„Nach Norwegen, im Winter – bist Du wahnsinnig?“. So oder so ähnlich sind zumeist die Reaktionen, wenn es um die Pläne zu unseren Offroad-Reisen im Winter der letzten Jahre geht. Vorab, Geländewagenreisen im Winter sind eine wirklich tolle Sache, wenn die Reisenden ein paar Dinge beachten. Dazu möchte ich im Folgenden gern meine Erfahrungen teilen und ein paar Tipps geben.
Grundsätzliches zum Offroad-Reisen im Winter
Grundsätzlich erfordert das Reisen im Winter etwas mehr Planung und Vorbereitung. Weiter ist eine gründliche Bestandsaufnahme bei der Ausrüstung selbstverständlich und je nach Reiseziel auch zusätzliches Equipment angeraten. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich gut auf Kälte vorzubereiten, um die wunderschönen Winterlandschaften dann auch genießen zu können. Und genau darum soll es hier gehen.
Das Wichtigste vorab, das Wetter – gerade im Winter kann sich das Wetter schnell nachteilig verändern. Hier sollte jeder vorbereitet sein, dazu gehören mindestens Decken, zusätzliche (warme) Kleidung, Lebensmittel und sicherlich auch ausreichend Kraftstoff im Fahrzeug. Dazu später mehr. Für die Reiseroute eignet sich nach meiner Erfahrung das Motto „kein Plan ist ein guter Plan“, denn die Wetterverhältnisse ändern sich schnell und es kann auch überraschend zu Straßensperrungen kommen, sodass die Route geändert werden muss. Bei der Routenplanung sollte zudem die verkürzte Tageslicht Dauer berücksichtigt werden. Und zumindest vor Fahrten in weniger besiedelte Gebiete stets vorher eine zuverlässige Wettervorhersage einholen. Eine erfahrungsgemäß gute Seite dafür ist Yr.
Straßenzustand und Besonderheiten in den nordischen Ländern
Ähnlich wie die bekannten Internetseiten zur Befahrbarkeit der Alpenpässe, wie zum Beispiel die des ADAC, oder die vielen Islandreisenden sicherlich vertrauten Seite zum Straßenzustand und -sperrungen auf der Insel, gibt es auch sehr gute Seiten zum Straßenzustandsbericht in den anderen nordischen Ländern.
Für Norwegen ist dieses beispielsweise die Seite der dortigen Straßenverkehrsbehörde „Statens vegvesen“, welche in Form einer Landkarte Auskunft über Sperrungen und weitere Verkehrsmeldungen gibt. In Schweden gibt es das Pendant „trafikverkert“ und in Finnland die „Verkehrswetterwarnungen“ des Finnischen Meteorologischen Institutes.
Auf diesen Seiten lassen sich auch leicht Besonderheiten, wie zum Beispiel die „Konvoi-Pflicht“, dem „Kolonnekjøring“, erkennen. Nicht selten kommt es im Winter auch auf den Hauptstrecken (Europastraßen) zu zeitweiligen Sperrungen. Bei starken Schneeverwehungen bzw. starkem Schneefall wird dann häufig eine Konvoi-Pflicht eingerichtet. Das bedeutet, dass alle wartenden Fahrzeuge zu einem Konvoi zusammengefasst werden und an der Spitze und am Ende jeweils ein Räumfahrzeug fährt. Nicht selten können dabei für mehrere Stunden Warteschlangen entstehen mit entsprechender Wartezeit im Fahrzeug– wohl dem der bei deutlichen Minusgraden vorgesorgt hat, dazu später mehr.
Eine weitere Besonderheit in Lappland sind schwarze Plastiksäcke auf den Markierungsstäben am Straßenrand. Hier ist besondere Vorsicht geboten und erhöhte Bremsbereitschaft angesagt, denn so werden die Routen der Rentiere gekennzeichnet und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, hier auf zahlreiche Rentiere zu treffen, die auch gern mal unvermittelt die Straße überqueren.
