So macht nach Hause fahren Spaß! Wie man die unvermeidliche Rückreise in einen Abenteuertrip quer durch den Balkan verwandelt. Von albanischen Schrottfähren, montenegrinischen Bergwertungen und einem spätsommerlichen Besuch der Perle Kroatiens.
Es ist Tag Nummer 10 unseres Roadtrips und obwohl wir es uns nicht so recht eingestehen wollen, es geht langsam wieder zurück in die Heimat. Nach begeisternden Erlebnissen in Griechenland haben wir beschlossen, über Albanien und den Balkan nach Österreich zurückzufahren. Neun Nächte wollen wir uns dafür Zeit lassen, um die Rückkehr in den Alltag bzw. die Arbeitswelt so angenehm wie möglich zu gestalten.
Welcome to Albania, again
Als wir gegen Mittag Griechenland Lebewohl sagen, sind wir traurig aber auch sicher, dass wir wieder einmal für einen längeren Aufenthalt in dieses schöne Land zurückkommen werden. Die ersten Meter auf albanischen Straßen und schon haben wir das Gefühl nahtlos dort weitermachen, wo unser letztjähriger Roadtrip geendet hat: „On the road“ in einem noch immer ungezähmt-authentischen Land mitten in Europa.
Vom bergigen Hinterland schlagen wir uns an die touristische Küste in das zubetonierte und quirlige Sarande. Trotz Nachsaison geht es hier noch hoch her. Nachdem wir tatsächlich für den nächsten Morgen den lang ersehnten Tauchgang für Antonia organisieren können, verlassen wir hurtig den städtischen Trubel, um uns beim nahen Kakome Beach nach einem Stellplatz umzusehen. Leider sind wir schon spät dran, das Zufahrtstor bereits geschlossen. Unsere offensichtliche Deplatziertheit lockt jedoch das hiesige Wachpersonal hervor und wir sehen uns plötzlich zwei älteren, verschlafen erscheinenden Männern in selbst genähten Uniformen gegenüber.
Altertümliche Revolver baumeln lässig an deren Hüften, lassen sie wie zwei Charaktere aus Bud Spencer-Filmen erscheinen. Mit einem breiten Lächeln nutze ich das Überraschungsmoment: In einem kruden Mix der wichtigsten Stichwörter in Deutsch, Englisch, Italienisch sowie ausladender Gestik, versuche ich unser Vorhaben einer friedlichen Strandnächtigung verständlich zu machen. Es dauert ein bisschen, dann fällt der Groschen. Die Gesichter werden schlagartig freundlich, Goldzähne blitzen auf. Doch nichts da: „Plazh close, no!“ teilen sie uns grinsend mit. Strand geschlossen, sehr schade.
Gerade als wir unseren Rückzug antreten wollen, winkt uns der Wortführer nochmals heran und deutet in Richtung aus der wir gekommen sind und dann energisch nach rechts, hinein in die Pampa: „Plazhi, plazhi!“. Also gibt es doch einen Zugang zum Wasser. Ein kurzer Check auf Google Maps zeigt uns tatsächlich eine eingezeichnete Stichstraße zum Meer. Mit einem kalten Getränk aus unserem Bordkühlschrank bedanken wir uns für den Tipp und machen uns sofort auf den Weg. Wenig später schlagen wir uns sprichwörtlich in die Büsche, folgen einer engen Piste in das verwilderte, albanische Dickicht. Der Pfad wird immer wilder, geht mal steil bergauf, dann wieder genauso steil bergab. Tiefe Spurrillen und große Gesteinsbrocken fordern hohe Konzentration, während das Knirschen vorbeischrammender Äste bleibende Andenken am Lack signalisieren. Selbst wenn wir umdrehen wollten, wir könnten es gar nicht mehr. Nach materialmordenden 30 Minuten stranden wir nach einer herausfordernden Abfahrt vor einem halb zugewachsenen Seitentor. Dahinter erkennen wir zwar den menschenleer daliegenden Strand, doch ein massives Vorhängeschloss macht unserem Happy End einen Strich durch die Rechnung. Verdammt, so knapp vor dem Ziel zu scheitern nervt!
Eineinhalb Stunden später ist der Ärger über verschlossene Zufahrten und Lackkratzer wieder verfolgen. Es ist bereits dunkel, wir haben ein paar Buchten weiter bei einem winzigen Familienrestaurant hervorragend zu Abend gegessen und unser Quartier in der Deckung eines Olivenhains aufgeschlagen. Mit der wohltuenden Schärfe eines selbst gebrannten Raki im Rachen, fällt uns das zu Bett gehen unter dem beeindruckenden Sternenhimmel leicht und wir melden uns glücklich von unserem ersten Tag im neuen Reiseland ab.
Vollbremsung für Fellträger
Als wir am nächsten Morgen die Umrisse von Sarande ein weiteres Mal im Rückspiegel schrumpfen lassen, ist es bereits kurz nach Mittag. Uns zieht es die kurvige Küstenstraße nach Norden zum kilometerlangen Strandabschnitt von Borsh. Antonias Augen sprühen noch vor Begeisterung über ihren gerade absolvierten Tauchgang, während sie mit ausladender Gestik und etlichen Superlativen vom Beifahrersitz aus versucht, mir die regionale Unterwasserwelt näher zu bringen. Offensichtlich schlagen mich ihre Beschreibungen von Flipper, Flunder und Co. derart in den Bann, dass ich gerade noch rechtzeitig den kleinen grauen Fleck erkenne, der sich plötzlich nach einer uneinsehbaren Kurve vor uns aufbaut.
