Sicherheit. Michael und ich beobachten das, geben Hinweise, unterstützen. Genau um diese Erfahrung zu machen führt Michael das ganze durch. Auch wenn die Teilnehmer am Ende sicherlich noch an der Fahrer-Einweiser-Kommunikation arbeiten müssen, konnte jeder einmal selber merken, dass Einweisen nicht so einfach ist und der Einweiser eine große Verantwortung trägt.
Nachdem alle durch die Verschränkungspassage durch sind, fahren wir ein wenig frei durch das Gelände. Rechts und links klettern, wühlen und bergen sich die niederländischen Kollegen durch das sehr unwegsame Areal. Als sich der erste unserer Gruppe festgefahren hat, nutz Michael die Gelegenheit, die Funktion und das Vorgehen beim Bergen mit Winde zu erläutern. Worauf ist zu achten, wie wird richtig angeschlagen, was bringt eine Umlenkrolle und natürlich die Sicherheit. Interessiert beobachteten die Teilnehmer jeden Handgriff. Schauen heißt hier lernen. Nachdem der Wagen befreit ist, durchfährt die Gruppe noch einige schwierigere Passagen und die Beifahrer ergriffen die Gelegenheit die Fahrer einzuweisen. Wenn Michael den Part übernahm, konnten die Teilnehmern noch einmal das Geben exakter Anweisungen beobachten. Danach treffen wir uns zum Gruppenbild am See.
Dort lassen wir die Wagen geparkt stehen. Der Mud-Cup fängt bald an. Im Wald gibt es einen ziemlich zerfurchten Bereich mit tiefen und steilen Löchern, zum Teil geht es auch an der tiefsten Stelle um die Kurve. Und es gibt ein ca. 40 bis 50 Meter langes Schlammloch. Durch dieses müssen die Mud-Cup-Teilnehmer so schnell es geht hindurch. Das Vorgehen ist immer das gleiche. Viel Gas geben, soweit wie möglich rein, Beifahrer oder Beifahrerin raus, Winde gepackt, Baum gesucht, ordnungsgemäß anschlagen und den Wagen durchziehen. Soweit die Theorie. Nur einer schaffte es recht zügig ohne jegliche Hilfe durchzukommen. Ein altes Buschtaxi mit ordentlich großen Reifen und einer Bodenfreiheit, die einem Unimog Ehre machen würde.
Das Highlight ist aber sicherlich die junge und sehr motivierte Dame, die elegant dem umgebauten Defender entstieg um das Windenseil anzubringen und dabei bis zum Bauchnabel im Schlamm versank. Eher unfreiwillig aber zur Freude aller Zuschauer. Souverän wühlte sie sich heraus und ohne auch nur ein bisschen an Eleganz verloren zu haben, befestigte sie mit einem Lächeln und schlammdurchnässter Hose das Seil am Baum.
Kompromisslos versenken weitere Mud-Cup Starter ihre Fahrzeuge. Zum Spaß aller Zuschauer. Ich sehe auf die Uhr. Es ist schon nachmittags, die Zeit verging so schnell bei dem kurzweiligen Treiben. Auch die anderen fassen so langsam den Entschluss den Offroad-Tag zu beenden und die Heimreise anzutreten. Verständlich, wenn man wie einige Teilnehmer zum Beispiel vom Bodensee oder aus der Schweiz kommt. Am See verabschieden wir uns alle voneinander. Einige tauschen noch ihre Kontaktdaten aus, ein gutes Zeichen. Ich warte noch bis alle das Gelände verlassen haben, verabschiede mich von Dee und fahre zum Tor. Premiere bestanden, denke ich bei mir und beschleunige auf die Autobahn. Meine Frau wartet darauf, dass ich mich und ihr Auto heile nach Hause bringe.
Fotos: © Andreas Woithon & Dee
Vermutlich wird es im Herbst nächsten Jahres wieder eine von 4×4-Experience durchgeführte Heidesand-Brabant-Tour durch die Niederlande geben. Wir halten euch auf dem Laufenden.