Ein Roadtrip rund um die iberische Halbinsel. Spanien, Portugal, 6.000 Kilometer, Steilküsten und Sandstrände und Nachschichten hinter dem Steuer, der Kinder wegen. Irgendwie gehetzt, um dann am Ende doch anzukommen – Dort, wo andere ausgestiegen sind.
Vier Wochen Zeit, ein Allrad-Camper und zwei Kinder, unsere Ausgangslage. Aber wohin soll es gehen? So weit weg wie möglich und warm. Wie wäre es mit dem Ende Europas? Mit Aussicht auf den tobenden Atlantik, Strand und Bergen? Sehr gut! Also, auf nach Portugal.
Einmal um die iberische Halbinsel, an Spaniens Nordküste entlang, durch Katalonien und die Pyrenäen zurück. Ein Tag packen, noch schnell ein Hamsterkauf im Supermarkt, Trinkwasser auffüllen, kurz zur Tankstelle und los.
Wer sagte im August wäre es in Spanien warm?
Zwei Tage später stellen wir uns die Frage, wie naiv es war, davon auszugehen, der August in Spanien sei generell warm. Hinter der französisch-spanischen Grenze bietet das baskische Küstenstädtchen Mutriku die erste Gelegenheit, auf dieser Reise innezuhalten. Statt glühender Sonne und Tapas, trister Nieselregen und 13 Grad. Die Wetter-App berichtet, dass es in Oslo und Reykjavik nicht wärmer ist. Aber auch nicht kälter.
Der Abend am Hafen führt uns die harte Herzlichkeit dieses Landstrichs vor. Die kulinarischen Highlights der Imbissbude an der Kaimauer sind frisch gezapftes Bier und Pizza. Wir merken: Im Baskenland herrscht nicht nur der politische, sondern auch der kulinarische Separatismus vor. Als doch kurz die Sonne herauskommt, tauchen gleich Kinder und Jugendliche in Badehosen auf und überbieten sich gegenseitig mit Flugeinlagen ins Hafenbecken.
Eine Farbe dominiert hier im Baskenland die Landschaft: grün. Auch die steile Küste hat ein dschungelartiger Laubwald fest im Griff. Viel Spielraum für die Stellplatzsuche bleibt da nicht, und so muss eine Parkbucht mit „Camping verboten“-Schild, dafür aber mit fantastischer Aussicht, als Übernachtungsplatz genügen.
Der familieneigene Laster befindet sich schon bald in bester Gesellschaft. Als die Sonne irgendwo im Dunst über der Biskaya verschwindet, gesellen sich ein mit Shortboards beladener Toyota Land Cruiser und ein VW T3 dazu. Das Brechen der Wellen tief unten und das leise Trommeln, des wieder einsetzenden Regens, wiegen uns sanft in den Schlaf.
Weiter geht’s nach Kantabrien und rund um die Iberische Halbinsel
Nach einem starken Kaffee fahren wir weiter über Bilbao nach Kantabrien. Die Berge ziehen sich hier ins Hinterland zurück und damit auch die Wolken. Die Temperaturen sind nun spanischer und die Strände breiter. Durch die weiße Gischt der brechenden Wellen reiten die Surfer. Zur Mittagspause gibt es endlich die ersten Tapas.
Irgendwo hinter Santoña wird es Zeit für den nächsten Übernachtungsstopp. Dank Allrad ist der fast menschenleere Strand für uns die erste Wahl. Doch gerade als das Abendessen auf dem Tisch steht, klopft jemand an die Tür der alten Bundeswehr-Kabine. Es ist die Polizei. Die Sache mit dem Campingversuch auf dem Strand sei ja ein netter Versuch, aber man solle sich doch bitte zweihundert Meter weiter auf die befestigte Strandmauer stellen. Der Bitte kommen wir natürlich nach und haben aus dem Schlafdach trotzdem Meerblick vom Feinsten.
Hallo Portugal!
Langsam wird es Zeit für das Ziel der Reise: Portugal. Nach einem Tag am Wasser sorgen die eiskalte Stranddusche und ein paar Cafe solo, schwarz und stark, bei uns für die nötige Revitalisierung vor einer Fahrt in die Nacht. Morgens um zwei sehen wir bereits das Grenzschild und den nächsten Kaffee gibt es am Strand vor den Toren Portos.