Zum ersten Mal steige ich voll in die Eisen, zwinge unseren Silver Surver mit stotternden Bremsen abrupt zum Stehen. Das war knapp! Ziemlich erschrocken fallen uns nun ein Paar flauschiger Ohren auf, die wild zitternd knapp über die Motorhaube hinaus schauen. Als wir aussteigen, blicken wir in die tief-schwarzen Augen eines Baby-Esels der sich mitten auf die Fahrbahn verirrt hat. Völlig verängstigt folgt er seinem behuften Familienverband, der sich jedoch am geschützten, leicht erhöhten Straßenrand fortbewegt. Natürlich schmelzen unsere Herzen bei dem kleinen Kollegen dahin und wir wollen ihn gleich in Sicherheit bringen. Doch wir rechnen nicht mit der bekannten Sturheit dieser Fellträger. Weder mit Streicheleinheiten, noch mit sanftem Anstupsen oder frischem Obst lässt sich das vor Angst versteifte Eselchen bewegen. Da auch wir entsprechend schlecht in der Kurve parken, schnappe ich mir kurzerhand das Tierchen und trage es wie eine doch recht schwere Stoffpuppe einfach von der Straße runter. Sobald seine Hufe die sichere Erde berühren, kehrt das Leben zurück und herrlich unbeholfen stolpert der Kleine zu Mama-Esel zurück.
Geschafft! Zufrieden über die gelungene Familienzusammenführung folgen wir der albanischen Riviera nach Norden. Wir staunen nicht schlecht, wie viele internationale Camper uns entgegen kommen und die einzelnen Buchten trotz Nachsaison bevölkern. Als wir in die Ebene von Borsh hinabfahren, passieren wir das gleichnamige Örtchen und steuern sogleich unseren Strandabschnitt an, welchen wir von unserem letztjährigen Aufenthalt so liebgewonnen haben. Wir halten uns rechts Richtung Flussbett und schon fällt uns die die erhöhte Anzahl an Strandbuden auf. Wenig später blitzt schon das typische Weiß eines ersten Hymer Wohnmobils auf, das am Rand der Zufahrt sein Vordach inklusive einem gefühlt halben Vorgarten aufgebaut hat. Sind wir letztes Jahr noch mutterseelenallein hier gestanden, zählen wir nun insgesamt sieben Camper-Kollegen auf knapp 400 Metern. Vom niederländischen Pensionisten-Paar, über die Hamburger VW T5-Hipster bis hin zu tschechischen Hippie-Aussteigern im Rundhauber-Ausbau: Wir befinden uns definitiv nicht mehr am Geheimtipp-Strand vom vorigen Jahr!
Davon lassen wir uns aber nicht stören, sondern verschaffen uns Dank unserer Bodenfreiheit und Allradantrieb einen Platz in erster Reihe direkt am feinen Kiesstrand. Das azurblaue Wasser hat nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt und schon bald verschaffen wir uns eine wohlverdiente Abkühlung. Erfreulicherweise bleiben wir die meiste Zeit unter uns. Kein Einheimischer verirrt sich hierher, auch unsere Strandnachbarn bevorzugen eher die ruhige Beschattung der eigenen Markise. Unser sonniger Stellplatz wird nun auch wieder einmal dazu genutzt, um nach über einer Woche wieder mal Waschtag abzuhalten. Lästig, aber Pflicht. Während die Wäsche trocknet, erkunden wir bei einem kleinen Spaziergang die Veränderungen zum Vorjahr. Tatsächlich gibt es einige neue Strandbars und uns scheint es, dass man Vegetation entfernt hat, wodurch nun reichlich Platz für Camper geschaffen wurde. Mehr Besucher, mehr Geschäft. Ein Motto, dass wir hier nicht zum ersten Mal umgesetzt sehen.
Nachdem wir im Hintergrund des bisher schönsten Sonnenuntergangs unserer Reise ein herrliches Abendessen genossen haben, fallen wir jedoch um unser gewohntes Gläschen Wein um. Wie aus dem Nichts peitscht plötzlich starker Wind aus dem Landesinneren über unsere Köpfe hinweg. Die Böen werden immer heftiger, reißen bedrohlich am bereits hochgekurbelten Dachzelt und lassen erste Strandschirme durch die Gegend fliegen. Eilig verstauen wir unsere Habseligkeiten, machen uns in mittlerweile sturmgepeitschter Nacht auf die Suche nach einem geschützten Zufluchtsort. Die richtige Spur im Sand zu finden gestaltet sich nun spannend, wobei sich unser vorangegangener Spaziergang bezahlt macht, denn wir erinnern uns an ein gemauertes Strandhäuschen, wo wir einen Land Rover Discovery 4 aus Innsbruck stehen gesehen haben. Im Schritttempo mit taghell erleuchteten Scheinwerferbatterien fallen wir in den Schutz des kleinen Ziegelbaus ein und konfrontieren unsere sichtlich überraschten Landsmänner mit vollendeten Tatsachen. Gott sei Dank wird unser abruptes Asylgesuch nicht schlecht aufgenommen. Ohne mit der Wimper zu zucken wird uns wie selbstverständlich Platz eingeräumt. Wir parken uns dicht an dicht in den Windschatten der verlassenen Strandbar und lernen mit Sarah und Patrik unsere Retter in der Not kennen. Geschützt vor den pfeifenden Sturmböen, stoßen wir mit unseren neuen Freunden an und verbringen noch eine unterhaltsame restlichen Nacht.
