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Offroad-Reise Pamir Highway - Ak-Baital-Pass.
Ak-Baital-Pass.

Von 0 auf 4.665 Meter – unterwegs auf das „Dach der Welt“ – der Pamir Highway

„Hallo, woher kommt Ihr und wohin geht die Reise?“, „Tut mir leid, es dauert leider noch ein bisschen, vielleicht 10 Minuten oder so, bis ich Euch durchlassen kann.“ So plaudere ich noch ein wenig mit dem Grenzsoldaten an der Grenze zu Usbekistan bevor sich das große Tor öffnet und wir auf das Zollgelände rollen. Wir, das sind meine Freundin Mareike und ich, Björn, und natürlich sind wir wieder mit unserem Land Rover Defender Td4 unterwegs. Unterwegs, um Teile der Seidenstraße zu entdecken und das „Dach der Welt“, den Pamir über den Pamir Highway zu erklimmen.

Was erwartet uns an dieser Grenze, über die wir so viele negative Berichte gelesen und Horrorgeschichten von anderen Reisenden gehört haben? Wir sind gespannt. Zuerst geht es zur Passkontrolle. Wir reihen uns gerade hinten in die endlos lang erscheinende Schlange der Wartenden ein, schon kommt einer der Zöllner zu uns und winkt uns ganz nach vorne. Es erfolgt eine genaue und zügige Kontrolle der Pässe und schon hören wir das bekannte Geräusch, wie der Einreisestempel in den Reisepass geknallt wird. Genauso, zügig, freundlich und hilfsbereit werden die Papiere für die temporäre Einfuhr des Fahrzeuges erstellt. Jetzt erfolgt noch die Fahrzeugkontrolle. „Bitte einmal alle Türen, Kisten und die Motorhaube öffnen!“ – die Aufforderung kommt wieder freundlich und in perfektem English, gefolgt von einem prüfenden Blick in das Fahrzeug und ein paar Fragen. Schon ist auch dieses Kapitel der Einreise erledigt und nach nicht einmal einer Stunde rollen wir, begleitet von einem freundlichen „Welcome in Uzbekistan!“des Zöllners, auf der Seidenstraße in ein neues für uns unbekanntes Land.

Offroad-Reise Pamir Highway - Endlose Steppe.
Endlose Steppe.

Ein zweites mal Aralsee

Auch für diese Reise haben wir wieder viel Zeit mitgebracht, so können wir uns gut auf die lokalen Gegebenheiten einlassen und spontan entscheiden, wo wir hinfahren und bleiben möchten. Wohin soll es also als erstes gehen?
Da ich vor Jahren in Kasachstan mehr oder weniger erfolglos versucht habe, Überreste aus der Zeit zu entdecken, in der der Aralsee noch von riesigem Ausmaß war und die Gegend vom Fischfang und der Fischverarbeitung lebte, erscheint es uns lohnenswert, dieses Ziel noch einmal von Süden her anzusteuern. So biegen wir schon bald darauf von der Hauptstrecke in Richtung Norden ab und folgen einer kleinen Straße nach Mo‘ynoq, der früheren Hafenstadt in Qaraqalpaqstan, wie sich die Teilrepublik hier im Norden Usbekistans nennt. Die Stadt war zu Sowjetzeiten bekannt für seine Fischfangflotte und Fischkonservenfabriken. Heute liegt sie inmitten einer Wüste, weit entfernt von den Ufern der verbleibenden Rest-Seen und ist nur noch Heimat für wenige tausend Einwohner. Der Aralsee, einst einer der größten Seen der Erde, wurde Opfer eines ökologischen Desasters, nachdem aus den Zuflüssen gigantische Mengen Wasser für die Baumwollproduktion abgezweigt wurden. Für die Region weiter erschwerend sind die Unmengen an Pestiziden, welche beim Baumwollanbau eingesetzt wurden und weiterhin im Boden schlummern.

