Die Rallye Breslau Poland ist einzigartig in Europa. Acht Tage Staub, Matsch, Dieselgeruch in der Luft, das Jaulen der Motoren am Tag und nachts das Hämmern der Pressluftschrauber. Eine Herausforderung für Mensch und Maschine. Und eine lebende Legende – mit Nachwuchssorgen. Dennis von overtheland.de war für uns dabei.
Vielleicht zählen Andreas und Felix Salfitzky mit ihrem Land Rover Defender 90 zu den Exoten bei der Rallye Breslau Poland. Der Vater ist Koch, der Sohn Student aus Österreich. Eine Crew haben die beiden nicht mitgebracht. Sie vereinen in sich: Schrauber, Fahrer, Navigator und was sonst noch alles anfällt. „Das ist hier basisdemokratisch.
Wir fahren nicht auf Zeit! Gefahren wird abwechselnd. Unser Defender muss uns schließlich wieder heimbringen.“ Die Extrem-Breslau mit einem Defender 90, der auch als Transportvehikel dient und nach vollbrachter Rallye die zwei 1.500 Kilometer nach Hause bringen muss. Was ein Abenteuer in der heutigen Zeit!
Berühmt für ihre Schlammschachten in tiefen und matschigen Wasserlöchern ist die Rallye Breslau Poland sicher eine der härtesten Wochenrallyes Europas für Mensch und Maschine. An den acht Rallyetagen wird den Teams viel abverlangt.
Das sind die wahren Helden
Bei einem Spaziergang durch das Camp aber finden wir die wahren Helden: Hinter jedem erfolgreichen Fahrerteam stehen Mechaniker und emsige Helfer, die bis spät in die Nacht, oder eher bis früh in den Morgen, die Fahrzeuge für die kommenden Strapazen wieder fit machen. Die Teams kommen teilweise mit großen Crews in mehreren LKW, die als mobile Werkstätten dienen. Der Sound von Pressluftschraubern und Notstromaggregaten durchdringt die Nacht. Schweißbögen machen es zudem fast taghell.
Doch schaut man in die Gesichter der Schrauber fällt eins auf: Es spiegelt sich die pure Lust darin. Sie sind freiwillig hier und opfern dazu Urlaubszeit und Geld. Fehlt beim Reparieren mal ein Teil, hilft der Nachbar gerne aus. Und kann der nicht helfen, findet sich schnell wer anders aus dem Rallyetross oder von einheimischen Werkstätten oder Schrottplätzen. Die Breslau ist eine verschworene Gemeinschaft, viele kennen sich seit Jahren und Jahrzehnten. Auch Andreas und Felix berichten davon: „Wir bekommen hier großartige Unterstützung. Jeder hilft uns, egal ob Orga-Team oder die Nachbarn auf dem Campground. Und sogar wir konnten bereits anderen mit Ersatzteilen aushelfen.“ Stolz lässt Andreas sein Blick über das im Gras ausgebreitete Ersatzteillager des Defender streifen. Das ist die Abenteuer-Rallye Breslau, wie man am Lagerfeuer über sie erzählt.
The Rallye-Spirit – eine Legende aus vergessenen Zeiten?
Aber einiges hat sich gegenüber den Anfgangszeiten der Rallye verändert. So wird die Realisierung der Rallye von Jahr zu Jahr schwieriger. Die Genehmigungen dauern länger und Strecken werden begrenzter. In vielen Restriktionen und Mahnungen der Orga schwingt die Angst mit, die Genehmigung für die Zukunft nicht mehr zu bekommen. Auch die Zahl der Teilnehmer geht zurück. Waren es in früheren Jahren schon mal 300 Motorräder und Fahrzeuge, so sind es dieses Jahr noch knapp ein Drittel. Neue, junge abenteuerlustige Teams gibt es nur noch eine Handvoll.
Vielleicht kann man Matthias und Martin Hertwig mit ihrem Suzuki Samurai zu diesen Teams zählen. Die beiden Bayern sind Brüder und studierte Ingenieure. Ihr Samurai ist bereits langjähriger Bekannter auf der Breslau und von den beiden immer wieder liebevoll modifiziert worden. Wir staunen nicht schlecht, als sich der kleine Wilde mit schneller Winde an den übrigen Extremklasse-Teilnehmer vorbeiwincht und die prestigeträchtige Stage des Hauptsponsors gewinnt. Die Winde ist natürlich auch selbstkonstruiert. Ehrensache!
