Kevin Wolff ist im vergangenen Jahr zu einer abenteuerlichen Low Budget Reise in den Osten aufgebrochen. Was er auf dieser Tour alles erlebt hat, erzählt er uns in diesem Interview.
Kevin ist schon als Kind immer viel unterwegs gewesen. In den Sommerurlaub ans Meer ging es meist mit dem Auto und auch sonst gab es kaum ein Wochenende, an dem seine Familie Zuhause blieb. Gemeinsam haben sie sich viel angeschaut. Nach der Schulzeit zog Kevin alleine los und auch da blieb er natürlich dem gewohnten fahrzeugbasierten Reisen treu. Roadtrips durch Norwegen, den Osten Deutschlands oder den Balkan stillten seinen Reisedrang kurzfristig, doch er wollte mehr erleben als nur dreiwöchige Urlaube. Dazu schaffte Kevin einen Geländewagen an und im letzten Jahr ging er damit auf große Reise.
Kevin, wohin führte Dich Deine große Reise genau?
Ich hatte drei Dinge auf meiner Liste: Die Weiten der Mongolischen Steppe, die Berge des Pamirs und ergänzend dazu auch den Karakorum in Pakistan. Nach einem Start im Frühjahr sollte es über Zentralasien und Indien zum Überwintern nach Südostasien gehen und im Folgejahr über China in die Mongolei und von dort nach Hause. Das war der Plan vor der Pandemie.
Als ich losfuhr, sah die Welt jedoch noch recht kompliziert aus und ich sagte mir daher: “Alles kann, nichts muss”. Und so kam es dann auch: Letztendlich war ich knapp ein Jahr unterwegs und habe dabei 47.000 Kilometer abgespult. Es ging über die Türkei und den Nordirak in den Kaukasus, dann über den Iran und Pakistan nach Indien. Die Verschiffung in die Vereinigten Arabischen Emirate ermöglichte mir dann die Rückfahrt über die Route Saudi-Arabien – Kuwait – Irak, die dann relativ zügig stattfand.
Wie bist Du auf die Idee zu dieser Reise gekommen?
In einer Dokumentation habe ich vor langer Zeit vom Pamir Highway gehört und bin dann recht schnell auch auf den Karakorum Highway gestoßen. Die beiden Routen haben mich seitdem fasziniert und ich begann mir mögliche Routen auszumalen.
Während meiner Touren in Europa merkte ich gleichzeitig, dass sie mir nicht besonders genug sind. Nach dem Abi hatte ich die Idee einer Europarundreise, jedoch entwickelte diese sich dann mehr und mehr in Richtung Asien.
Wie hast Du Dich auf diese Low Budget Reise in den Osten vorbereitet?
Als der Entschluss feststand, begann ich anfangs viel zu recherchieren. Was muss ich mitnehmen, welche Routen sind überhaupt möglich und welche Länder sollen mit auf die Liste? Als diese Basis-Infos zusammengetragen waren, beschränkte sich die weitere Vorbereitung fast ausschließlich auf das Ansparen von Geld. Inspirieren ließ ich mich derweil von den Instagram-Kanälen anderer Asienreisender, von denen in der Pandemie jedoch nicht viele unterwegs waren.
Hast Du die Route im Vorfeld genau geplant oder spontan entschieden?
Ich habe mir eine “perfekte” Route zusammengebaut, auch mit Hinblick auf das Klima. Dieses war mein Grundgerüst und ich wusste, wie lange ich theoretisch in einem Land bleiben konnte. Die Grenzschließungen zu Reisebeginn im Februar sorgten jedoch dafür, dass ich von Beginn an spontan agieren musste. So machte ich zum Beispiel für zwei Wochen einen kurzfristigen ungeplanten Abstecher in den Nordirak und hoffte, dass Aserbaidschan bis dahin seine Landgrenzen öffnet. Das haben sie bis heute nicht und die neue Russland-Situation machte das Passieren dieses Landes zu dem Zeitpunkt auch unmöglich.