Als Basisstation zur Erkundung der zweitgrößten Stadt Portugals bleibt nur der City-Campingplatz industriellen Ausmaßes. Der Spaziergang durch Portos Altstadt und der beste Burger seit langem, entschädigen uns dafür immerhin angemessen.
Abseits der Touristen-Hochburgen liegen die vergessenen Schätze Portugals
Trotzdem, eine Entdecker-Familie wird so auf Dauer nicht glücklich. Deshalb fahren wir weiter die Küste hinunter. Südlich von Ovar tingeln wir durch die Dörfchen und sind in den Strandbars jedes Mal die einzigen Ausländer. Bei frisch gezapftem Bier und Sardinen wird uns klar, dass es abseits der Touri-Hochburgen viele hundert Kilometer südlich an Portugals Küste noch so einige vergesse Schätze gibt.
Ein vertiefter Blick auf Google-Maps zeigt uns ein verzweigtes Netz von Waldwegen und Pisten mit unzähligen Abzweigen ans Meer. Wir wähnen uns schon im Himmel, doch in der Realität entpuppt sich das Terrain als recht anspruchsvoll. Der Untergrund besteht aus tiefem, losem Sand und die enge Wegführung macht ein stetiges Fahren unmöglich. Nach ein paar Buddelspielen bleibt uns nur noch der geordnete Rückzug mit gesperrtem Differenzial.
Unter Kastanien mit dem Duft frischer Backwaren
Die nächste Station sind die Berge rund um Lissabon. Im Schatten der gewaltigen Festung Castelo des Muros aus der Herrschaft der Mauren übernachten wir mitten auf dem zentralen Platz des malerischen Dörfchens São Pedro de Penaferrim. Camping auf Kopfsteinpflaster unter uralten Kastanien, die Bäckerei gleich gegenüber. Auch wenn die Versorgungslage mit frischem Gebäck zum Bleiben einlädt, wir müssen weiter, runter in den Süden Portugals und dann wieder nach Spanien zurück.
Tagsüber Sandburgen bauen, nachts fahren. Das ist Reisen mit Kindern.
Der gesamte Trip wird sich auf rund 6.000 Kilometer aufsummieren. Für einen Erwachsenen mit Hang zur Fernreise mag diese Distanz in vier Wochen kein Problem darstellen. Mit Kindern sieht das anders aus. So fällt es auch uns angesichts der Gesamtstrecke viel schwerer als auf anderen Reisen, den Bedürfnissen des Nachwuchses gerecht zu werden. Immerhin, drei Tage Strand an der Algarve sind Urlaub vom Reisen und es bleibt reichlich Zeit zum Bauen von Sandburgen und zum Spielen.
Für familiäre Entspannung sorgen auf der Rückfahrt weitere Nachtfahrten. Während die Kinder schlafen, müssen sich Mama und Papa am Steuer abwechseln und gegenseitig wachhalten. Beim Kaffeeholen an den Tankstellen lassen wir den Motor laufen, damit ja niemand aufwacht. Tagsüber bleibt so Familienzeit.
Ein Farbenspiel am Cap de Creus
Zur Halbzeit der Heimreise erkunden wir Katalonien. Die Belohnung für die letzte fast durchgefahrene Nacht wartet am Cap de Creus. Die felsige Landzunge liegt direkt südlich der Grenze zu Frankreich und bildet den nordöstlichsten Punkt der iberischen Halbinsel. Die meisten Urlauber schaffen es hier gerade einmal bis ins Hafenstädtchen Cadaqués, in dem Salvador Dalí aufwuchs und das später immer wieder Pablo Picasso und Joan Miró anzog. Ein paar wenige fahren dann noch weiter direkt ans Kap.
Bullig thront dort der alte Leuchtturm an der Abbruchkante der Steilküste. Seine leicht morbide, raue Schönheit fügt sich perfekt in die Mondlandschaft. Im Sonnenuntergang explodieren die Farben: das dunkle Blau des Meeres, das Braun der Felsen, das Rot am Himmel, das Weiß des Gebäudes. Am nächsten Morgen folgen wir einer Schotterpiste zum Strand hinunter. Außer uns noch ein paar Segelboote und ein Land Rover Defender, Volltreffer.
Das passt schon!