Die beiden stört dann auch nicht weiter, dass sie mit gut 41 Stunden insgesamt gut 15 Stunden länger brauchten, als die späteren Sieger der offenen Extrem-Klasse Jim Marsden und Helder Da Rocha des Gigglepin ORA Teams mit ihrem Defender-Prototyp. Die Zieleinfahrt feiern sie genauso wie die Gewinner. Und das mit Recht. Die Einfahrt ins Ziel, ist schließlich ein großartiger Erfolg und verdienter Lohn für die langen und teuren Stunden Arbeit am Boliden.
Professioneller Anspruch und doch große Nachwuchssorgen
Aber wieso gibt es nicht mehr abenteuerbegeisterte Teams und wieso fehlt es an Nachwuchs? An den Möglichkeiten, der Professionalität und Modernisierung liegt es sicher nicht: acht Tage Rallyefeeling pur, meistens mit zwei Wertungsprüfungen, die nicht einfach nur im Kreis führen, sondern abwechslungsreich gesteckt sind. Dazu eine Nacht-Stage und drei Camps, die während der Woche angefahren werden. Echtes Rallyefeeling eben, das es so nur noch selten in Europa gibt.
- Die Organisation ist klar und strukturiert, hat einen hohen Sicherheitsanspruch an Fahrzeuge, Fahrer und Begleiter. Bewiesen durch die detaillierte Fahrzeugabnahme, Erste-Hilfe-Unterweisung und unzähligen Sicherungsposten auf den Strecken sowie der permanenten GPS-Überwachung der Rennfahrzeuge.
- Ein funktionierendes und eingespieltes Berge- und Rescue-Team, das im Fall der Fälle immer zur Hilfe und Unterstützung bereit ist.
- Livetracking aller Teilnehmer auf den Stages im Internet oder sogar die Liveübertragung via Facebook.
- Ein gutes Catering, ordentliche sanitäre Infrastruktur in den drei Camps sind ebenso obligatorisch, wie die mehrsprachige morgendliche Fahrerbesprechung.
All das kostet natürlich. Das hohe Startgeld und der hohe Anspruch an das eigene Race-Car mit Käfig und Sicherheitsausstattung sind für einen Nachwuchs-Rallyefahrer oft abschreckend und ohne Sponsor schwer finanzierbar.
Als wir Alexander Kovatchev, dem bulgarischen Besitzer und Direktor der Rallye Breslau Poland, aufmerksam bei der abschließenden Preisverleihung und Abschlussfeier zuhören, wird deutlich, dass er sich der Nachwuchsproblematik bewusst ist. Er sieht die Rallye als langjährig bewährte Veranstaltung, die seines Gleichen sucht. Veränderungen müssten entsprechend vorsichtig vollzogen werden. Das grundsätzliche Konzept werde sich unter ihm nicht ändern. Auf Neuerungen dürfen wir trotzdem gespannt sein. Vielleicht in Form einer Einsteiger-Klasse, die weniger Veränderung und finanzielle Mittel voraussetzt?
Eines wird nach acht Tagen Staub, Matsch und Dieselgeruch klar: Der oft angesprochene und von vielen vermisste Wunsch nach dem alten Spirit der Legende Breslau hat weiterhin Bestand. Die Zeit, in der es ein Zusammenkommen Gleichgesinnter war, man nur aus Spaß an der Freude fuhr und abends gemütlich beisammen saß, ist noch nicht vorbei. Wenn wir genau hinsehen, den Staub beiseite pusten, dann finden wir ihn bei den Rallye-Leuten 2018 überall wieder:
- Im Engagement des Orga-Teams, das alles dafür tut, dass es für alle so angenehm ist, wie nur irgendwie möglich.
- Der Begeisterung von Martin und Matthias für ihre funktionierenden Konstruktionen im Samurai.
- Der extremen Abenteuerlust von Andreas und Felix.
- Oder aber einfach dem „Niemand-wird-zurückgelassen“-Charakter, der, wenn es mal hart kommt, bei den meisten Fahrern Vorrang hat vor dem Streben nach Platzierungen.
Legenden haben den Ruf, niemals zu sterben und sich immer wieder aus dem Staub zu erheben. Wir freuen uns darauf!
Die Rallye Breslau Poland – Daten und Fakten
Die Rallye Breslau Poland ist einzigartig in Europa. Die Wochenrallye mit acht Rallye-Tagen wird als Roadbook-Tour gefahren. Die meisten Etappen haben 100 und 200 Kilometer. Mit Nachtstage und Übergangsetappen zwischen den drei Camps kommen bis zu 1.800 Rallye-Kilometer zusammen.