Salz gestreut bzw. gelaugt wird zumeist nur auf den Schnellstraßen in der Nähe von größeren Orten, im Übrigen wird oftmals insbesondere im Kreuzungsbereich Sand gestreut. Vielerorts ist jedoch eine festgefahrene Schneedecke oder Eisplatten anzutreffen. Hier Bedarf es einer entsprechenden Ausrüstung und einer ruhigen, vorausschauenden Fahrweise – eigentlich wie im Gelände.
Vorsicht ist bei verschneiten kleinen Nebenstrecken geboten. Oft ist unter dem Schnee nicht auszumachen, wo die Abbruchkante beginnt, überschreitet man diese nur leicht, geht’s Schwupps ab in den Straßengraben. Hier hilft dann oft nur noch die Winde.
Die Ausrüstung für Offroad-Reisen im Winter
Wie auf jeder Reise, sollte das Fahrzeug natürlich in einem guten Zustand sein. Dazu gehört auch eine neue oder einwandfreie Starterbatterie. Bei letzterer kann es sich anbieten, sofern die Temperaturen jenseits der -30° Celsius fallen, die Starterbatterie über Nacht auszubauen und im Warmen unterzustellen wenn möglich. Ausreichender Kühlerfrostschutz sollte ebenfalls selbstverständlich sein. Dieser kann einfach mit einem Refraktometer überprüft werden. Ein Check sämtlicher Beleuchtungseinrichtungen vor Reiseantritt macht absolut Sinn.
Viele Dinge, die wir im Winter im Fahrzeug dabeihaben sollten, sind in den meisten Offroadern vermutlich ohnehin vorhanden. Dazu gehören beispielsweise eine ordentliche Schaufel, ein Campingkocher für kleine Mahlzeiten oder mal Heißwasser für einen Tee (oder Grog) zwischendurch, warme Decken bzw. gute Schlafsäcke, einfache, kalorienreiche Mahlzeiten als Notration, Feuerholz, -schale und Anzünder, Beil und Säge, Thermoskanne (mit heißem Tee), Anfahrhilfen, Abschlepp- bzw. Bergegurt u.v.m.
Darüberhinaus empfiehlt sich ein ausreichend großer Besen, um das Fahrzeug von Schnee zu befreien. Ein Handfeger reicht hier oft nicht aus, ob der Schneemenge und oft haben wir Geländewagenfahrer ja gern große Anbauteile am Auto, wie zum Beispiel einen Dachträger oder Stauboxen auf dem Dach, da stößt ein schnöder Handfeger schnell an die Grenzen.
Wichtig ist auch das Mitführen einer gewissen Menge Scheibenwaschflüssigkeit mit einer hohen Kältetoleranz. Zwar gibt es diese natürlich an Tankstellen oder in Supermärkten nachzukaufen, doch ein Kanister an Bord kann nie schaden, nach dem Motto besser vorbeugen als nichts sehen. Auch Ersatzwischerblätter schaden nicht, die Frontscheibe vereist gerne mal, der Verschleiß ist höher. Eine Plane zum Abdecken der Windschutzscheibe isoliert etwas, verhindert anfrieren und „kratzen“ am Morgen. Ein stabiler Eiskratzer sollte trotzdem nicht fehlen. Gegen das Anfrieren der Türdichtungen gibt es verschiedene Mittelchen im Zubehör. Achso, und der Türschloss-Enteiser gehört in die Jackentasche, nicht ins Auto – woher ich das wohl weiß?
Spezielle (Winter-) Ausrüstung
Sogenannte Innenraum- oder Motorwärmer sind gut bei sehr niedrigen Temperaturen. Hier bieten sich die klassischen Wasser- und Luftstandheizungen an. Ein Überblick zu Markt und Technik findet Ihr hier.
