Als Philip Scherer sein „Weltwärts-Jahr“ in Afrika beendet hatte, kaufte er sich einen Land Rover One-Ten und verwirklichte seinen Traum, von Afrika zurück nach Deutschland zu fahren. Der erste Teil seines Weges führt ihn durch Tansania, über die berüchtigte Moyale-Route durch Kenia bis nach Äthiopien. Lest selbst, was er dabei mit seinem One-Ten erlebt hat.
Ich hatte einen Traum
Von 2010 bis 2011 verbrachte ich ein Jahr in Tansania. Es war ein sogenanntes „Weltwärts-Jahr“, des Freiwilligendienst „weltwärts„, das jungen Menschen die Möglichkeit geben soll, ein Jahr im Ausland zu leben und zu arbeiten. Ich arbeitete im „Faraja Health Center“, einem kleinen Krankenhaus in Himo, am Fuße des Kilimanjaro. Dort kümmerte ich mich um die Patienten, war Hausmeister und durfte den Krankenwagen fahren.
Der Krankenwagen hatte es mir sofort angetan, es war eine Land Rover Serie 2 – 109 Station Wagon. Während der Fahrten mit dem Krankenwagen träumte ich davon von hier nach Hause, einfach Richtung Norden und dann ums Mittelmeer fahren.
Nach und nach begann der Traum immer mehr Gestalt anzunehmen. Ich las Erfahrungsberichte von anderen Afrika-Reisenden, machte eine Liste, von Dingen, die ich wohl benötigen würde und überlegte, wie ich einen Wagen umbauen müsste.
Als erstes brauchte ich einen Wagen
Schnell war klar, wirklich viel brauchte ich nicht: Ein Zelt, genug Wasser, Treibstoff und das passende Fahrzeug. Kurze Zeit später erzählte mir Maspeed, der Sohn eines sehr guten Freundes, dass er in Dar-es-Salaam eine Land Rover Serie 3, mit Softop, in super Zustand für gut 2.500 Euro gefunden hätte. Die Serie entpuppte sich später dann doch als Defender, trotzdem besorgte ich das Geld. Ein bisschen mulmig war mir schon zu Mute mit soviel Geld quer durch Tansania zu reisen. Ich versteckte das Geld tief unten in meinem Rucksack und fuhr mit dem Bus in die 700 Kilometer entfernte Hauptstadt.
Nach der achtstündigen Fahrt fand ich die Adresse des Verkäufers in einem Industriegebiet. Und da stand er: Ein weißer Defender, gut in Schuss, aber etwas in die Jahre gekommen. Nach genauerer Untersuchung war es dann sogar ein alter One-Ten, das Modell zwischen dem Serie 3 und dem Defender TDI, mit 2,5-Liter-Saugdiesel.
Ich kaufte den Wagen sofort. Aus einer Plastikflasche goss ich etwas Diesel in den Tank. Dann ich startete den Motor. Der Land Rover sprang sofort an und der Motor lief ruhig vor sich hin. Mit dem Kofferraum voller Ersatzteile, fuhr ich erst einmal in die Werkstatt von Maspeed in Dar-es-Salaam.
Und irgendwann dann: Prädikat „Reisefertig Tansanian-Style“.
Nur ein bisschen den Wagen putzen, eine kleine Inspektion, vielleicht die Batterie tauschen und am nächsten Morgen wollte ich zurück nach Himo. Es wäre ja zu leicht, wenn alles einfach so funktionieren würde. Und siehe da, nach der Inspektion sprang der One-Ten nicht mehr an.
Nach einigem Suchen stellte sich heraus, dass die Kohlekontakte in der Lichtmaschine völlig runter waren. Eine neue Lichtmaschine konnte ich mir nicht mehr leisten, also musste eine afrikanische Lösung her: Mit einigen Metern Kabel und einer Zange verband Maspeed die Batterie direkt mit dem Motor. Jetzt durfte ich nur nicht vergessen, nach jedem Start die Verbindung wieder zu trennen.