Würdiger Ersatz für letztjährigen Traumstrand
Am nächsten Morgen wandern fleißig Reiseinfos zwischen uns und unseren Stellplatz-Gebern hin und her. Einiges was wir hören, ist aber nicht so erfreulich. Zwar wissen wir mittlerweile, dass sich in Albanien generell die Dinge recht rasant weiterentwickeln, doch ausgerechnet der Strand von Gjipe scheint heuer endgültig in die Hände feierwütiger Partyfreunde gefallen zu sein. Schade, haben wir uns bereits so auf den traumhaften Strand, einsame Canyon-Erkundungen und vor allem die dazugehörige Offroad-Anfahrt gefreut. Dafür wir uns empfohlen, unbedingt dem benachbarten Mazedonien einen Besuch abzustatten. Das mitgebrachte Bildmaterial aus dem dortigen Nationalpark Galicica sieht wirklich fantastisch aus, doch für uns in der falschen Richtung liegend.
Leider müssen wir uns von Sarah und Patrick nach dem Frühstück wieder verabschieden, während wir uns noch überlegen unser Glück am Küstenabschnitt von Vllore zu versuchen. Von dort haben wir kürzlich das Foto einer unglaublich idyllischen Bucht zugeschickt bekommen, welche nun als würdiger Ersatz für den ursprünglich geplanten Besuch von Gjipe dienen soll. Mit diesem Vorhaben verabschieden wir uns von Borsh, stocken unsere Vorräte in einem typischen Tante-Emma-Laden auf und kurven die malerische Küste nordwärts.
Nach über einer Stunde Fahrzeit passieren wir das letzte Örtchen Gjileke, während sich vor uns der über tausend Meter hohe Llogara-Pass auftut. Mit seinen sich in die Höhe schraubenden Serpentinen markiert er beeindruckend das Ende der Albanischen Riviera. Nun heißt es auf Spurensuche zu gehen. Was wir wissen: Die vermeintliche Traumbucht muss sich irgendwo zwischen Gjileke und Palaza Beach befinden, ist nicht regulär mit einer Straße verbunden und das war es dann auch schon mit den Infos. Soweit, so gut. Hinab zum Palaza Beach kommen uns schwarz rußende Kies-Laster entgegen gekrochen. Zahllose provisorische Arbeiterunterkünfte zeugen von intensiven Bautätigkeiten und am Strand ankommend, erblicken wir deren wahren Ausmaße: Gefühlt die Hälfte der ganzen Bucht ist vollgestopft mit den Skeletten mehr oder weniger fertiggestellter Gebäude unterschiedlichster Größe. Wir blicken auf das sogenannte Green Coast Ressort, einer der kolossalsten Baustellen Albaniens. Bis Ende 2020 werden hier insgesamt 154 Villen, 182 Appartements, unzählige Restaurants und Geschäfte sowie ein 5 Sterne Luxus-Hotel aus dem Boden gestampft.
Und unser einsamer Meerzugang? Nach oftmaligen Satellitenbild-Studium, entscheiden wir uns zurückzufahren und biegen in einer Kurve auf einen unscheinbaren Schotterweg ab. Die Piste führt bergab, wird immer grobsteiniger und lässt uns nach einiger Zeit sogar ein trockenes Flussbeet durchqueren. Tatsächlich finden wir nun einen Rumpelpfad, auf dem alte Reifenspuren in eine verheißungsvolle Richtung führen. Einige Windungen später werden wir unerwartet vor einer uneinsichtige Bucht mit wunderschönem Sandstrand ausgespuckt. Tatsächlich, unser gesuchter Geheimtipp! Voller Freude steuere ich direttissima Richtung Meer und merke erst gar nicht, wie abrupt unser Silver Surfer an Fahrt verliert und schließlich im wahrsten Sinne des Wortes versandet. Hab ich doch glatt vergessen den Allrad wieder zuzuschalten. Aber kein Problem, mit der 4LO-Zuschaltung geht es zuverlässig voran, bis wir schließlich ein gutes Stückchen weiter mitten am Strand, keine 10 Meter vom verführerisch glitzernden Wasser entfernt, halten.
So lässt sich campen! Ich nutze die Einsamkeit um ausführlich unsere Drohne fliegen zu lassen, später entdecken wir noch die nahen Steinklippen als unterhaltsame Absprungmöglichkeiten für uns. Erst abends wird die romantische Einsamkeit von einem jungen Backpacker-Pärchen aus Berlin beendet. Ich bin mir sicher, dass die Verwunderung hier jemanden anzutreffen beiderseitig doch recht groß war. Unseren neuen Nachbarn helfen wir gleich mal mit gekühlten Getränken aus und genießen bei Pasta und Vino einen weiteren herrlichen Abend in einer einmalig schönen Naturlandschaft.
Ein Schiff wird kommen…
Rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter. Die Automatik kommt vor lauter Spitzkurven mit der richtigen Gangwahl kaum nach. Es geht den steilen Llogara-Pass hinauf und bei all dem Kurvengewühl werden wir ständig von einer auf die andere Seite gepresst. Unser Nissan rollt hochtourig um die Ecken, während uns dicke Busse immer wieder zum Ausweichen zwingen. Durch die offenen Fenster riecht man den Geruch heißer Bremsscheiben und wir sind froh, endlich den Aussichtspunkt am Ende der Auffahrt zu erreichen.
