Die Reise von Dirk, Stef und Ayani beginnt ebenso abenteuerlich wie sie endet. Und auch mittendrin gibt es, neben den unglaublichsten Strecken, Abenteuer pur. Aber das war genau das, was sie wollten: Offroad und Abenteuer in Albanien.
So haben wir uns den ersten Tag nach dem Grenzübertritt in Albanien nicht vorgestellt. Irgendwo hinter Korce, unterwegs im Gebirge Mali i Gramizit macht unser Fluchtwagen, wie wir den Ducato liebevoll nennen, plötzlich Probleme. Er hustet und spuckt. Ein Komplettausfall der Elektrik, nichts geht mehr. Also fahren wir rechts ran, packen den Werkzeugkoffer aus und Dirk geht auf Fehlersuche.
Ich sitze mit einem frisch gekochten Kaffee im Gras, was man halt so macht, wenn ein unerwarteter Zwischenstopp zur Pause zwingt und schwelge in Erinnerungen: Nach der letzten Marokko-Tour durchs Atlasgebirge Weihnachten letzten Jahres waren wir Feuer und Flamme. Wir wollen mehr „offroad“ fahren und abgelegenere Gegenden erkunden. Da unser Ducato-Kastenwagen eigentlich nicht dafür gedacht ist, haben wir kurzerhand AT-Reifen und größere Felgen gekauft. Zusätzlich haben wir uns durch das Luftfahrwerk noch etwas mehr Bodenfreiheit erkauft und uns optimistisch in das nächste Abenteuer gestürzt. Ziel: Albanien: 3,5 Wochen, 5.000 Kilometer.
Albanien – wir wollen Abenteuer
Die Reaktionen und Kommentare aus unserem Umfeld waren im Grunde auch gleichen, die wir vor unserem Aufbruch nach Nordafrika kassieren durften. Von „Seid ihr verrückt? Nach Albanien?“, über „Was wollt ihr da denn?“ und „Ist das nicht gefährlich?“ war so ziemlich alles dabei, was einem die Lust auf fremde Länder verderben könnte.
Aber dem Fluchtwagenteam nicht. Wir, das sind Dirk (Allesfahrer, Allesreparierer), Stef (Routenplaner, Feelgoodmanager) und unser Rhodesian Ridgeback Ayani („Wie, Ihr wollt schon wieder los? Na denn …“) Nach ausführlicher Recherche über Land, Leute und Touren anderer „mutiger“ Reisender über Blogs und einschlägige 4×4-Zeitschriften geht’s endlich los.
Doch zurück zum Anfang: Als Übeltäter für das technische K.O. konnte Dirk schnell ein losgerappeltes Hauptstromkabel am Batterieverteiler ausmachen. Fahren abseits glattgeteerter Straßen fordert wohl seinen Tribut. Nach 10 Minuten Zwangspause läuft die Kiste wieder. Großartig, so ein Handwerker im Bus. Die Tour geht weiter über Serpentinen durch traumhafte Bergwelten.
Der Schreck im Bett
Wir übernachten auf einer Wiese neben einem alten Kalkbrennofen in der Nähe von Borova. Absolute Ruhe, nur wir, ein paar Ziegen … und eine Schlange in unserem Bett. Beim Bettenbauen sieht Dirk noch aus dem Augenwinkel, wie das Reptil zwischen Matratze und Wand verschwindet. Sein erster Gedanke ist die Flucht nach vorne, entscheidet dann aber, dass nicht er es ist, der gehen muss, sondern der ungebetene Gast.
Bis dahin hielt ich die Aufregung noch für einen schlechten Scherz. Erst als Dirk mit einer daumendicken, circa 50 Zentimeter langen Natter an mir vorbei zur Tür geht und sie aus dem Wagen befördert wird, mir klar, dass es keiner war. Wir fragen uns natürlich, wie die Schlange den Weg in unser Bett gefunden hat? Als uns am Tag davor am Ohrid-See ein plötzlicher Regenschauer überraschte, haben wir die Campingstühle einfach unter den Wagen gelegt.
Die Gelegenheit hat die Schlange anscheinend gleich genutzt, es sich darin gemütlich gemacht und wurde am nächsten Morgen mitsamt der Stühle einfach eingepackt.
