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Einfach MACHEN! – Interview mit Thilo Vogel

Thilo ist Ingenieur, Fotograf und Dachzeltnomade. Seit Juli 2016 lebt er in seinem Ford Mondeo und schläft dauerhaft im Dachzelt. Auch im Winter. Im Juni fand im Mammutparkt das zweite von ihm organisierte Dachzelt-Festival statt. Wie es dazu kam, dass er ins Auto gezogen ist und was ihr auf dem Dachzelt-Festival alles verpasst habt, könnt ihr hier lesen.

Wie bist du darauf gekommen, in deinen Wagen bzw. ins Dachzelt zu ziehen?

Das war Zufall. Ich hatte lange den klassischen Weg verfolgt: Schule, Zivildienst, Maschinenbau-Studium. Nach dem Diplom hatte ich dazu aber keine Lust mehr und habe ich mich als Fotograf selbständig gemacht. Später hatte ich sogar ein eigenes Fotostudio mit Mitarbeitern. Aber eines hatte ich nicht: Zeit. Zeit für Urlaub, Zeit für Dinge, die mir Spaß machen. Ich wollte nicht mehr nur Kundenaufträge erfüllen oder Jobs hinterherlaufen. Nach einem dreiwöchigen Segeltörn 2013, dachte ich, dass es eigentlich doch so weitergehen könnte. Schließlich hatte ich da auch nicht viel gebraucht.

Interview Thilo Vogel von den Dachzelt Nomaden übers Dachzelt-FestivalDann begann ich zu reduzieren. Ich habe Dinge aussortiert, weggeworfen und verschenkt. Dabei habe ich mir immer wieder Fragen gestellt. Wie viele Löffel brauche ich in meiner Besteckschublade? Wie viele Teller, wie viele T-Shirts, Unterhosen? So ist das alles Stück für Stück weniger geworden.

Natürlich gab es auch Dinge, von denen ich mich nicht gleich trennen wollte. Die habe ich in Kisten gepackt und ein Verfallsdatum drauf geschrieben, wenn ich die Sachen bis zu diesem Datum nicht gebraucht habe, landeten sie im Müll oder ich habe sie verschenkt. Auf keinen Fall darf man in solche Kisten vorher noch mal reingucken.

Immer wieder habe ich gedacht: „Das kann man doch noch brauchen!“ Aber davon muss man weg, sonst fängt man wieder an zu sammeln.

Thilo Vogel Dachzeltnomaden-FestivalIrgendwann hatte ich dann nur so wenig, dass ich den nächsten Schritt gehen konnte, die Wohnung kündigen und ins Auto ziehen. Das war ein großer Schritt, aber da ich mich in den vier Jahren zuvor im Reduzieren geübt hatte, fiel mir dieser Schritt dann leicht. Während dieser Zeit habe ich das Auto umgebaut und geschaut, was kann ich beim Umbau noch einfacher und besser machen.

Typischerweise entscheidet man sich als Nomade im Auto eher für einen Geländewagen oder einen Bulli. Du hast einen Kombi und ein Dachzelt gewählt. Warum?

Ich hatte den Mondeo neu und er war gerade abbezahlt. Der Wagen fühlte sich gut an und alles klappte. Also suchte ich nach Möglichkeiten, den Kombi in einen Camper zu verwandeln. Das Bettzeug nahm mir im Wagen allerdings zu viel Platz weg. Ein Dachzelt erschien mir da als gute Lösung in Kombination mit einem einfachen Ausbau im Wagen.

Den Beifahrersitz habe ich rausgenommen und eine Tischplatte eingebaut, damit ich hinten auf der Rückbank sitzen und arbeiten kann. Die Rückbank ist jetzt zweigeteilt, die linke Seite besteht aus einer Holzfläche, so dass ich daraus zur Not noch eine Liegefläche schaffen kann. Hinter die Rückbank habe ich Schränke gebaut. Und der Stauraum unter einer Holzplatte dient mir als Keller. Unglaublich wie viel Raum in so einem Kombi ist, wenn man den ganzen Schaumstoff rausnimmt. Die Reserverad-Mulde dient mir als Kühlschrank. Da halten sich Lebensmittel erstaunlich kühl.