Noch schnell vollgetankt und los ging es 700 Kilometer Richtung „Heimat“. Mit 90 km/h fuhren Maspeed und ich durch die Steppe Tansanias. Mit dem Soft-Top ließen sich die Temperaturen um die 40 Grad im Schatten aber gut aushalten und wir kamen wohlbehalten in unserem Dorf an.
Drei Tage vor der Reise dann noch mal eben den Motor ausbauen
Bevor ich auf große Reise gehen konnte, wollte ich den Wagen noch ein wenig testen. Da traf es sich gut, dass mein Bruder mich in der nächsten Woche in Tansania besuchen wollte.
Gemeinsam mit unseren Freundinnen erkundeten wir dann 3 Wochen lang Tansania. Die Testfahrt bestand der One-Ten ohne Probleme und wir gaben ihm daher das Prädikat „Reisefertig Tansanian-Style“.
Als wir drei Tage vor meiner großen Reise bei einer Tasse Tee zusammensaßen, fiel uns in der Dämmerung ein dunkler Fleck unter dem Wagen auf. Es war Öl und zwar tropfte es nicht einfach, sondern es floss stetig von unten aus dem Motor. Verdammt!
Also auf zu British, dem Mechaniker meines Vertrauens. British habe ich durch meine Arbeit bei weltwärts kennengelernt. Zwischen uns entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die auf einem gemeinsamen Intresse für alles Technische beruhte. British selbst war gelernter Mechaniker und hatte in Himo eine Schlosserei.
British wusste natürlich Rat. Lediglich die hintere Kurbelwellendichtung war undicht und musste getauscht werden. Und wie tauscht man diese Dichtung, genau, Motor raus, Dichtung tauschen, Motor wieder rein.
Den Motor komplett aus- und wieder einbauen? Drei Tage vor der Abfahrt? Aber wie hebt man den Motor aus einem Land Rover ohne Kran? Na klar, einfach in Einzelteile zerlegen. This is Africa.
Als der Motor nach einigen Stunden harter Arbeit in Einzelteilen vor uns im Staub lag, kam uns die Idee, den Motor doch gleich zu überholen. Also machte ich mich auf den Weg Ersatzteile besorgen. Kolbenringe, Kurbelwellenlager, Hauptlager, neue Ventile und einen kompletten Dichtsatz konnte ich auftreiben. Nach zwei Tagen Arbeit, rund um die Uhr, war der Motor wieder an Ort und Stelle. Meinem One-Ten gab ich noch einmal das Prädikat: „Reisefertig Tansanian Style²“. Diesmal aber wirklich.
Und endlich geht es los
Am nächsten Morgen ging es los auf die große Reise Richtung Deutschland. Zusammen mit meiner Mitbewohnerin, Cora aus Bonn, die sich entschlossen hatte, mich zu begleiten, starteten wir zu unserem ersten Etappenziel: Kenias Hauptstadt Nairobi. Unsere erste Übernachtung hatten wir in der „Jungle Junction“ von Chris Handschuh nahe Nairobi geplant.
Nach den ersten 200 Kilometern ohne Vorkommisse näherten wir uns der kenianischen Grenze. Auch hier erwarteten wir keine Zwischenfälle, da die Grenze zwischen Tansania und Kenia unter Overlandern als recht einfach galt.
Aber der Tipp eines anderen Reisenden ließ uns aufhorchen. „Ob wir denn ein ‚Carnet des Passages‘ hätten?“ Ein bitte was? Egal, wir wollten es erst einmal ohne versuchen. Und siehe da, ein nettes Lächeln hier, ein Zwinkern dort und schon waren wir auch ohne dem Dokument in Kenia.
Das Visum kauften wir einfach an der Grenze. Dokumente für das Fahrzeug brauchten wir ohnehin nicht, da der Wagen aus Afrika stammte. Auch die weitere Fahrt nach Nairobi verlief ohne nennenswerte Höhepunkte.