Neben Wasser- und Luftstandheizungen gibt es noch die 230 Volt Motorvorwärmer, die sich in Skandinavien und Kanada großer Beliebtheit erfreuen. Steckdosen finden sich vielfach an Supermärkten, Hotels, Parkplätzen und Restaurants. Ich habe damit ebenfalls gute Erfahrungen gemacht und seit Jahren einen OWL-Heizer im Einsatz. Dieser funktioniert im Prinzip wie ein Tauchsieder mit einer kleinen Umwälzpumpe. Die Montage des Vorwärmers erfolgt in der Rücklaufleitung vom Innenraumwärmetauscher zum Motor. So wird nicht nur der Motor warm, nein, es kommt auch gleich nach Einschalten des Fahrzeuggebläses angenehm warme Luft in den Innenraum.
Ein Tipp am Rande. Sofern man ohnehin gerade den Einbau einer Luftstandheizung ins Reisefahrzeug plant, bietet es sich eventuell an, bei der Verlegung der Warmluft-Ausströmer darauf zu achten, dass diese in der Nähe von Frischwassertank oder -kanister entlangläuft. So könnte gleich das Einfrieren des Frischwassers vermieden werden.
Ansonsten sind beheizte Spiegel eine prima Sache, denn oftmals neigen diese zu Beschlagen oder vereisen bei Temperaturschwankungen (Tunnel, Passstraßen, Flüsse in der Nähe). Für die Nachrüstung habe ich gute Erfahrungen mit Heizmatten aus dem Zubehör gemacht.
Immer wieder sieht man sogenannte „Radiator-Muffs“, eine Art Abdeckplane für den Wasserkühler. Der Einsatz ist sicherlich stark von Fahrzeug und Außentemperatur abhängig und ob so etwas benötigt wird, sollte jeder für sich ausprobieren. Ich habe so einen Kühlerschutz für extremere Temperaturen an Bord.
Angesichts der verkürzten Tageslichtdauer empfiehlt es sich auch über das Thema Beleuchtung nachzudenken. Auch wenn ich es vermeide auf Reisen im Dunkeln zu fahren kommt dieses immer wieder mal vor und da möchte ich eine gute Ausleuchtung nicht missen. Das betrifft sowohl den Nahbereich bei kleineren Reparaturen am Straßenrand oder dem Aufziehen von Schneeketten bei Dunkelheit und Bergeaktionen als auch das Fernlicht, dies insbesondere in Gegenden wo mit starkem Wildwechsel gerechnet werden muss.
Bereifung
Gute „echte“ Winterreifen, wie zum Beispiel Nokian Hakkapeliitta sollten selbstverständlich sein. Dazu bietet sich die Mitnahme von ordentlichen, schnell montierbaren, Schneeketten an. Das Anlegen der Ketten empfehle ich unbedingt vorher daheim im Warmen zu üben. Bei Kälte und im Schneetreiben kann das sonst eine fummelige Angelegenheit werden. Damit ist der Reisende schonmal gut gewappnet und man kommt vielerorts schon Mal ganz gut durch.
Auf den oft vereisten Straßen und je nach Wetterlage schnell wechselnden Straßenzuständen entlang der norwegischen Küste ist mir die Kombination Winterreifen und Schneeketten zu mühselig und wer einmal mit bespikten Winterreifen gefahren ist, möchte diese nicht mehr missen. Zudem bieten bespikte Winterreifen einfach deutlich mehr Sicherheit und damit entspannteres Fahren.
In Deutschland schon lange nicht mehr zulässig, sind Spikes im nordischen Winter alltäglich. Das erfordert für Reisende natürlich etwas mehr logistischen Aufwand und ist wahrscheinlich auch erst bei mehreren Winterreisen in den Norden lohnenswert. Für die Benutzung gibt es auch in den skandinavischen Ländern genaue Vorschriften, so ist die Benutzung auf Zeiträume, i.d.R. November bis März/ April begrenzt und einige Städte verlangen eine Sonderabgabe bei der Durchfahrung mit bespikten Reifen. Bitte vorher informieren über die aktuell gültigen Regelungen im jeweiligen Reiseland.
Weitere Verkehrsvorschriften, auch zur Winterreifenpflicht, in einzelnen Ländern, auf den Seiten des ADAC. Auch beim TÜV-Nord gibt es einen kleinen Ratgeber zum Thema Winterreifen und weitere Tipps zum Autofahren im Winter. Und auch mit der besten Ausrüstung, Spikes und Allradantrieb sollte eine vorsichtige und vorausschauende Fahrweise selbstverständlich sein.