Schiffe in der Wüste

Wir fahren zum Schiffsfriedhof. Unterhalb der ehemaligen Kaianlage liegen hier ein paar Wracks der ehemaligen Schiffsflotte – ein skurriles und zugleich mahnend-erschreckendes Bild. Das Ausmaß der Katastrophe wird nochmals deutlicher, als wir die aufgestellten Informationstafeln betrachten, welche grafisch den Rückgang des Sees dokumentieren. Doch Mo‘ynoq erscheint keineswegs trostlos, die Menschen hier scheinen das Beste aus der Lage zu machen. Wir schauen noch ein wenig den Ort an und finden ein kleines Restaurant, in dem es leckeren gebratenen Fisch zum Mittagessen gibt. Eine Erinnerung an frühere Zeiten?

Offroad-Reise Pamir Highway - Schiffsfriedhof in Mo‘ynoq.
Schiffsfriedhof in Mo‘ynoq.

Gibt es ein Dieselproblem in Usbekistan?

Nachdem wir die letzten Wochen hauptsächlich durch Steppen- und Wüstenlandschaften gefahren sind, fühlen wir uns wie die Reisenden der alten Karawanen und es zieht uns in die auf der weiteren Route liegenden Oasenstädte. Doch da war doch noch etwas. Wir hatten in vielen Berichten gelesen, daß es schwierig bis unmöglich sei, in Usbekistan Diesel zu bekommen. Also fragen wir uns in Nukus durch und kaufen Diesel, abgefüllt in ehemaligen Wasserbehältern. Der Inhalt sieht zwar klar und sauber aus, doch wir filtern den Kraftstoff sicherheitshalber bevor wir die Tanks damit füllen. Völlig unnötig, wie sich herausstellen sollte, denn außer einem Fussel und ein paar Staubkörnern bleibt nichts im Filter zurück. Die Kraftstoffversorgung wird auf dem weiteren Weg durch das Land ebenfalls kein Problem darstellen, in der Nähe von größeren Städten finden wir immer eine Tankstelle mit dem begehrten Saft!

Orientalisches Flair in der Handels- und Oasenstadt Xiva

Am frühen Nachmittag erreichen wir Xiva. Die Oasenstadt wurde strategisch günstig am Verbindungsweg zwischen Europa und Indien gegründet und war schon vor hunderten von Jahren eine bedeutende Handelsstadt und Rastplatz für die Karawanen. Wir suchen uns – ebenfalls strategisch günstig für die Stadtbesichtigung gelegen – einen Stellplatz nahe des West-Tores der Altstadt.

Die Altstadt, Ichon Qal’a, welche über die Jahrhunderte immer wieder angegriffen, zerstört und wieder aufgebaut wurde, ist von einer hohen Mauer umgeben, gleicht heute einem großen Museum und wurde 1990 UNESCO Weltkulturerbe. Genau dieses „Museum“ wollen wir in den nächsten Tagen besichtigen. Wir besorgen uns ein Mehrtagesticket für die Sehenswürdigkeiten und los geht es! Durch das West-Tor betreten wir die Altstadt und damit eine andere Welt. Wir sind begeistert von den Meisterwerken der orientalischen Architektur die es hier zu bestaunen gibt. Hier in Xiva können wir uns gut vorstellen, wie die Karawanen hier nach wochenlangem Wandern durch Steppe und Wüste Rast gemacht haben und auch wir genießen die Vorzüge einer Stadt bei leckerem Kaffee und Kuchen.

Offroad-Reise Pamir Highway - Blick uber Xiva vom Khoja Islam Minarett.
Blick uber Xiva vom Khoja Islam Minarett.

Antike Stätten

Nach ein paar Tagen zieht es uns weiter. Bevor wir den direkten Weg nach Buchara nehmen, machen wir noch einen Abstecher zu den Ausgrabungsstätten der antiken choresmischen Städte in dieser Großoase, welche im Norden durch den Aralsee, den Wüsten Kysylkum und Karakum sowie einer steppenartigen Hochebene begrenzt wird. Während wir die ehemalige Festungen Toprak Kala und Ayaz Kala anschauen und über den staubig sandigen Boden laufen, überlegen wir, wie es hier damals, vor über 1.000 Jahren als die Gegend noch bewohnt war, wohl ausgesehen haben könnte.