Er ist ein wahrer Augenöffner: Unter uns breitet sich die beginnende albanische Riviera gleich einer Spielzeuglandschaft aus und wir können sogar unseren winzig-kleinen Privatstrand der letzten zwei Tage erkennen. Die unerbittlich verrinnende Zeit in Kombination mit zu Ende gehenden Wasservorräte treiben uns langsam aber sicher wieder Richtung Heimat. Leider. Die Passabfahrt fällt entspannter aus, führt uns durch grüne Wälder und bietet einen willkommenen Kontrast zum mittlerweile gewohnten Umfeld der letzten Woche. Heute stehen etwas mehr als dreihundert Kilometer Strecke am Programm. Unser Ziel ist das kleine Dorf Koman am gleichnamigen Stausee, welches uns als Einstiegspunkt für eine als beeindruckend geltende Fährfahrt am Fluss Drin dienen soll. Eines der hiesigen Reisehighlights schlechthin, wir sind schon mal gespannt. Zuvor schlagen wir uns noch durch die pulsierende Küstenstadt Vlora, wobei wir Stadteingangs noch einen leckeren Cappuccino in der brandneu hochgezogenen Strandpromenade genießen, während wir beim Verlassen wie selbstverständlich wieder wassergefüllte Schlaglöcher umrunden oder das ein oder andere Pferdefuhrwerk überholen. Neu gebaute Schnellstraßen wechseln sich mit maroden Dorfdurchfahrten ab, neueste Autohäuser reihen sich zwischen selbstgebauten Obstständen ein.
Die Stunden verfliegen, es ist bereits früher Nachmittag, als wir kurz vor Shkodra in das bergige Hinterland nach Vau-Deja abbiegen. Ein erdiger Braunton bestimmt jetzt die Landschaft und die einfachen, aber aufgeräumt wirkenden Häuser am Straßenrand werden rasch weniger. Wir erhaschen erstmals einen Blick auf den ruhig dahin fließenden Fluss Drin, auf dessen gestauten Gewässer unsere mit Spannung erwartete Fährfahrt stattfinden wird. Über ein steiles Serpentinen-Gastspiel geht es auf ein Hochplateau, wo wir uns überraschenderweise in einem idyllischen Waldgebiet wiederfinden. Umgeben von hoch aufragender Berge folgen wir einer einsamen Asphaltstraße und wähnen uns eher in Kanada, als am Balkan. Wir wären nicht sonderlich erstaunt, würde plötzlich ein Elch aus dem nächsten Gebüsch hervorlugen. Doch es kommt noch besser. Aus den Augenwinkel bemerke ich ein helles Glitzern und es dauert nicht lange, bis Antonia die spiegelglatte Oberfläche eines verlockend daliegenden Stausees entdeckt. Da wollen wir hin!
Wenig später nutzen wir die Chance und folgen einem unscheinbaren Holzschild mit der Aufschrift „Perla Bar“ eine kurze Schotterstraße hinab. Was uns nun erwartet, damit hätten wir nicht gerechnet: Vor uns baut sich, wie aus dem Nichts, ein wunderschön am See gelegenes Upperclass-Restaurant auf, dass man sonst so nur aus Hochglanzmagazinen kennt. Ein hauseigener Bootsanlegeplatz, alleinstehend-überdachte Speisetische auf akkurat gepflegtem Kurztrimm-Rasen und beflissentlich herumeilende Kellner vermitteln uns den Eindruck in einem falschen Film zu sein. Etwas unsicher steigen wir von einem Bein auf das andere. Unser mehr als legeres Freizeit-Outfit inklusive staubiger Haarpracht kennzeichnet uns nicht gerade als Stammgäste dieses edlen Etablissements. Doch das Ambiente und der großartige Ausblick geben den Ausschlag: Wir blieben hier. Eineinhalb Stunden später sitzen wir satt, aber vor allem vollauf begeistert wieder im Silver Surver. Hervorragend frische Forellen, Salat, Getränke und Cafe für knapp 22 Euro, so lassen sich Abstecher in vermeintliche Luxusrestaurants verkraften.
Entsprechend gut gelaunt nehmen wir die letzten 30 Kilometer des Tages nach Koman in Angriff. Die Gegend wird immer einsamer, die Natur dafür umso bezaubernder. Der Asphalt der Straße ist kaum mehr vorhanden und führt uns an zerklüftete Gesteinsformationen vorbei in eine unwirtlicher werdende Gegend. Verkehr gibt es nur mehr selten, gefühlt jedes zweite Fahrzeug ist ein 4×4-Overlander mit ausländischen Kennzeichen. Die Landschaft versetzt uns ins Staunen, stellenweise erinnert es mich hier an Marokko, wahrscheinlich auch wegen der vorherrschenden Pistenverhältnisse. Doch wir genießen diese abenteuerliche Fahrt.
Nach knapp 90 Minuten erreichen wir eine kleine Ansammlung bescheidener Häuser, dicht an dicht gedrängt im Schatten des engen Tales. Koman. Vom einen Ortschild bis zum anderen sind es vielleicht gerade mal 800 Meter. Neben zwei winzigen Bars, einem kargen Campingplatz und zwei angeschriebenen „Guest rooms“, gibt es hier wenig Aufregendes. Wir folgen deswegen auch gleich dem Weg zum Fähranleger eine steile Straße hoch, wo wir nach einer ungeregelten, einspurigen Tunnelfahrt völlig unerwartet vor einer Betonbucht stranden. Der Anlegeplatz entpuppt sich als ein zirka 600 m2 großer Beton-Halbkreis, der mit dem Rücken zur Feldwand direkt in den sich vor uns aufbauenden Koman-Stausee angrenzt.