Als Konsequenz habe ich Zentralasien als Reiseziel gestrichen und ich war weit weg von meinem ursprünglichen Grundgerüst unterwegs. Ich habe mich ab dann treiben lassen und auch nicht mehr groß recherchiert, was ich im nächsten Land sehen möchte. Die Einheimischen gaben mir meist so viele Tipps, dass ich keine Eigenrecherche mehr betreiben musste. Ich hatte nur mehr 1-2 „Must-Sees“ pro Land auf meiner Liste, der Rest ergab sich durch die Kontakte vor Ort.
Wo war es besonders schön und was hat Dir besonders gut gefallen?
Das ist eine oft gestellte Frage. Landschaftlich sind die pakistanischen Berge des Karakorums ein großes Highlight gewesen. Ich war dort, doch konnte trotzdem meinen Augen nicht trauen. Und rechts und links vom Karakorum Highway findet der Reisende unbeschreibliche Täler tief im Nichts vor.
Die gebirgige Türkei hat mich ebenfalls fasziniert. Ich könnte alleine ein ganzes Jahr nur in der Türkei verbringen. Es ist landschaftlich sehr abwechslungsreich und die Menschen sind sehr nett. Das kleine Armenien hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Dort gab es glaube ich keine Ecke, in der ich mich nicht wohlgefühlt hätte.
Ein paar bewegte Bilder aus Armenien, wo Kevin sich besonders wohl gefühlt hat.
Doch es gibt auch andere Dinge als die Landschaft. Im Iran zum Beispiel sind die Menschen enorm gastfreundschaftlich – es kann einem manchmal sogar zu viel werden. Auf den Basaren hören die Augen nicht auf zu funkeln angesichts der wunderschön verzierten Vasen, Teller und Tassen. Du siehst dort tausende Perserteppiche und kannst dich vor Gewürzen kaum retten. Die riesige Gastfreundschaft und wunderschöne Sandlandschaften habe ich auch auf der arabischen Halbinsel vernommen. Schade, dass ich dort nicht mehr so viel Zeit verbracht habe.
Gab es auch negative Erlebnisse, wenn ja was? Hattest Du Angst vor etwas?
Wer lange unterwegs ist, hat natürlich auch negative Erlebnisse. Meine sind dabei hauptsächlich mit meinem Fahrzeug verbunden. Direkt, da ich viele Pannen hatte und indirekt, da ich dabei leider auch auf Menschen getroffen bin, die einem in diesen Situationen dann versuchen, das Geld aus der Tasche zu ziehen. Trotzdem überwiegen auch hier die positiven Seiten. Es gab viel mehr Menschen, die aktiv halfen und sogar jemanden, bei dem ich letztendlich für zwei Monate unterkam. Unvorstellbar.
Ein anderes Thema sind Tiere. Beim Wildcampen habe ich schon Respekt vor wilden Tieren und in Pakistan klopfte einmal der Bär ans Auto, als ich innen schlief. Da ging mir schon die Pumpe. Revierverteidigende Hirtenhunde, die zähnefletschend auf einen zu rennen, sind auch nicht so toll. Selbst mit gesundem Menschenverstand ist es leider nicht möglich allen blöden Situationen aus dem Weg gehen.
Mit was für einem Fahrzeug warst Du unterwegs?
Mit einem Mitsubishi Pajero aus 1994. Er hat einen 2,8-Liter Turbodiesel und ein Automatikgetriebe. Ich habe ihn 2019 mit 199.000 Kilometern auf dem Tacho gekauft und zu Reisebeginn waren es 241.000 Kilometer. Er hat ein Dachzelt und einen Low Budget Innenausbau, der einen Schlafplatz bietet.
Wie hast Du den Pajero vorbereitet für diese Reise?
Über die Jahre habe ich den Pajero langsam aber stetig aufgerüstet mit den üblichen Vorkehrungen wie AT-Bereifung, Luft-Standheizung, Innenausbau. Im zweiten Coronajahr stand das Auto dann leider 6 Monate in der Werkstatt, da die Einspritzpumpe überarbeitet wurde und durch Lieferkettenprobleme Ersatzteile nicht lieferbar waren. Dies zog sich so lange, dass ich das Auto erst wenige Wochen vor meiner Abreise wieder Zuhause stehen hatte und somit keinerlei Zeit mehr für Vorsorge war.