Offroad-Reise Pamir Highway - Ausgrabungsstätte antiker Städte.
Ausgrabungsstätte antiker Städte.

Die Hitze plagt

Ausgerechnet während wir auf dem Weg durch die Wüste nach Buchara sind, wird die Gegend bereits jetzt Mitte Mai von der ersten Hitzewelle des Jahres erreicht. Die Temperatur steigt auf über 40 Grad Celsius, was für uns – die wir gewöhnlich lieber in kühleren Regionen unterwegs sind – zu warm ist. So spulen wir die rund 500 Kilometer zügig ab und finden durch Zufall ein kleines, schönes Hotel am Rande der Altstadt von Buchara. Wir werden sehr freundlich empfangen und dürfen sogar auf dem Hof campen. Der Sohn des Inhabers bringt uns zum Anschauen einen Stapel Fotos, die er von den zahlreichen Overlandern und ihren Fahrzeugen geknipst hat und ist mächtig stolz darauf wie viele Reisende aus Europa die Familie in den letzten Jahren beherbergt hat.

Alte Städte voller Geschichte

Wir fühlen uns sehr wohl und bleiben auch hier ein paar Tage, um von der Hitze auszuruhen und die Stadt anzusehen. Ebenso wie Xiva ist auch Buchara UNESCO Weltkulturerbe und kann mit zahlreichen schönen Sehenswürdigkeiten aufwarten. So schauen wir uns neben vielen anderen tollen Bauwerken das Samaniden Mausoleum westlich der Altstadt, das wohl ältestes erhaltene Bauwerk Zentralasiens und später noch die Ulug’bek Madrasa, die wohl älteste islamische Schule Zentralasiens, an. Wir sind einmal mehr begeistert von der orientalischen Architektur.

Offroad-Reise Pamir Highway - Das Samaniden Mausoleum in Buchara.
Das Samaniden Mausoleum in Buchara.

Nach so viel städtischer Kultur und der immer noch andauernden Hitze in der Stadt, folgen wir mal wieder dem Ruf der Natur. Voller Eindrücke machen wir uns am nächsten Tag auf in Richtung Nordosten des Landes. Nach einem Zwischenstopp in Nurata, einer Oasenstadt, über der noch heute die Ruinen einer Festung Alexander des Großen thronen, erreichen wir den Aydarkul, einen künstlichen See inmitten der Kysylkum-Wüste. Wir finden einen schönen Stellplatz direkt am See und genießen die angenehmeren Temperaturen.

Offroad-Reise Pamir Highway - Aydarkul-See.
Aydarkul-See.

Samarkand – Hauptstadt Timur Lengs

Samarkand – schon der Name klingt nach Geschichten aus Tausendundeine Nacht. Spät am Abend erreichen wir die Grenze dieser quirligen und heute sehr modernen Stadt und es dauert eine Weile bis wir eine geeignete Bleibe für die nächsten Tage gefunden haben. Die Stadt wurde bereits lange vor Christus gegründet und kam durch den Handel entlang der Seidenstraße zu Wohlstand. Über die Jahrhunderte wurde sie immer wieder Opfer von Eroberungen und Zerstörung und wurde schließlich erst im 14. Jahrhundert unter dem heutigen Namen wieder aufgebaut. Der zentralasiatische Eroberer und Herrscher Timur Leng machte die Stadt zur Hauptstadt seines Reiches und baute diese zu einer der bedeutendsten Metropolen aus.

Offroad-Reise Pamir Highway - Gur-e Amir Mausoleum, die letzte Ruhestätte Timur-Lengs.
Gur-e Amir Mausoleum, die letzte Ruhestätte Timur-Lengs.

Noch heute können wir in Samarkand die Meisterwerke orientalischer Architektur und Kunst bewundern.

Offroad-Reise Pamir Highway - Auf dem Rundgang durch Samarkand.
Auf dem Rundgang durch Samarkand.