Blecherner Balkan-Techno beschallt die heruntergekommen wirkende Szenerie, während ein blau getünchtes Fährboot aus längst vergangenen Zeiten vereinsamt im ruhigen Wasser treibt. Obwohl erst früher Abend, sind wir weit und breit die einzigen Touristen. In einem Holzhäuschen erkundigen wir uns nach einer Überfahrt für morgen, doch der Angestellte winkt gelangweilt ab und meint, dass es erst übermorgen wieder freie Plätze gibt. Übermorgen? Zwei Tage mitten im Nirgendwo abwarten? Auf keinen Fall. Unsere enttäuschten Gesichter scheinen Bände zu sprechen, denn plötzlich steht ein verkniffen dreinschauender Helfer in der Not vor uns und meint verschwörerisch, dass es noch einen Platz auf der „unofficial ferry“ gebe. Als der Mann zusätzlich Unterstützung von aufgekratzt plappernden Jugendlichen bekommt, ist es um uns geschehen. Nach fünfzehn Minuten, aufgeregten Telefonaten und Feilschen um den letzten Preis, verlassen wir mit einem Überfahrtsticket in Händen den Anleger. Unser unbekannter Samariter verschwindet grinsend im Rückspiegel, wobei er uns zum Abschied mit der schweren, halbvollen Disaronno-Amaretto Flasche nachprostet, die er die ganze Zeit über kein einziges Mal aus der Hand gegeben hat. Auf was haben wir uns da bloß eingelassen?
Durch nordische Fjorde am Koman-Stausee
Pünktlich um sechs Uhr fünfzehn reißt uns der unerbittliche Handy-Alarm aus den Träumen. Reichlich benommen krabbeln wir aus dem Dachzelt und blinzeln dem hektischen Treiben auf unserem Campingplatz entgegen. Wie wir gestern noch mitbekommen haben, setzen sich hier sämtliche Camper aus Reisenden zusammen, die entweder eine Koman-Fährfahrt gebucht haben oder von einer solchen gerade zurückgekommen sind. Entsprechend hektisch geht es nun auch zu. Punkt sieben soll die Einschiffung beginnen, alles kein Problem. Der Campground ist so klein, dass sich unsere deutschen Nachbarn nicht trauen frühzeitig an uns vorbeizufahren und sichtlich nervös werden, als wir uns noch den obligatorischen Guten-Morgen-Kaffee zubereiten.
Kurz vor sieben stehen wir dann zusammen mit dem gefühlten Rest des Campingplatzes am heillos überfüllten Fähranleger. Vor uns vertäut liegen zwei überschaubar große Fährschiffe, die definitiv ihre beste Zeit schon hinter sich haben. Es herrscht chaotischer Trubel. Das Personal läuft schreiend kreuz und quer, Schaulustige stehen verschlafen im Weg rum und den meisten Passagieren sieht man eine gewisse Skepsis deutlich ins Gesicht geschrieben. Wenig später ist es soweit. Unter Anleitung gleich mehrerer mehr oder weniger kompetenter Einweiser und den gespannten Blicken des versammelten Hafenpublikums, zirkle ich unseren Silver Surver in Zentimeterarbeit in den hintersten Winkel unserer „inoffiziellen“ Fähre. Geschafft, wir parken direkt neben der offenen, völlig verrußten Motorluke, die genauso gut eine schwarze Kohlegrube sein könnte.
In den nächsten eineinhalb Stunden beobachten wir vom Panoramadeck aus, wie immer mehr kleinere Boote anlegen und kontinuierlich neue Fährkunden an Land bringen. Einheimische Bauern mit Jungkälbern stehen neben chinesischen Rucksacktouristen, eine zwanzigköpfige Radfahrergruppe aus Amerika sucht verzweifelt nach Stauraum und am Ende findet auch noch das allerletzte Auto auf wundersame Weise Platz auf der vollgestopften Fähre. Es ist kurz vor zehn, als wir endlich Segel setzen beziehungsweise der altersschwache Motor stotternd zu Leben erwacht.
Die 34 Kilometer lange Fahrt nach Fierenze schlägt uns jedoch gleich in ihren Bann. Stetig von den hoch umringenden Felswänden begleitet, fühlen wir uns in eine typisch norwegische Fjordlandschaft versetzt. Der See windet sich imposant durch graue Schluchten, die sich mancherorts auf bis zu 50 Meter annähern und damit hin und wieder auch den Blick auf einsam bewirtschaftete Bauernhöfe freigibt. Schwer in Gedanken versunken über solch selbst gewählte Einsamkeit, bemerke ich nur unbewusst ein leises, metallenes „KLINK“. Mehr als Reflex wandert mein Blick auf meine über die Reling stehenden Füße und plötzlich wird es mir ganz heiß! Gleich daneben, keine Handbreit entfernt von der Deckkante, liegt unser einziger, das Sonnenlicht unschuldig reflektierender Autoschlüssel. Ein paar Zentimeter weiter, dann hätten die grünen Fluten der Drin unserer Heimreise einen ganz anderen Verlauf gegeben. Antonias böser Blick durchlöchert mich wie schweizer Käse und ich beeile mich kleinlaut, den Schlüssel diesmal tief und fest in meiner Hosentasche zu versenken.
Wir sind doppelt froh, als wir nach der zweieinhalb Stunden andauernden Überfahrt an Land kommen und unsere Reise fortsetzen können. Hin und wieder muss man einfach nur Glück haben. Die kleine Ortschaft Dushaj markiert den letzten Außenposten der Zivilisation, bevor wir uns in die bergige Abgeschiedenheit verabschieden, um den Weg retour nach Shkodra anzutreten. Was wir gehört haben, wurde die Straße neu asphaltiert, weswegen wir im Nu wieder in die Ebene sein sollten. Misstrauisch stimmen uns nur die doch stark variierenden Aussagen zur Fahrtzeit: Von einer bis zu acht Stunden für die zirka 130 Kilometer lassen einiges an Überraschungen erwarten! Die Straße führt uns Anfangs in die Höhe und verwandelt sich bald in ein einspuriges Teerband, welches ungestüm Kurven werfend, jedem noch so langen Schluchtenverlauf nachfolgt. Fast ohne Gegenverkehr, dafür oft mit Steinschlag auf der Fahrbahn, begeistert die Fahrt durch diese wilde Naturkulisse. Werden wir zu Beginn von der schieren Anzahl beeindruckender Fotomotiven nahezu erschlagen, müssen wir uns irgendwann zurückhalten nicht allzu oft stehen zu bleiben und stattdessen mehr Kilometer zu machen.