Welchen Vorteil hat ein Dachzelt auf einer Langzeitreise gegenüber einem Bulli oder einem Geländewagen.

Ein Kombi mit einem Dachzelt hat einige Vorteile. Zum Beispiel, dass ich zügig unterwegs sein kann, wenn ich will. Manchmal will man einfach ein paar Kilometer abreißen. Das geht mit einem Kombi natürlich besser und günstiger mit großen Fahrzeugen.

Ich bin recht kompakt unterwegs. In der Stadt passt der Wagen in jede Parklücke und ins Parkhaus. Parkplätze nutze ich auch häufig als Übernachtungsmöglichkeit, das ist mit einem Kombi mit Dachzelt schon recht unaufwendig.

Interview Thilo Vogel von den Dachzelt Nomaden übers Dachzelt-FestivalDass mir die Geländefähigkeit fehlt, wurde mir auch schon mal zum Verhängnis. Aber das ist auch lustig. Vor allem macht es Spaß herauszufinden, was so ein Kombi alles kann. Hätte ich einen Geländewagen, wäre ich nie auf die Idee gekommen, mit dem Kombi in den Matsch zu fahren. So habe ich Offroad-Fahren im Zweiradbetrieb gelernt.

So viel Platz wie im Geländewagen brauche ich nicht, da ich sehr reduziert unterwegs bin. Ich habe auch kein Vorzelt, weil ich nur selten lange an einem Ort bleibe.

Du bist mit dem Dachzelt auch im Winter unterwegs? Hast du eine Standheizung im Dachzelt oder reicht dir ein dicker Schlafsack?

Mir reichen mehrere Schichten Kleider und meine Decke. Allerdings habe ich die Wärme einer Heizdecke sehr zu schätzen gelernt. Die lege ich auf die Matratze, lege noch eine Steppdecke drauf und dann kommt der Spannbettbezug. Einen Schlafsack habe ich zwar, aber den benutze ich nur selten. Die Luft bleibt mit der Heizdecke zwar immer noch kalt, aber man selbst bleibt warm. Das hab ich bis -10 Grad ausprobiert. Alles darunter ist mir dann doch zu kalt.

Interview Thilo Vogel von den Dachzelt Nomaden übers Dachzelt-Festival

Du hast die Dachzelt-Nomaden Facebook-Gruppe gegründet, die ziemlich durch die Decke gegangen ist. Warum glaubst du, sind Dachzelte momentan so im Kommen?

Es ist eine flexible und einfache Lösung ins Camping einzusteigen. Man hat dieses Freiheit-, Abenteuer- und Draußensein-Gefühl, aber nicht den Nachteil, den man beim normalen Zelten empfindet. Schließlich ist man nicht dem ganzen Kriechzeug ausgesetzt. Du stehst über den Dingen und es fühlt sich fast an, wie in einer Baumhöhle. Dazu kannst du die Aussicht an verschiedenen wunderbaren Plätzen genießen.

Interview Thilo Vogel von den Dachzelt Nomaden übers Dachzelt-FestivalVor allem brauchst du dir kein anderes Fahrzeug anzuschaffen, das du vielleicht noch umbauen musst. Dachzelt aufs Auto schnallen, Klamotten in den Kofferraum und los geht’s.

In diesem Jahr fand zum zweiten Mal das Dachzelt-Festival statt. Der Erfolg hat dich ziemlich überrascht. Erzähl doch mal.

Wir hatten ungefähr 500 Besucher auf dem diesjährigen Dachzelt-Festival einplant. Gekommen sind 1.800. Das war schon krass. Ich hätte nie erwartet, dass die Besucher, Aussteller und auch das Team so abfeiern und Spaß haben würden.