Durch den gefährlichen Tunnel

Den ersten Regentag seit Beginn dieser Reise nutzen wir für Recherchen zum weiteren Reiseverlauf. Dabei erfahren wir, daß der seit Jahren geschlossene Grenzübergang nach Tadjikistan nahe Pendaschkent seit März dieses Jahres wieder geöffnet ist. Dies erspart uns einen Umweg Richtung Süden und damit kommen wir doch noch in den Genuss, den in vielen Landkarten als „dangerous tunnel“ vermerkten Anzob-Tunnel nördlich von Duschanbe zu durchfahren. Wir beschließen diese Route zu wählen, tanken noch einmal auf und machen uns auf den etwa 70 Kilometer langen Weg zur Grenze, die für uns den siebten Grenzübertritt seit Beginn der Reise bedeutet. Während wir in Europa Grenzkontrollen beinahe nicht mehr gewohnt sind, gehören diese – ebenso wie Geldwechseln – für uns Fernreisenden fast zum Alltag. Erst dann merken wir nochmals richtig bewusst, welch großartige Errungenschaften so eine Zollunion und eine gemeinsame Währung doch sind!

Von den Städten in die Natur

Die Ausreisekontrolle erfolgt wieder einmal zügig und wir verlassen ein für uns faszinierendes Land mit einer interessanten und bewegten Geschichte. Die alten Oasenstädte und ehemaligen Karawansereien mit deren türkisfarbenen und blauen Kuppelbauten und anderen allerfeinst mit Mosaiken verzierten Bauwerken sind wunderschön anzuschauen. Gleichzeitig sind wir positiv überrascht, wie modern Usbekistan und die Menschen hier in weiten Teilen des Landes sind, so gibt es alles wie in Europa auch und so etwas wie Armut haben wir absolut selten gesehen. Alle Menschen, die wir getroffen haben waren freundlich und hilfsbereit und die Kommunikation in English mit Alt und Jung ist problemlos. Trotz allem haben wir nun genug Kultur und historische Bauwerke angesehen und freuen uns auf die Natur und die Berge des Pamirs.

Schon stehen wir am tadjikischen Zoll, über den wir auch so viel Negatives gehört hatten. Zu unserer Überraschung ist auch hier die Verständigung in English wieder selbstverständlich. Die Zollbeamten sind sehr freundlich und hilfsbereit und nach nicht einmal einer halben Stunde sind wir in dem Land, dessen Straßen uns auf das Dach der Welt, den Pamir führen werden.

In Pendaschkent komme ich beim Geldtauschen mit einem Mitarbeiter der Bank ins Gespräch und er zeigt mir ein paar Fotos von einem Wanderausflug in das nahegelegene Fenn-Gebirge. Die Bilder sehen traumhaft aus und mit der Empfehlung, diese Gegend unbedingt anzusehen, machen wir uns auf den Weg dorthin. Wir wählen eine kleine schlammige Piste und die zwei Stunden Fahrt hinauf bis auf etwa 2.700 Meter sind wirklich lohnenswert. Wir campen inmitten der grünen Natur in einem Hochtal und langsam bricht die Nacht mit einem wunderbaren Sternenhimmel über uns herein.

Offroad-Reise Pamir Highway - Fenn-Gebirge.
Fenn-Gebirge.

Durch den Tunnel of Death

Als wir erfahren, daß der einstige „dangerous tunnel“ oder in manchen Berichten martialisch „tunnel of death“ genannt, entschärft sein soll, sind wir ein bisschen enttäuscht, dieses kleine Abenteuer verpasst zu haben und wählen die Route über die alte Passstraße. Immer weiter schraubt sich der schmale Schotterweg empor und auf der anderen Seite können wir beobachten, wie sich die schwer beladenen LKW die neue Straße Richtung Tunnel hinaufquälen und -qualmen. Wie gut, dass wir da nicht fahren müssen, denken wir…

…bis auf etwa 2.600 Metern Höhe plötzlich ein Schneefeld auftaucht. Nach eingehender Begutachtung stellen wir fest, daß es hier für uns nicht weitergeht. Also wenden wir auf dem schmalen Pfad und begeben uns auf den Rückweg ins Tal und dann hinauf zum Tunnel. Der Tunnel ist tatsächlich glatt asphaltiert und schwach beleuchtet – jedenfalls bis zur Hälfte der insgesamt etwa fünf Kilometer und eine Belüftungsanlage, die für frische Luft sorgen könnte, gibt es (noch) nicht. So verbleibt doch noch ein kleines Abenteuer.