Zwei Stunden geht es hochkonzentriert die ungesicherten Berghänge entlang, bis uns der Weg endlich ins Landesinnere führt, das sich jedoch nicht weniger verlassen oder ungezähmt präsentiert. Trotz bestem Wetter und guter Stimmung schielen wir beide nun immer öfter auf das Navi, ungläubig, wie zäh die Entfernung zu unserem Tagesziel verrinnt, ganz im Gegensatz zur Uhrzeit. Eine Passabfahrt reiht sich an die nächste, während verlassene Dorfschaften im gefühlten Minutentakt passiert werden. Wie war das nochmals mit der achtstündigen Fahrzeit?
Als ich den verstaubten Silver Surfer endlich auf dem grünen Rasenstück unseres Stellplatzes abstelle, zeigt mir meine Digitalanzeige 18:30 an. Sechseinhalb Stunden für insgesamt 160 Kilometer von Fierze bis zum Lake Shkodra Resort, das ist neuer Rekord! Obwohl uns die Strecke durch die tolle Landschaften natürlich gefallen hat, so sind wir beide nicht unglücklich darüber, heute Abend alle Annehmlichkeiten des uns wohlbekannten Campingplatzes auskosten zu können. Noch bevor wir uns häuslich einrichten, schlüpfen wir in unsere Badesachen und springen kurz darauf vom hauseigenen Badesteg in den Badewannen-warmen Skutarisee, herrlich! Mit den letzten Sonnenstrahlen im Gesicht, treiben wir im Wasser und spüren unser Lebensgeister zurückkehren. Dermaßen gestärkt, laufen wir am Rückweg Tanja und Tobi in die Arme, unserer Urlaubsbekanntschaft vom Anbeginn der Reise. Was für ein Timing, haben wir uns ja lose für ein Treffen hier verabredet! Wenig später sitzen wir wieder vereint bei einem ausgiebigen Abendessen, tauschen bestens gelaunt die Erlebnisse der letzten Woche aus und planen angeregt, wie sich die unaufschiebbare Heimreise im Konvoi erträglicher gestalten lässt.
Montenegrinische Bergwertung mit kleinem Schönheitsfehler
Es ist früher Vormittag, als mir der Grenzbeamte unsere Pässe zurückgibt und uns mit einem knappen „Welcome“ durchwinkt. Hinter uns sehe ich die massiven Umrisse von Tobi’s Land Cruiser auftauchen, ab sofort geht es im Allrad-Doppelpack durch montenegrinisches Staatsgebiet.
Unsere heutige Mission lautet: „offroad“! Dank eines zusätzlichen Ruhetages im Lake Shkodra Resort, wurden uns dermaßen viele Geländeabstecher mit auf den Weg gegeben, dass wir gar nicht anders können, als uns einen Abstecher ins Grüne zu gönnen. Unsere Wahl fällt schließlich auf den beinahe 1600 Meter hohen Orjen-Pass, der mit rund 40 Kilometer Schotterspaß lockt, aufgrund der exponierten Streckenführung jedoch auch nicht immer überquerbar sein soll. Mal sehen, reichlich gespannt sind wir auf jeden Fall!
Über Podgorica fahrend, tauchen wir wieder in dicht besiedeltes Gebiet ein, quälen uns durch den städtischen Speckgürtel und stoßen erst über Budva an die nun sehr touristisch bevölkerte Küste vor. Nach einem stärkenden „menu turistico“ bestehend aus Cevapcici, Pommes und einem rauchigen Hausschnaps, erreichen wir über Tivat die äußere Bucht von Kotor. Immer aufwendigere Unterkünfte säumen die Straße, während auffallend teure Luxuskarossen mit russischen Kennzeichen umherkurven. Vom Ambiente her könnten wir auch in Italien sein, so mediterran-modisch kommt es mir hier vor. Mittels zehnminütiger Fährfahrt kürzen wir streckentechnisch ab und vermeiden so die innere Bucht komplett ausfahren zu müssen.
Erst beim großen Kreisverkehr von Meljine führt uns eine Abzweigung nach Kameno in die gewünschte Richtung. Von nun an geht es stetig bergauf. Stoisch folgen wir zahlreichen Kurven in wenig bevölkertes Gebiet, das zunehmend von dichtem Waldbewuchs und immer höher aufragender Felsen dominiert wird. Dank Walkie-Talkie klappt die Kommunikation zwischen unseren Geländeschiffen bestens, auch deswegen übersehen wir nicht die versteckte Beschilderung zum Weiler Kruševice, der den offiziellen Einstieg zu unserer Offroad-Tour markiert. Wir überlassen nun Tobi und Tanja die Vorfahrt und rollen auf eine karge Hochebene voller kleinteiliger Felder und Äcker. Weit und breit kein Mensch in Sicht, was sich auch nicht ändert, als wir Kruševice passieren. Ein paar Serpentinen später, erreichen wir das winzige Örtchen Vrbanje, Ausgangspunkt für die meisten Wanderrouten in der Gegend. Nach Ortsende verabschiedet sich die Zivilisation endgültig. Auf einer grobgeschotterten Piste tauchen wir unter das dunkle Blätterdach eines vor uns auftürmenden Wall aus Bäumen ein.