Um an das Werkzeug für die Reparatur zu kommen, hat Dirk die Stühle auf das Bett gelegt und somit dem Tierchen eine noch komfortablere Option eröffnet. Nicht auszudenken, wenn die Gute nachts zum Kuscheln an uns hochgekrochen wäre!
Gib mir Gas
Der nächste Morgen empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein und einer ungewollten Planänderung. Beim Kaffee kochen haucht die Erste von zwei 5-Kilo-Gasflaschen ihr letztes Quentchen Propan aus. Eigentlich keine große Sache, da Nr. 2 bei uns entspannt für drei weitere Wochen ausreichen würde. Es reicht allerdings nicht aus, wenn man sich vor der Abfahrt zwar sicher ist, dass diese auch gefüllt ist, es aber nicht überprüft.
Schnell wird klar: Albanische Flaschen passen nicht. Da wir auch keine Adapter dabei haben, können wir unsere nicht an den Tankstellen füllen lassen. In Permet finden wir einen garagengroßen Laden, der Baumarkt, Sanitär- und Lampengeschäft in Einem ist. Dirk versucht dem Besitzer zu erklären, wo unser Problem liegt, baut sogar die halbe Gasanlage aus dem Ducato aus, aber leider findet sich nichts, was sich anpassen oder umbauen ließe.
Unsere letzte Hoffnung ist, die einsamen Berge hinter uns lassen. Obwohl wir diese eigentlich in den nächsten Tagen erkunden wollten. Statt dessen fahren wir 300 Kilometer in das touristisch erschlossene Sarande. Denn dort hoffen wir, dass auf einem der dortigen Campingplätze jemand ein Adapterset dabei hat. Und weil wir immer schön Karma sammeln, war es dann auch so. Totmüde angekommen, haben wir gleich beim 1. Urlauber Glück. Schnell die zwei Flaschen an der Nachbartankstelle aufgefüllt, WC leer gemacht, Wassertank gefüllt, geduscht und am nächsten Morgen fahren wir Eiltempo wieder in die Einsamkeit.
Einsame Berge und verfallene Militärposten
Südlich von Ksamil besuchen wir noch Butrint, eine historische Stätte an einer Lagune inmitten eines schattenspendenden Waldes gelegen und unterhalten uns am Fähranleger mit einem Fischer und seinem Freund, der sehr gut Deutsch spricht. Wir fragen ihn, ob es hier in der Nähe einen schönen Stellplatz gibt. Sein Tipp ist Gold wert. Ein versteckter, ziemlich holpriger Weg führt etwa 1 Kilometer entlang der Küste zu einem verfallenen Militärposten, den die Fischer als Anleger für ihre kleinen Boote nutzen.
Auf der kurzen Fahrt dahin hört es sich an, als ob 10 Hände mit langen Fingernägeln an der Karosserie entlang kratzen. Der Pfad ist kaum breit genug für unseren Fluchtwagen und die Dornenbüsche verpassen dem Lack ein schickes, neues Streifendesign. Doch der Blick auf die Lagune ist so traumhaft, dass wir drauf pfeifen und die Striemen nach dem Motto „Jeder Kratzer erzählt eine Geschichte“ abhaken.
Inmitten dieses Naturparks verbringen wir zwei wunderschöne Tage mit Blick auf die Dreiecksburg von Ali Pasha und Korfu. Dauerlächeln! Und Dirk war sogar im Meer, das habe ich das letzte Mal vor Jahren erlebt. Seine Angelversuche, mit Markisenstange und selbst gefeiltem Haken sind leider erfolglos. Der Fischer vom Anleger hat da mehr Erfolg, wir versuchen ihn hektisch ranzuwinken um ihm etwas Fisch abzukaufen, aber er interpretiert das Gefuchtel wohl als überschwänglichen Gruß, winkt kurz zurück und tuckert mit seinem Fang nach Hause. Gegrillt haben wir dann Kartoffeln und Würstchen.
Am blauen Auge
Von Ksamil aus fahren wir wieder in Richtung Norden, um die Region wenigstens teilweise nochmal in Ruhe anzusehen, durch die wir wegen der Gas-Aktion nur durchgeknüppelt sind. Erster Stop ist Syri I Kalter. Das „Blaue Auge“, ein touristisch gut frequentiertes Naturschauspiel bei Bistrice, bei dem aus unbestimmter Tiefe kristallklares Wasser in grossen Mengen gedrückt wird.