Wie hat sich Dein Pajero auf der abenteuerlichen Low Budget Reise in den Osten bewährt?
Wer meine Reise auf Instagram mitverfolgt hat, dem fällt nun wahrscheinlich ein einziges Wort ein: Katastrophe. Ich hatte in 12 Monaten etwa 28 Pannen. Von der defekten Batterie über geflockten Diesel bis hin zu geplatzten Kühlern. Grundsätzlich war vieles jedoch hausgemacht. Während der 6-Monate in der Werkstatt ging die Batterie kaputt, was ich jedoch erst unterwegs vernahm. Ich hatte ständig mit Überkochen zu tun, da die Werkstätten nicht richtig arbeiteten und immer nur Symptome bekämpften, bis irgendwann endlich jemand das eigentliche Problem fand. Im Iran kam dann noch nicht vorhandene Ersatzteilversorgung für Dieselfahrzeuge dazu, die durch Tauschteile minderer Qualität wiederum für neue Probleme und Pannen sorgte.
Würdest Du bei der nächsten Reise etwas anders machen?
Schwierige Frage. Ich würde bei meiner vergangenen Reise nichts anders machen, wenn ich könnte. Bei einer nächsten Reise ergeben sich jedoch aus dem Prozess heraus Veränderungen. Ich würde ein Fahrzeug mit größerem Lebensraum wählen und auf eine “gesündere” Fahrzeugbasis setzen. Meine vergangene Reise war von A bis Z auf Low Budget ausgelegt. Low Budget sehe ich jedoch nicht als meinen dauerhaften Reisestil an. Beim nächsten Mal darf es gerne ein bisschen mehr sein.
Was rätst Du jemandem, der auch so eine Reise unternehmen möchte?
Es gibt kein Perfekt. Das hört bei der Reiseroute auf und fängt beim Fahrzeug an. Es geht immer besser und neuer usw. aber die Reise wird erst gut, wenn du überhaupt erst losfährst. Es gibt nichts auf dieser Welt, was du nicht unterwegs kaufen oder reparieren könntest. Überlegst du hin und her, ob du das Gimmick XY benötigst? Dann benötigst du es nicht.
Fahr einfach los und erlebe die Welt. Und versuche nicht zu viel zu planen. Irgendwann unterwegs macht es klick und du merkst, dass es nicht so cool ist, die Einladung zum Tee ausschlagen zu müssen, weil du am gleichen Tag noch an einem bestimmten Ort ankommen möchtest. Versuch dich treiben zu lassen in einem grob abgesteckten Zeitrahmen, den du dir setzt. Der Rest ergibt sich von selbst und sorgt für Erlebnisse.
Welche Reisepläne hast Du für die Zukunft oder gibt es eine Traumreise die Du gerne machen würdest?
Die nächste Zeit geht es sicherlich erstmal nur auf kleine Reisen innerhalb Europas. Ich habe dabei kein bestimmtes Ziel. Langfristig möchte ich gerne wieder eine längere Reise starten. Der Pamir und die Mongolei sind immer noch offen, die beiden habe ich nicht abgeschrieben. Dazu reiht sich neuerdings nun noch die arabische Halbinsel ein.
In meinen wenigen Wochen in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten hat die Idee Feuer gefangen, dort mehr Zeit zu verbringen. Mir gefiel die Herzlichkeit der Menschen und die Landschaften, von denen ich die schönsten Ecken noch gar nicht gesehen habe, geschweige denn ganze Länder wie den Oman. Die Kultur empfinde ich als angenehm und als Overlander war ich dort unter den vielen offroad begeisterten Menschen schnell im Gespräch mit Gleichgesinnten. Davon hätte ich gerne mehr.
Vielen Dank and Kevin, für dieses tolle Interview und die spannenden Einblicke zu Deiner abenteuerlichen Low Budget Reise in den Osten. Wir wünschen Dir noch viele schöne Reise-Abenteuer.
Seid Ihr neugierig geworden und möchtet mehr über Kevins abenteuerlichen Low Budget Reise in den Osten und zukünftige Abenteuer erfahren? Dann schaut mal auf seinem Instagram Kanal, YouTube oder www.theroadtrotter.de vorbei.
© Fotos: Kevin Wolff