Nairobi – Das New York Afrikas
Das Wetter war hervorragend, es war kaum Verkehr, beide Tanks waren voll und wir waren voller Vorfreude. Dann kam die große Stadt in Sicht. Schnell wurde mir klar, warum sie von vielen das New York Afrikas genannt wird. Nairobi ist riesig!
Im dicksten Berufsverkehr bahnten wir unseren Welt zur „Jungle Junction“, was wegen der guten GPS-Karten zum Glück kein großes Problem war.
Die Jungle Junction muss man sich eigentlich eher als das Einfamilienhaus von Chris Handschuh denken, in dessen Garten man campen kann. Es ist ein beliebter Treffpunkt für Overlander, weil der Garten, wie alles in Afrika eingezäunt und bewacht ist. Man kann auch sein Fahrzeug für längere Zeit dort parken, wenn man eine Reise unterbrechen muss.
Wenn man nicht campen will, kann man im Haus auch ein Zimmer mieten. Vor dem Haus steht ein offener Kühlschrank mit Getränken, an denen sich jeder Gast bedienen kann. Wer etwas rausnimmt, macht einen Strich auf den Zettel am Kühlschrank und zahlt dann bei der Abreise.
Essen kann man dort auch, wenn man entsprechend vorher Bescheid sagt, dann wird entweder mitgekocht, oder man kann aus einigen Gerichten wählen, die dann zubereitet werden. Bei dem Frühstück ist es ähnlich. Auch die Wäsche kann man dort waschen lassen.
Chris hat außerdem noch eine Werkstatt direkt am Haus. Er und seine Mechaniker kennen sich gut mit allen gängigen Overlander-Wagen aus. Zusätzlich ist Chris eigentlich gelernter BMW Zweirad- Mechaniker. Damit ist er quasi die einzige „vernünftige“ Motorrad Werkstatt in gesamt Ostafrika.
Wir bauten unser Zelt auf und erkundeten erst einmal die Gegend. In einem Fast-Food-Laden aßen wir Pizza. Nach einem Jahr im afrikanischen Busch ohne größere Annehmlichkeiten war dieses Restaurant für mich der Himmel. Die Pizza war grandios.
Warum die schwierige Visumsbeschaffung am Ende doch einfach war
Die nächsten Tage vertrieben wir uns mit Shopping und Behördengängen. Die Botschaften von Sudan und Äthiopien standen auf dem Plan. Bei Gesprächen mit anderen Overlandern im Camp erfuhren wir, dass die Botschaft von Äthiopien keine Visa mehr ausstellen würde.
Die Visumsbeschaffung würde also nicht so leicht werden wie erhofft. Dennoch machten wir uns auf den Weg in die sudanesische Botschaft. Kein Problem sagte man uns, wir könnten die Visa am nächsten Tag abholen. Danach auf zur äthiopischen Botschaft. Wir fanden sie, schwer bewacht und streng kontrolliert, im Zentrum Nairobis.
Mit klopfendem Herzen betraten wir die Botschaft und fragten nach einem Visum. Die überaus hilfsbereite Angestellte, erklärte uns, dass sie keine Touristen-Visa mehr ausstellen würden. Bei uns sei das aber etwas anderes, wir seien schließlich keine Touristen, sondern hätten bereits ein zweijähriges Arbeits-Visum für Tansania. Also kein Problem, einen Tag später hielten wir beide unsere Visa in der Hand.
Am Mount Kenia mussten wir uns entscheiden
Unser nächstes Etappen-Ziel war der Mount Kenia im Herzen des Landes. Dort wollten wir eine Nacht verbringen bevor wir uns auf den Weg Richtung Äthiopien machen wollten. Nach Äthiopien gibt es zwei Routen: Bei der ersten, der Turkana-Route soll es laut Erzählungen keine offizielle Grenzstation geben und so könnte es sein, dass wir dort nicht über die Grenze kämen. Die zweite Route war die berüchtigte Moyale-Route.