Begeistert folgen wir diesem grünen Tunnel eine Zeit lang, bis sich der Wald zu lichten anfängt und wir schön langsam an der Baumgrenze zu schrammen. Zu beider Seiten durchbricht helles Karststein die Umgebung, während uns die schlechter werdende Strecke allmählich in eine beeindruckende Gebirgslandschaft entführt. Windungsreich schälen wir uns aus der Vegetation und staunen über den schmalen Weg, der uns ungesichert in ein steinernes Meer entlässt, wie ich es nie zuvor gesehen habe. Wir versuchen uns vorzustellen, mit welcher Macht hier Wind, Regen und Co wüten müssen, um im Laufe der Jahrhunderte solch eine steinerne Landschaft formen zu können. Wirklich beeindruckend! Antonia hat entsprechend oft den Finger am Kameraabzug, während ich herabgefallenen Gesteinsbrocken ausweiche und Tobis Spur aufmerksam folge. Wir bemerken es erst gar nicht so recht, als wir dann tatsächlich am Orjen-Sattel ankommen. Eine verlassene Berghütte markiert hier den Punkt, an dem es von nun an wieder bergab ins benachbarte Grahovo-Tal geht. Theoretisch zumindest. Denn schon von weitem sehen wir, dass es vor uns ein Problem gibt. Der aufgeschüttete Steinwall, der uns bisher als Fahrweg gedient hat, ist im wahrsten Sinne des Wortes abgerutscht. In einem Abschnitt von zirka 10 Metern ist die Strecke dermaßen weggespült, dass man nur per pedes hinüberkommt. So, wie wir es eigentlich nicht vorhaben.
Was nun? Gemeinsam begutachten wir die Situation. Zurückfahren kommt nicht in Frage, weswegen nach kurzem Kriegsrat folgender Entschluss gefasst wird: eine Umfahrung muss her! Glücklicherweise entdecken wir eine nicht gerade vertrauenserweckende Geröllrampe, die extrem schmal, abschüssig und mit materialmordenden Gestein garniert, in genau jene Richtung führt, in die wir hinmüssen. So machen wir’s! Tobi als routinierter Trial-Fahrer fährt als Ersterden. Aus dem Cockpit verfolge ich gespannt den wild schaukelnden Toyota, der sich souverän durch das unwegsame Gelände bis ans andere Ende kämpft. Es klappt! Nun bin ich an der Reihe. Langsam den Fuß von der Bremse, ein leichter Gasstoß damit die Automatik den Nissan über die groben Steine schiebt… und PENG! So schnell kann ich gar nicht auf die Bremse treten, wie mir ein dumpfer Einschlag den Feindkontakt mit unnachgiebigem Feststoff signalisiert. Echt jetzt? Habe ich wirklich vergessen, dass der Retourgang eingelegt war? Wild fluchend begutachte ich das Malheur. Mein hinteres Begrenzungslicht ist hinüber, geküsst von einem bösartig spitzen Felsbrocken. Neben ein paar wilden Kratzern aber nichts, was man zuhause nicht wieder beheben kann. Ich zwinge mich meinen Ärger runterzuschlucken, denn nun bin ich dran mit der Überfahrt. Mit eingelegter Untersetzung, viel Fingerspitzengefühl und dem zusätzlichen Augenmaß von Tanja und Antonia ausgestattet, meistere ich den Balanceakt ohne weitere Schäden am Blechkleid. Die anschließende Freude über das bewältigte Hindernis ist groß. Umdrehen zu müssen wäre für uns einer gefühlten Niederlage gleichgekommen. Auch die Abfahrt bietet uns auf den nächsten Kilometern eine Offroad-Piste allererster Güte. Extrem abwechslungsreich, kurvig, durch Engpässe schlängelnd und zum Schluss eine Marathon-Etappe durch dichtes Waldgebiet: Wir genießen in vollen Zügen die rasante Abfahrt.
Das Tageslicht fängt zu schwinden an, während wir im Hinterland von Risan wieder asphaltierten Boden erreichen. Wir befinden uns oberhalb der inneren Bucht von Kotor und suchen angestrengt auf kleinsten Straßen nach einer passende Übernachtungsmöglichkeit. Dann passiert es. Beim Zurücksetzten auf einer steil abschüssigen Stichstraße fängt sich nun Tobi ein kleines Andenken an seiner hinteren Stoßstange ein. Es wird wirklich Zeit unsere Zelte aufzuschlagen! Wenig später stehen wir unterhalb eines Parklatzes auf einem kleinen Vorsprung und bereiten unser Nachtlager vor. Mit Ausblick auf die malerische Bucht zu unseren Füßen, stoßen wir anlässlich der erfolgreichen Passüberquerung an. Nach einem gemeisam zubereiteten Abendessen sitzen wir noch bis tief in die Nacht beisammen, reden über Gott und die Welt, bis wir doch irgendwann unter dem fahlen Licht des Vollmonds die Leitern unserer Dachzelte erklimmen.