Offroad-Reise Pamir Highway - Einfahrt in den Anzob Tunnel.
Einfahrt in den Anzob Tunnel.
Offroad-Reise Pamir Highway - Mittendrin.
Mittendrin.
Offroad-Reise Pamir Highway - Geschafft!
Geschafft!

Duschanbe

Die letzten Kilometer bis Duschanbe, der Hauptstadt Tadjikistans und unser heutiges Etappenziel sind schnell abgespult. Schon von weitem sehen wir den riesigen Flaggenmast, an dem eine tadjikische Flagge von gigantischem Ausmaß über der Stadt weht. Der Flaggenmast steht im sogenannte „Park der Nationalflagge“ und war mit 165 Metern einmal der höchste freistehende Flaggenmast der Welt. Im Innenhof des Hauses unseres Gastgebers geht es nahezu paradiesisch zu, denn die Kirschen und Aprikosen sind reif und wir können die leckeren Früchte direkt vom Baum futtern.

Wir verbringen die Tage in Duschanbe mit Spaziergängen durch die Stadt, entlang der Rudaki Prachtstraße, in den Victory-Park oberhalb der Stadt, guten Gesprächen mit unserem Gastgeber und anderen Reisenden sowie dem Besuch des Grünen Basars. Einen Tag fahren wir zum Autobasar, dort ist doch tatsächlich ein HZJ im Angebot und ich schaue mir das Fahrzeug genauer an. Über 10 Jahre und etwa 200.000 Kilometer bei einer Hilfsorganisation gelaufen und in Top-Zustand, keinerlei Rost – trockenes Klima, keine gesalzenen Straßen im Winter kombiniert mit guter Wartung sind doch eine Wohltat für ein Auto! Das Straßenbild hier ist geprägt von den Marken Toyota, aufgrund der unterschiedlichsten Hilfsorganisation, die hier im Land unterwegs sind und Opel, der Favorit bei den Tadjiken.

Es geht auch mit dem Fahrrad

In Duschanbe treffen wir auch auf die wahren „Helden des Pamirs“: die Radfahrer. Während die große Höhe für motorgetriebene Fahrzeuge zwar schon eine gewisse Herausforderung darstellt, erscheint unsere Art zu Reisen dann doch eher wie ein sehr gemütlicher Spaziergang, wenn man bedenkt, daß sich hier jedes Jahr zahlreiche Radfahrer auf den Weg machen, Straßen bis auf fast 5.000 Meter Höhe zu erklimmen. Dies keineswegs nur auf supermodernen „high-end“ Rädern. Hier in der Hauptstadt lernen wir auch zwei Belgier kennen, die sich auf dem Basar für kleines Geld zwei alte mehr oder weniger klapprige Fahrräder nebst Ausrüstung besorgt haben und damit über den Pamir fahren wollen – Respekt und viel Glück dabei!

Nach einer schönen Zeit in Duschanbe verlassen wir die Stadt und nähern uns über die sogenannte Südroute dem Pamir Highway. Als Pamir Highway wird ein Teil der Fernstraße M41 benannt. Dieser ist die Hauptverbindungstrecke durch die ost-tadjikische Bergregion Berg-Badachschan, für die ein Permit benötigt wird, das bereits zusammen mit dem Visum beantragt werden kann. Dieses Permit wird regelmäßig an verschiedenen Checkpoints entlang der Strecke kontrolliert.