Eine Recherche im Netz und Gespräche mit anderen Overländern ließen auf nichts Gutes hoffen. Nicht nur die Strecke schien in einem unzumutbaren Zustand zu sein, ebenso kam es immer wieder zu Übergriffen von Banditen. Wir entschieden uns trotz der Gefahren für die Moyale-Route, denn wir wollten auf keinen Fall am Ende der anderen Strecke unverrichteter Dinge wieder umkehren müssen.
Am nächsten Morgen dann die Moyale-Route: Von etlichen LKW ausgefahren und von Wind und Wetter gegerbt. Ein Schlagloch reihte sich an das andere. Die unbefestigte Piste war Wellblech pur und trotz meines Jahres in Afrika, kann ich sagen, dass ich noch nie eine so schlechte Piste gefahren bin.
Ohne Bremsen auf einer der berüchtigsten Routen Afrikas
Nach einigen Kilometern wollte ich die Geschwindigkeit vor einer Kurve verringern und trat auf die Bremse. Doch nichts geschah. Ich pumpte und pumpte mit dem Bremspedal, aber der One-Ten zeigte sich davon völlig unbeeindruckt. Gut, die Strecke war breit und es gab nahezu keinen Verkehr, so dass wir einfach erst eimal auch ohne Bremse weiterfuhren. Bei unserem nächsten Etappen-Ziel würden wir die Bremse sicher reparieren können.
Nur wenige Kilometer später hörten wir einen lauten Knall. Einen der unglaublich teuren „Bridgestone Dueller“ hatte es während der Fahrt vollkommen zerrissen. Aber auch das konnte uns nicht aus der Ruhe bringen. Ersatzreifen montiert und weiter auf der Moyale-Route.
Die Piste wurde immer katastrophaler, die Löcher tiefer und häufiger. Nach und nach rüttelten sich alle Schrauben los. Wir verloren beide Zusatzscheinwerfer, da sich die Muttern gelöst hatten und die Schrauben abgefallen waren.
Nach 350 Kilometern und sechsstündiger Tortur erreichten wir Marsabit, ein staubiges Städtchen mitten im Nichts. Wir fanden dort eine kleine „Land Rover“-Werkstatt, dessen Besitzer von uns und unserer Reise so begeistert war, dass er für uns ein paar Überstunden machte.
Nach kurzer Bestandsaufnahme war klar, es gab viel zu tun. Zwei Motorlager mussten getauscht werden, beide Domlager vorne repariert, die Stoßdämpfer hinten neu befestigt, der Auspuff geschweißt und die Bremsen mussten abgedichtet werden. Der Chef und seine Leute gaben alles und hatten den Wagen nach gut drei Stunden wieder fit.
Nur bei den Bremsen, da wüsste er nicht, was das sein könne. Er hätte alles überprüft, aber nichts gefunden. Immerhin funktionierten sie nach der Reparatur erst mal wieder.
Nach dem anstrengendem Tag suchten wir uns eine Bleibe in der Stadt. Wir quartierten uns im Marsabit Hotel ein, einer kleinen Fernfahrerpension mit angenehmen Preisen (3 Euro pro Person) und recht leckerem Essen.
Am nächsten Tag standen uns noch weitere 400 Kilometer auf der Moyale-Route bevor. Wieder wurde die Piste schlechter, die Rillen größer, die Löcher noch tiefer. Aber der Wagen war wieder in einem guten Zustand, zumindest dachten wir das. Doch nach 50 Kilometern kam die Enttäuschung, die Bremse funktionierte wieder nicht.
Trotz der Widrigkeiten der Strecke war die Landschaft einzigartig. Wunderschöne Steinwüsten wechselten sich mit losem Buschwerk und Steppe ab. Nach fünf Stunden erreichten wir endlich den Grenzübergang von Kenia nach Äthiopien.
Philip Scherer ist 28 Jahre und hat seine Ausbildung zum Informatikkaufmann in einem großen Unternehmen im Outdoor-Bereich gemacht. Nach seiner Ausbildung wollte er seinen Horizont erweitern und ging für ein Jahr nach Afrika. Sein Blog findet ihr hier.
Fotos und Text: © Philip Scherer
Hier geht es zum zweiten Teil.