Gemeinsamer Abschied von einer besonderen Reise
Eine kaum bemerkbare Kühle durchstreift die leeren Korridore. An der freigelegten Decke ragen rostige Stahlträger wie ein freigelegtes Gerippe eines toten Urzeittieres hervor, während Schutt und Unrat den gesprungenen Marmorboden bedecken. Von dem lichtdurchfluteten, völlig überwucherten Innenhof aus, haben schwere Efeuranken die ehemals prunkvolle Außenfassaden in ein undurchdringliches Grün gehüllt. Wir befinden uns nicht in einem postapokalyptischen Filmsett, sondern erkunden eines der bekanntesten Lost Places Kroatiens, das denkmalgeschützte Grand Hotel in der bekannten Kupari-Bucht nahe Dubrovnik. Vor knapp 100 Jahren verkehrte hier noch die Oberschicht des Königreichs Jugoslawiens, nun dient die verlassene Hotelanlage als faszinierender Hot-Spot für erkundungsfreudige Alternativ-Touristen. Auf dem 30 Hektar großen Areal befinden sich noch 3 weitere, riesige Betonbunker, allesamt halbzerstörte Mahnungen an die Schrecken der vergangenen Balkankriege. So faszinierend unsere Streifzüge durch die heruntergekommenen Räumlichkeiten auch sind, so bin ich nicht unfroh, wieder in die spätsommerliche Tageshitze hinaustreten. Auf der vor uns liegenden Bucht aalen sich einheimische Sonnenanbieter, umgeben von den emporragenden, mit Einschusslöchern übersäten Ruinen. Ein doch sehr kontraststarkes Ambiente.
Mit dutzenden Bildern auf der Speicherkarte verlassen wir im Formationsflug das verwilderte Areal und reihen uns auf der Küstenstraße nach Dubrovnik ein. Seitdem wir am frühen Vormittag wieder auf kroatischen Staatsgebiet unterwegs sind, seht das definitive Ende unserer Urlaubes bald an. Der heutige Tag ist der letzte unseres zweieinhalb Wochen dauernden Roadtrips, entsprechend angemessen wollen wir diesen auch ausklingen lassen. Da liegt es beinahe auf der Hand, einen letzten gemeinsamen Stopp an der weltbekannten Perle der Adria einzulegen: Dubrovnik. Sowohl für unsere bayrischen Freunde, wie auch für uns selbst ist es der erste Besuch, wobei wir schwer darauf hoffen, dass uns die Nachsaison allzu heftige Massenaufläufe ersparen wird.
Entlang der aussichtsreichen Küstenstraße tummelt sich der Verkehr, der umso zähflüssiger wird, je näher unser Ziel rückt. Als dann schließlich hinter der nächsten Biegung zum ersten Mal die ins Meer ragende Stadt auftaucht, sind wir hin und weg. Beinahe unwirklich, wie eine ins Wasser gebaute Festung vollgestopft mit altertümlichen Bauten. Kein Wunder, dass sich bei solch einem Anblick internationale Filmproduktionen regelmäßig die Klinke in die Hand geben. Auf dem unweit der Altstadt liegenden Campingplatz Solitudo werden etwas wehmütig ein allerletztes Mal die Dachzelte hochgeklappt. Es ist bereits beschaulich ruhig in der Anlage, die wir nur mit ein paar wenigen anderen Campern teilen müssen. Da wir heute gut essen gehen wollen, nehmen wir recht früh den Bus in die umfriedete Altstadt. Außerhalb der typisch touristischen Stoßzeiten Essen zu gehen, kann sich durchaus bezahlt machen.
Nach einer rasanten Fahrt durch die verwinkelten Straßen, steigen wir fast unmittelbar vor den beeindruckenden Außenmauern Dubrovniks aus. Mit beinahe zwei Kilometer Länge und einer maximalen Breite von sechs Metern, umfasst dieser begehbare Verteidiungswall eine perfekt erhaltene, komplette mittelalterliche Stadt. Bereits beim Eintritt merken wir, dass solch ein UNESCO-Weltkulturerbe nur eine Saison kennt, nämlich Hochsaison. Fast im Gänsemarsch leitet uns ein Besuchersystem direkt auf die weltbekannte Stradun, der Hauptpromenade mit all seinen Geschäften und vornehmen Lokalen. Wohin unser Blick auch geht, wir wähnen uns mindestens 600 Jahre in der Vergangenheit, so gut erhalten und beeindruckend wirkt ein jedes Gebäude. Dazwischen, gefühlt tausend andere Touristen aus aller Herren Länder.
Irgendwann packe auch ich die Kamera weg, lasse stattdessen die einmalige Umgebung auf mich wirken und gemeinsam spazieren wir staunend durch die vielen engen Gassen. Gegen sechs Uhr steuern wir das als Geheimtipp geltende Lady Pi-Pi an, ein winziges Dachrestaurant mit direkten Ausblick über die kupferfarbernen Dächer der Altstadt. Bei köstlichen Calamari, frischem Fisch und kühlem Weißwein rekapitulieren wir unsere bisherige Reise von der Ägäis bis zur Adria. Auf der Habenseite stehen: 18 aufregende Tage mit 2500 abwechslungsreichen Kilometern durch insgesamt 5 unterschiedliche Länder. Vollgefüllt mit unvergesslichen Eindrücken, herzlichen Begegnungen und neu gewonnenen Freundschaften. Garniert durch ein neues Reisegefährt, dass uns kein einziges Mal im Stich gelassen hat und sich zuverlässig als mobiles Zuhause in unsere Herzen gefahren hat. Dem gegenüber stehen: ein zerstörtes Begrenzungslicht, drei verlorene Felgenzierkappen, etliche Lackkratzer und nur 36 Stunden für die restlichen 700 Heimreise-Kilometer durch zwei weitere, erkundungswürdige Reiseländer. Mit dem schönen Gefühl alles richtig gemacht zu haben, erheben wir lachend unsere Gläser. Auf ein baldiges wieder Losrollen und einem gemeinsamen unter die Räder nehmen neuer Abenteuer.
Zum ersten Teil des Reiseberichts: Von der Ägäis bis zur Adria – Alles außer Pauschaltourismus
© Fotos: Paul Royer