Landy zieht Bus

Der Weg führt uns über erste kleinere Berge und später entlang des Pandj-Flusses, welcher hier die beiden Länder Tadjikistan und Afghanistan trennt. Während wir so gemütlich dahinfahren und die Landschaft genießen, kommt am Straßenrand ein vollbeladener Minibus in Sichtweite. Der Fahrer hat bereits ein Seil an der Abschleppöse befestigt und wedelt damit. Er fragt uns, ob wir ihn auf den Hügel hochschleppen könnten, damit er das Fahrzeug bergab anrollen lassen kann. Klar, machen wir doch gerne und Schwupps hat er das Seil auch schon am Landy angeknotet. „Na, ob das wohl hält?!?!“, denke ich mir noch, steige ein, fahre los und… oh, der Bus ist ja leicht… weit gefehlt, er bewegt sich gar nicht, denn das Seil ist einfach abgerissen. So befestigen wir eben einen unserer Bergegurte und schleppen den Havaristen nach oben. Die Freude und Dankbarkeit ist groß und so werden wir gleich zu Tee und Gebäck in das dort zufälligerweise am Wegesrand liegende Café eingeladen – wieder mal eine nette Begegnung.

Offroad-Reise Pamir Highway - Pandj-Flus zwischen Tadjikistan und Afghanistan.
Pandj-Flus zwischen Tadjikistan und Afghanistan.

Es geht immer Höher

Khorog, die Hauptstadt dieser autonomen Provinz lädt für ein paar Tage zum Verweilen ein und eignet sich auch hervorragend dafür, die Vorräte wieder aufzustocken, bevor es in einsamere Regionen weitergeht. Hier entscheiden wir uns auch, nicht der M41 Fernstraße weiter zu folgen, sondern weiter nach Süden zu fahren und das sogenannte Wakhan Tal entlang zu fahren. Dies hat den Vorteil, daß die Straße langsam ansteigt und wir uns so besser an die Höhe akklimatisieren können, zumal der weitere Streckenverlauf im Osten nicht unterhalb von 3.500 Metern Höhe verläuft. Am Abend erreichen wir ein kleines Bergdorf und während unser Gastgeber frischgebratenen Fisch serviert, genießen wir mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages den wunderbaren Ausblick auf den Hindukusch.

Offroad-Reise Pamir Highway - Hindukusch.
Hindukusch.

Tags darauf fahren wir weiter entlang des Wakhan Tales und genießen die Bergwelt.

Offroad-Reise Pamir Highway - Weiterfahrt durch das Wakhan Tal.
Weiterfahrt durch das Wakhan Tal.

Abstecher mit Brückenbauarbeiten

Hinter dem Ort Langaar übernachten wir nochmals auf etwas über 3.000 Meter Höhe um uns weiter zu akklimatisieren bevor es in höhere Lagen geht. Aufgrund der tollen, sehr gastfreundlichen Menschen hier und der atemberaubenden Gebirgswelt beschließen wir in Alichur nicht gleich auf der M41 nach Norden Richtung weiterzufahren, sondern noch einmal in Richtung Khorog aufzubrechen und dann in ein Seitental einzubiegen, dessen Streckenverlauf auf der Karte sehr vielversprechend aussieht. Schon bald kommen wir an den Einstieg. Hier gibt es zwei Möglichkeiten auf die Piste zu gelangen, durch den Fluss oder über eine Brücke. Der Weg durch den Fluss erscheint aufgrund der Stärke der Strömung und der Wassertiefe mit einem einzelnen Fahrzeug als zu heikel. Die Brücke ist etwas baufällig und es fehlen einige Planken, sodass wir darunter den stark strömenden Fluss sehen können. Sie macht jedoch noch einen ausreichend soliden Eindruck. Also ersetzen wir die fehlenden Planken durch Sandbleche und holpern über die Brücke…

Offroad-Reise Pamir Highway - „Brückenbauarbeiten“.
„Brückenbauarbeiten“.

…hinter der Brücke kommen wir genau einen Kilometer weit, bevor es mir gelingt den Landy in einem etwa 10 x 10 Meter großen Sumpfstück festzufahren. Auch nach vielen Jahren Reise- und Geländeerfahrung hat man manchmal diese – glücklicherweise seltenen – Momente, wo man sich hinterher fragt: „Warum bin ich da entlang gefahren?“ So entstehen dann eben gute Geschichten für Gespräche am Lagerfeuer.