Auf dem Weg nach Frankreich wäre der Trip nicht komplett ohne einen Abstecher in die Pyrenäen. Als letztes Highlight wartet die Mas de la Fargassa auf uns. Ein Selbstversorgerhof auf der französischen Seite der Pyrenäen, oberhalb von Perpignan, am Ende einer Bergstraße durch die Gorges de Mondony. Am Beginn der Straße sehen wir ein Schild mit der maximal zulässigen Fahrzeugbreite, die ziemlich genau der unseres Fahrzeugs entspricht. Wird schon Luft eingeplant sein, denkt sich da der, an vorsichtige Behörden gewöhnte, Deutsche.
Die nun folgende Millimeterarbeit weist diesen Gedankengang als ziemlichen Irrtum aus. Rechts geht es senkrecht hoch, links senkrecht runter, begrenzt von vielleicht 50 Zentimeter hohem Beton. Der Außenspiegel an der Bergseite ist längst eingeklappt. Einer sitzt hinterm Steuer, der andere läuft voraus und gibt Acht, dass keiner der tieferhängenden Felsen die Solarpanele vom Kabinendach holt.
Oder doch nicht?
Irgendwann weist ein hölzernes Schild gen Margassa in einen abzweigenden Schotterweg. Die Äste hängen eigentlich viel zu tief für alles über VW-Bus-Maß. Weil Rückwärtsfahren keine Option ist, ziehen wir die Nummer durch und sind ziemlich erleichtert, als uns ein großer Mischling entgegenrennt und sich der Wald zum Hofgelände hin lichtet. Ein wenig verwundert schaut man uns hier schon an. Zweifelsohne sei das nun das größte Auto, das hier oben bislang gesichtet wurde.
Mas de la Fargassa – Eintauchen in eine andere Welt
Die Mas de la Fargassa wird von der Holländerin Frauke und ihrer Familie bewirtschaftet. Mit sieben Kindern hat das Ehepaar den Komfort und die Sicherheit eines bürgerlichen Lebens in den Niederlanden hinter sich gelassen und lebt nun hier oben, in der ehemaligen Schmiede. Direkt am rauschenden Gebirgsbach ohne Supermarkt und Arzt um die Ecke, dafür im inneren Frieden.
Die Familie gibt ihren Kindern ein Freiheitsgefühl und ein episches Naturerleben mit auf den Weg, an das kein Urlaub rankommt. Die Schule findet über Funk und Video statt. Sportverein, Disko oder Skaterpark gibt es nicht. Die neun Bewohner des Hofs fügen sich ein in ein Leben, dessen Rhythmus von der Natur vorgegeben wird, von kalten und einsamen Wintern, von umso intensiveren Sommern.
Die Betreiber der Mas de la Fargassa zeigen, dass ein Ausstieg aus der Leistungsgesellschaft durchaus möglich ist. Sie zeigen aber auch, was der Preis dafür ist. Besucher betreten hier eine andere Welt, in der sich Menschen ganz bewusst für einen Ausstieg aus der Norm-Gesellschaft entschieden haben. Auch wenn man deshalb nicht gleich selbst zum Hippie wird, ein wertvoller Denkanstoß sind solche Begegnungen allemal.
Einen Steinwurf vom Übernachtungsplatz entfernt, reihen sich natürliche Schwimmbecken aneinander, mehrere Meter tief und eiskalt. Genau das richtige nach der Tour hier hoch. Ein paar Mutproben gibt es inklusive, denn diverse Felsvorsprünge bieten sich als Absprungrampen an.
Zurück auf dem Hof ist schon das Abendessen fertig. Alle Gäste essen heute gemeinsam, die Zutaten stammen natürlich aus eigenem Anbau. Als wir Stunden später unter dem Sternenhimmel am Lagerfeuer sitzen, um uns herum die noch hellwachen Kinder, fühlen wir uns auf dieser atemlosen Reise plötzlich ziemlich angekommen.
Über die Autoren: Petra Foith-Förster und Christian Förster sind mit ihren Söhnen Jost (1) und Vinzent (4) in Europa und, wenn sich die Chance bietet, darüber hinaus unterwegs. Ob auf den Schotterpisten der isländischen Westfjorde, beim Backpacking in China oder Beachhopping an der Ägäis ist das Ziel die richtige Mischung aus Flow und Abenteuer. Manchmal gelingt die Balance, manchmal nicht, der Trip lohnt sich trotzdem immer. Seit 2016 bei den vier Stuttgartern mit dabei: Ein Mercedes-Benz Sprinter mit 4×4 von Iglhaut und 40 Jahre altem Armeekoffer huckepack. Hier schreibt Christian Förster über die Reise rund um die iberische Halbinsel.