Auf dem weiteren Weg nach Gjirokaster über die E358 ist uns auf dem Tablet, das wir hier zum Navigieren verwenden, ein kleiner Stausee an der Abfahrt Goranxi aufgefallen. In traumhafter Kulisse mit Bergpanorama bleiben wir zwei Tage stehen und genießen absolute Ruhe. Nach einem Zwischenstop mit Burgbesichtigung in Gjirokaster steuern wir den Richtung Osumi-Canyon an.
90 Kilometer Piste vom Feinsten
Hier wird es spannend, da wir uns bezüglich der Route entscheiden müssen. Unser Reiseführer behauptet, der Canyon sei vom Süden her nur mit Offroad-Fahrzeugen zu erreichen und somit vom Norden nur als 90-Kilometer-Einbahnstraße zu besichtigen. Unsere Landkarte kennzeichnet die Strecke als normale Straße und auch die Einheimischen sind der Meinung, das sei überhaupt kein Problem. Ein tiefer Blick, ein Lächeln, wir wollten doch Abenteuer, also los!
Unser Mut wird belohnt: Eine der geilsten Strecken, die wir jemals mit dem Fluchtwagen gefahren sind. Uns kommen nur ein paar Geländewagen und Enduros entgegen, ansonsten übelste Piste, teilweise knapp an steilen Abhängen entlang, mit engen Serpentinen und steilen Aufstiegen. Die Krönung ist ein von einer Bauernfamilie geführtes Freiluftcafé nach dem härtesten Teil der Strecke, wo wir mit leckerem Espresso, frischem Gebäck und selbstgemachtem Honig verwöhnt werden.
Gigantische Ausblicke
An einem der schönsten Canyonabschnitte übernachten wir hinter der Abfahrt Blezencke an einer Brücke mit direktem Blick in die Schlucht. Hier genießen wir den vorher an der Straße gekauften und vor unseren Augen „erlegten“ Fisch mit Bratkartoffeln.
Am nächsten Morgen rollen wir weiter über Berat, die „Stadt der tausend Fenster“ wieder ans Meer zur Lagune von Divjake, wo wir uns direkt auf dem drei Kilometer langen und bis zu 300 Meter breiten Strand für zwei Nächte breit gemacht haben.
Unsere spontane Platzwahl stellt sich zwar im Nachhinein als suboptimal heraus, da um uns herum schon mal der Strand für die bevorstehende Saison vorbereitet wird. Ebenso wie die Bauarbeiter von der Baustelle nebenan für ihren Bausand einfach mal die Dünen abtragen. Aber so kommt wenigstens keine Langeweile auf.
Unser Albanien-Trip neigt sich leider dem Ende entgegen. Von Durrës aus fahren wir ein Stück nach Norden und machen wieder einen Abstecher durch das Kurbingebirge entlang am Liqenii Ulzes Stausee in die Bergwelt Albaniens. Ein kleiner Navigationsfehler bringt uns einen unglaublich schönen Stellplatz für zwei Nächte ein.
Chaos pur am Koman-Stausee
Wir stehen mitten in einem Flussbett auf einer erhöhten Sand-/Kiesbank, beidseitig vom Fluß umströmt und werden abends von einem Froschkonzert in den Schlaf gequakt. Von dort nehmen wir die letzte Etappe in Angriff. Die Tour geht am Koman-Stausee entlang. Wahnsinnig tolles Berpanorama, gespickt mit allem, was der Straßenbau hier zu bieten hat oder auch nicht.
Wir kommen am frühen Nachmittag am Fähranleger in Koman an, den man durch einen knapp 500 Meter langen One-Way-Tunnel ohne Ampel (wer als erster kommt, fährt zu erst) erreicht. Wir enden an einem sehr übersichtlichen Anleger und sind der achte Wagen, womit das Maximalvolumen des Platzes dann ausgeschöpft ist.