Improvisationstalent

Doch so weit sind wir noch nicht. Wir probieren ein bisschen vor und zurück zu rangieren, doch außer, dass unser Landy weiter einsinkt tut sich nichts. Eine gute Stunde lang schaufeln wir, schleppen Steine heran, legen Sandbleche unter, doch es ist einfach nichts zu machen. Zwischendurch hängen wir immer wieder selbst mit den Schuhen dermaßen in dem Modder fest, dass es schwerfällt die Füße da wieder rauszubekommen. Das ist alles ganz schön anstrengend in 4.000 Metern Höhe. „Mmmhh, wenn ein Baum in der Nähe wäre, dann würde das hier mit Hilfe der Seilwinde keine fünf Minuten dauern.“ Da es keinen Baum gibt, suchen wir nach Alternativen. Das Reserverad eingraben funktioniert hier nicht, da der Untergrund außerhalb des Sumpfstückes steinig ist. „Laß uns mal etwas probieren!“ Nicht weit vom Fahrzeug sehen wir ein kleines Rinnsal, das den steinigen Untergrund etwas zu einer kleinen Rinne ausgewaschen hat. Wir rollen das Reserverad dorthin und blockieren es mit schweren Steinen darin. So schaffen wir einen Anschlagpunkt für die Winde. Ich spule das Windenseil ein, langsam strafft es sich und…

Offroad-Reise Pamir Highway - Bergeaktion auf rund 4.000 m Höhe.
Bergeaktion auf rund 4.000 m Höhe.

…es funktioniert tatsächlich, noch ein paar Meter und der Landy ist frei – Yiiieeppeeehhh. Wir werten diese Aktion als Zeichen, wenden, fahren neben der Sumpfstelle zurück zur Brücke, machen diese wieder mit Sandblechen passierbar und lassen den Rest des Tages gemütlich angehen, indem wir über die M41 nach Khorog zurückfahren. Auch diese direkte Strecke über die M41 ist schön zu befahren und führt durch weite grüne Täler.

Der Landy schlägt sich in der Höhe gut

Nach einem Ruhetag in der Stadt starten wir erneut in Richtung Osten. Über das wüstenähnliche Hochplateau gelangen wir immer weiter in die Höhe und erreichen nach ein paar Tagen Murghab. Das Dorf mit wenigen tausend Einwohnern und doch guten Versorgungsmöglichkeiten im örtlichen Basar, liegt noch einmal etwas niedriger auf etwa 3.600 Metern Höhe in der kargen Hochgebirgslandschaft. Daher ist dies vermutlich ein guter Anlaufpunkt für Reisende, welche gesundheitliche Probleme mit der großen Höhe bekommen. Doch davon bleiben wir zum Glück völlig verschont, sodass wir die atemberaubende Bergwelt ganz entspannt genießen können. Auch der Landy macht die Höhe sehr gut mit. Ab etwa 3.000 Metern Höhe merken wir etwas den Leistungsverlust aufgrund der dünnen Luft und ab etwa 4.000 Metern und einer kühleren Nacht, springt er morgens etwas widerwillig an, rappelt und qualmt etwas, doch dann ist alles wie immer, nicht mal eine Rußwolke – wie viele andere Autos hier – spuckt er aus. Wir sind einmal mehr begeistert wie der Landy alles mitmacht – tolles Reiseauto!