Kraftstoff
In kälteren Regionen kann der Dieselkraftstoff Probleme machen. Die enthaltenen Paraffine können ausflocken, davon kann insbesondere der Kraftstofffilter betroffen sein. Ein versulzter Filter macht sich durch ruckelnden Motorlauf, Startschwierigkeiten und Absterben des Motors bemerkbar. Der Kraftstofffilter sollte natürlich ohnehin regelmäßig gewartet bzw. gewechselt werden. Insbesondere empfehle ich dies vor einer Reise in Gebiete, wo Frost erwartet wird.
In Mittel- bzw. Nordeuropa können wir uns in der Regel darauf verlassen auch entsprechenden Winterdiesel zu bekommen, sodass ein sicherer Betrieb gewährleistet ist. Doch auch hier gibt es lokale Unterschiede und ich kann nicht empfehlen, die Tanks vor Boarding der Fähre in den Skandinavischen Winter noch einmal vergleichsweise günstig in Deutschland zu betanken. Das hat schon bei dem ein oder anderen nach der ersten richtig kalten Nacht im Norden zu Startschwierigkeiten am Morgen geführt. Besser vor Ort tanken.
Auf Fernreisen führe ich zudem Additive mit, um den Diesel winterfest zu machen, sogenannte Fließverbesserer. Dies bietet sich immer dann an, wenn noch mangels Verfügbarkeit noch Sommerdiesel getankt wird, aber schon klar ist, dass die Reise kurz darauf in höhere, kältere Regionen verläuft.
Weitere Informationen zum Dieselmotor auf Fernreisen gibt es hier. Übrigens, der Artikel geht an dieser Stelle zwar im Wesentlichen auf Dieselkraftstoffe ein, doch auch Benzin gefriert bei etwa -45° Celsius. Besondere Aufmerksamkeit sollten wir im Winter auch der Tanknadel schenken und regelmäßig nachtanken bevor diese sich dem roten Reservebereich nähert. Geht der Sprit aus, geht auch die Heizung aus!
Motor- und Getriebeöle
Wir alle wissen, Öle werden bei Kälte dicker. Daher werden verschiedentlich andere Motor- und Getriebeöle für den Wintereinsatz empfohlen. Ich habe mir bei den Winterreisen dazu nie besondere Gedanken gemacht. Das Motoröl wird ohnehin vorgewärmt und ein „Warmfahren“ des Fahrzeuges ist selbstverständlich. Dies könnte ein Thema bei wirklich extremen Minustemperaturen sein.
Kommunikation
Je nach Reiseziel und Dauer bieten sich verschiedenste Kommunikationsmöglichkeiten an. Fast allen Geräten ist gemein, dass sie im Akkubetrieb laufen. Diese Akkus sind in der Regel kälteempfindlich und nicht selten ist beispielsweise der Akku des Mobiltelefons nach einer kalten Winternacht morgens leer. Hier bietet es sich an dieses nachts mit in den warmen Schlafsack zu nehmen. Dies kann auch für andere akkubetriebene Ausrüstungsgegenstände wie Kamera und Stirnlampe hilfreich sein.
Persönliche Ausrüstung
Bei der persönlichen Ausrüstung sollten, neben guter Winterbekleidung, eine gute Sonnenbrille, eine Stirnlampe (frühe und längere Dunkelheit) und warme (Arbeits-) Handschuhe zur Schneekettenmontage oder bei kleineren Reparaturen nicht fehlen. Auch ein praktischer wiederverwendbarer Taschenwärmer kann das Leben in der Kälte angenehmer machen.
Bei guter Vorbereitung kann so eine Offroad-Reisen im Winter ein echtes Vergnügen sein und für das Ertragen der Kälte wird der Reisende von atemberaubenden Ausblicken auf schneebedeckte Berge, märchenhafte Winterlandschaften oder wer weiß, gar von einem wunderbaren Polarlicht entschädigt.
© Fotos: Björn Eldracher