Weitere Ankömmlinge müssen entweder im Tunnel warten oder zurück fahren und vor dem Tunnel die Nacht verbringen. Chaotisch wäre noch fast zu harmlos, um das Treiben hier zu beschreiben. Es legt derzeit einmal am Tag eine kleine Fähre ab und schippert einen in zwei bis drei Stunden gemütlich durch die Schluchten, durch die sich der Stausee schlängelt, in den Ort Fierze. Die Idee: Fahrt am nächsten Morgen bis Fierze, danach durch die Berge zurück. Ein schöner Abschluss für unsere Tour. Dachten wir.
Vergeblich versuchen wir bei einem total zugedröhnten, sich selbst zum Prinz von Albanien ernannten, Verkäufer Tickets für die Fähre am nächsten Morgen zu bekommen, die angeblich schon auf 11 Tage ausverkauft sein sollte.
Glücklicherweise kommt die Erlösung durch den eigentlichen Angestellten der „Fährgesellschaft“, der uns einen Platz nach Rücksprache mit dem Kapitän und Zahlung von knapp 75 Euro besorgen kann. Interessant ist, dass es keine Preisschilder gibt, Informationen aus dem Netz wohl nicht greifen und jeder nach einen ganz persönlichen Gespräch seinen ganz eigenen Preis bekommt. Das nenne ich mal individualisiertes Marketing.
Nach dem Schreck, der Schreck
Danach hätte es eigentlich ein entspannter Abend am Anleger werden können, wenn der zugekiffte Touri-Skipper nicht seine beiden Hunde hätte kommen lassen, von denen der Rüde es dann auf Ayani abgesehen hat.
Von da beginnt Dirks schmerzhafte Exkursion in das albanische Gesundheitswesen, weil der Straßenköter statt Ayanis Hals mal eben sein Gebiss in Dirks Unterarm gerammt hat. Mit einer stark blutenden Wunde fahren wir einen Kilometer über übelste Holperpisten zurück in den eigentlichen Ort zur „Krankenstation“.
Die befindet sich auf etwa 3×3 Meter an einem Privathaus und ist zu Dirks Eintreffen schon mit einem Infusionspatienten und der Krankenschwester gut gefüllt. Die Tochter des Hauses wird zum Dolmetschen herbeizitiert, mal eben den Kittel mit dem Feinkost-Schriftzug übergeworfen und dann wird desinfiziert (Ablaufdatum 2014). Dirk bekommt noch eine Tetanusspritze in den Hintern gejagt und die Bisswunde wird kunstvoll genäht. Nachdem der Patient mit Antibiotika versorgt ist, werden wir zur Kontrolle am nächsten Morgen vorgeladen.
Die Notaufnahme von Shkoder
Dann bringt leider eine Infektion das vorzeitige Ende der Tour. Die Fährfahrt hatten wir durch Dirks leicht lädierten Zustand bereits abgesagt und die Rückreise in Angriff genommen. Doch statt einigermaßen entspannter Rückfahrt, gibt es noch ein Sightseeing in der Notaufnahme von Shkoder.
Sogar das Klinikum dieser Großstadt wirkt hygienisch nicht wirklich vertrauensvoll, aber was soll’s. Wir wollten Abenteuer. Unseren letzten Abend in Albanien verbringen wir auf dem Parkplatz des trendigen Restaurants Arbri, in einem Naturschutzgebiet nördlich von Shkoder kurz vor der Grenze.
Der Kellner folgt mir etwas ungläubig, bepackt mit Essen, das für sechs Personen reichen dürfte, auf den Parkplatz Richtung Wohnmobil. Was mag ihn da erwarten, wenn der Mann, für den das Essen hergetragen wird, das Auto nicht verlassen kann? Ich öffne die Schiebetür und aus dem hinteren Teil des Wagens grinsen uns Ayani und Dirk an, leicht lädiert, aber glücklich. Was soll ich sagen? Albanien? Wir würden’s wieder tun!
Das Fluchtwagen-Team aus Münster sind Dirk, Allesfahrer und Allesreparierer sowie Stef, kreativer Routenplaner und Orga. Mit der Crew: Ayani, Feelgoodmanager. Mehr von ihnen findet ihr Facebook oder auf Vimeo.
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Wenn ihr selbst mal nach Albanien wollt, solltet ihr euch den Offroad-Reiseführer Albanien von der Pistenkuh einmal genauer ansehen.