Immer wieder große Gastfreundlichkeit

In Murghab übernachten wir im Hof eines der Gasthäuser. Im Ort gibt es keine durchgehende Strom- und Fließend-Wasserversorgung und dennoch bekommen wir dort eines der besten Abendessen der ganzen Reise durch den Pamir. Sogar Heißwasser für die Dusche wird mit Feuerholz angeheizt. Am nächsten Morgen fahren wir zu einem der Brunnen, die es im ganzen Dorf gibt, um unsere Wasservorräte aufzufüllen. Wir dürfen natürlich nicht selber pumpen, diese Aufgabe übernimmt lächelnd ein Bewohner für uns, der ohnehin gerade beim Wasserzapfen ist. Erneut erfahren wir also die enorme Gastfreundlichkeit der Menschen in dieser rauen Gegend. Hier treffen wir auch die beiden Belgier mit den Fahrrädern mal wieder. Die Räder haben gut durchgehalten, doch jetzt ist eine Felge gebrochen. Wer sagt denn, dass man eine Felge nicht mit Panzerband flicken könne? Und siehe da, auch das geht mit Panzerband und ich darf an dieser Stelle schon vorwegnehmen, die beiden haben es tatsächlich geschafft mit „low-end-equipment“ den Pamir Highway zu bezwingen – Glückwunsch!

Offroad-Reise Pamir Highway - Auf dem Weg zum Ak-Baital-Pass.
Auf dem Weg zum Ak-Baital-Pass.

Am nächsten Tag wartet der „Pass der Pässe“, der höchste Pass auf dem Pamir Highway auf uns, der Ak-Baital-Pass mit 4.665 Metern. Wir können es kaum glauben als diese Höhenangabe auf dem Display des Navis erscheint.

Offroad-Reise Pamir Highway - Unglaubliche 4.665 m zeigt das Navi am Ak-Baital-Pass.
Unglaubliche 4.665 m zeigt das Navi am Ak-Baital-Pass.

Wir verbringen noch eine kalte, klare Nacht, welche uns wieder einen wahnsinnig schönen Sternenhimmel beschert, am Karakul-See, bevor wir die letzten Meter bis zur Grenze fahren. Diese liegt mit 4.282 Metern auf dem Kyzyl-Art-Pass. Der Zöllner spricht perfekt Deutsch und entlässt uns mit einem „Viele Grüße nach Deutschland!“ aus diesem tollen Land.

Offroad-Reise Pamir Highway - Am Kyzyl-Art-Pass.
Am Kyzyl-Art-Pass.

Es war eine tolle Reise

Wir fahren ins Tal, wo wir freundlich beim kirgisischen Zoll empfangen werden und quartieren uns abends in dem kleinen Ort Sary Tash ein, wo wir den Blick über die grandiose Bergkulisse mit dem 7.134 Metern hohen Pik Lenin und schweifen in Gedanken zurück zu einer tollen Reise entlang der Seidenstraße und über das Dach der Welt. Auf diesem Reiseabschnitt haben wir viele nette Menschen getroffen, sind in interessante Kulturen eingetaucht und haben bemerkenswert schöne Landschaften durchquert. Zudem haben wir aller negativen Erfahrungsberichte zum Trotz nicht ein einziges Mal Korruption erlebt, weder an den Grenzen noch bei Kontrollen unterwegs.

Wir kommen gerne wieder, doch nun zieht es uns weiter in Richtung Osten und während ich diese Zeilen für Euch, liebe Leserinnen und Leser schreibe, sitze ich schon in einem schönen Gasthaus in Charchorin, in dessen Nähe die Ruinen der einstigen Hauptstadt des Großen Mongolischen Reiches liegen – doch dies ist eine neue Geschichte.

Über den Autor:
Seit frühester Kindheit ist Björn Eldracher unheilbar mit dem Reisevirus infiziert, wurden Wege und Reisedauer immer länger und ausgedehnter. Ich reise um Neues zu entdecken und Bekanntes im Lauf der Zeit wiederzusehen, dabei interessante Menschen kennenzulernen und die sagenhaft schöne Natur, die der Planet Erde zu bieten hat, zu genießen. Das eigene Fahrzeug, derzeit unterwegs mit einem Landy – welcher seit Jahrzenten ein Symbol für das Fernweh ist – bietet mir dabei Unabhängigkeit und die Möglichkeit auch entlegene Orte zu entdecken. Unterwegs tausche ich das Steuer gern mal für ein paar Tage gegen Wanderschuhe oder Paddel.