Nirgends sonst werden den Teilnehmern so viele Möglichkeiten geboten: gefahren wird per Enduro, per Quad, Side-by-Side, PKW oder Truck, in allen Fahrzeugklassen, teilweise sogar mit unterschiedlichen Streckenführungen für Zwei- und Vierrädler.
Bei PKW und LKW ist die Meldung in der seriennahen limited-Klasse oder der Open-Klasse für vollständig selbstgebauten Prototypen möglich. Steht man auf den besonderen Dreck und die besondere Herausforderung, gibt es für PKW und Truck neben der schnellen CrossCountry-Wertung auch die Extrem-Klasse, in der das Roadbook um besonders tiefe, steile oder schlammige Passagen ergänzt wird.
Dieses Jahr war dazu Premiere der neuen Breslau 500. Sie hat ein zeitlich abgespecktes Programm in Form einer dreitägigen Rallye am ersten Wochenende von Freitag bis Sonntag, ebenfalls zugelassen für alle Fahrzeugklassen. Sie soll damit die in Deutschland weggefallene Baja 500 auffangen und in die Breslau integrieren. Zusätzlich zählt sie zur Wertung der deutschen Offroad-Meisterschaften GORM. Ausscheiden kann man während der Rallye kaum. Vervollständigt ein Team eine Etappe mal nicht, gibt es Strafzeiten, das Team darf am nächsten Tag aber starten.
Platzierungen Rallye Breslau Poland 2018:
Enduro CC (17 teams finished):
- Andreas Brunold (AUT) mit KTM EXC 500 in 26:36:56
- Bernd von Osten (DEU) mit KTM 500 EXC-T + 00:27:41
- Aidas Bubinas (LTU) mit KTM EXC 350F + 00:50:37
ATV CC (9 teams finished):
- Nikke Harkjaer (DNK) mit Polaris Scrambler 1000 in 22:41:33
- Remigiusz Kusy (POL) mit Can-Am Renegade 1000R + 00:27:33
- Daniel Radzio (POL) mit Polaris Scrambler 1000 + 02:10:41
SSV CC (2 teams finished):
- Tomasz Wojtyra/Michal Szczurtek (POL) mit Can-Am Maverick X3 in 26:46:51
Car Limited CC (3 teams finished):
- Rick de Wit/Paul de Wit (NLD) mit Mitsubishi Pajero 3.5 GLS in 37:42:16
Car Open CC (7 teams finished):
- Brochocki Grzegorz/Komar Grzegorz (POL) mit Dacia Duster (Team overlimit) in 28:48:36
- Jaroslaw Andrzejewiski/MacieJ Radomski (POL) mit Kobra LC 90 (Team Walterteam.pl) + 01:21:57
- Richard Oguez (FRA)/Tobi Henschel (DEU) mit Land Rover Tomcat (Team Aventure Girousse) + 00:07:44
Truck Big CC (3 teams finished):
- Matthias Koerber/Maximilian Mock/Marko Wirl (DEU) (Team Nessi) in 58:39:50
Car Open EX (16 teams finished):
- Jim Marsden (GBR) /Helder Da Rocha (PRT) mit ORA Defender (Team Gigglepin Racing) in 26:33:33
- Romain Porchere/Christian Fraisse (FRA) mit Construmetal 4×4 + 00:20:07
- Frank Daurelle/Francoise Hollender (FRA) mit Land Rover Defender (Team Euro4x4Parts) + 03:35:15
Car Limited EX (4 teams finished):
- Gerrit Vogelsang (DEU)/Floor Dekkers (NLD) mit Mercedes G (Team Vogelsang) in 58:39:22
Truck Small EX (2 teams finished):
- Patrick Töpfer/Alfred Wemhoff/Danny Heyde (DEU) mit Mercedes Unimog 1300 (Team MZB) in 51:32:54
Truck Big EX (8 teams finished):
- Kay Messner/Nico Huth/Anja Wilhelm (DEU) mit MAN KAT (Team Rallye-Noobs) in 31:47:01
- Benjamin Kittler/Silvio Kelch/Marcus Brendes (DEU) mit MAN KAT (Kittler Racing Team) + 03:24:24
- Marcus Hönig/Stephan Bürger/Andreas Hönig (DEU) mit MAN KAT (Team Hönig Racing) + 01:46:23
Mehr zur Rallye Breslau Poland gibt es hier. Mehr Fotos von Dennis gibt es auf Instagram bei Matsch&Piste.
Fotos: Dennis Kroeschell, Overtheland.de