Dachzeltnomaden-Festival 2018
Dachzelt-Festival 2018 © Dennis Kroeschell

Das Festival war nicht nur ein Treffen, sondern es gab eine Menge Programm. Da waren Workshops, Vorträge, Action, Kinderbetreuung, Messe und Musik.

Dachzeltnomaden-Festival 2018
Dachzelt-Festival 2018 © Michael Heinrich

An Workshops gab es eine bunte Palette: Dachzelt selbst bauen, Mut zum Selbstausbau, Ultra-Leichtbau-Schubladensystem im Kofferraum, auf offenem Feuer kochen, Offroad für Einsteiger, Minimal Waste, Yoga, Klangschalen, Geo-Caching. Viele Reisende haben einen Vortrag gehalten, darunter The Sunnyside, Die Ausreißer – zwei Jahre Panamericana mit Kind und Kegel und Marcel von Driving Lust übers Rallye fahren.

Dachzeltnomaden-Festival 2018
Dachzeltnomaden-Festival 2018 © Michael Heinrich

Neben den Vorträgen hatten wir auf dem Dachzelt-Festival auch ein Bloggercamp. Ich hatte ein paar Leute aus der Szene eingeladen, die ich selber ganz spannend finde. Ursprünglich war das nur gedacht als spontane Aktion, kommt doch mal rüber. Das Festival sollte ohnehin offen für alle sein, niemand braucht ein Dachzelt um dabei sein zu dürfen. Die Blogger standen dann im Kreis um das Lagerfeuer und die Besucher fanden das prima, weil sie die Leute treffen konnten, die sie bisher nur aus dem Netz oder von Youtube kannten.

Wie sieht deine Planung für die kommenden Monate aus?

Mein Traum ist es, mit einem Käfer mit Dachzelt von Feuerland nach Alaska zu fahren. Diesen Traum habe ich seit ich 18 bin. Jetzt bin ich 39. Im Herbst diesen Jahres geht es los. Ursprünglich wollte ich den Käfer hier kaufen und auch ausbauen. Davon bin ich aber wieder ab. Ich reise nur mit Handgepäck nach Südamerika und versuche dort einen Käfer und ein Dachzelt zu finden. Das ist für mich Teil des Abenteuers.

Spannend wird für mich auch, zu sehen, wie viele Dinge ich wieder anschaffen werde. Werde ich wieder so viel haben, wie jetzt im Mondeo? Schließlich reduziere ich nicht von Haus auf Auto, sondern stocke auf vom Handgepäck. Was werde ich mir kaufen? Wo ist mein Minimum, das mich glücklich macht.

Welchen Tipp würdest du Leuten geben, die auch in einen Bus oder Geländewagen ziehen wollen?

Ich würde ihnen empfehlen, eine individuelle Lösung zu finden. Was für mich passt, muss für andere noch lang nicht passen. Inspirationen zu holen ist toll, doch letztlich muss man es selbst ausprobieren. Anfangs habe ich mir auch viele Gedanken gemacht und mir viel angesehen. Ich hätte auch in einen LKW, einen Bus oder in einen ausgebauten Pferdeanhänger ziehen können.

Wenn mich jemand fragt, welches Dachzelt er kaufen soll, dann antworte ich immer: „Leih dir eins und stell dich damit in den Garten. Dann wirst du wissen, was funktioniert und was nicht.“ Die Leute sollten sich rantasten und nicht alles verkomplizieren.

Einfach machen. Ewig habe ich über den perfekten Grundriss, die beste Planung und das Budget nachgedacht. Doch das wurde mir irgendwann zu viel. Also hab ich mit einfachsten Mitteln versucht, eine Lösung zu finden und sie getestet. Die dann immer wieder angepasst, bis ich wusste, das reicht jetzt. Und dann los. Denn darauf kommt es an: Einfach machen und dabei Abenteuer erleben!

Interview Thilo Vogel von den Dachzelt Nomaden übers Dachzelt-FestivalHier findet ihr die Facebook-Gruppe zu den Dachzeltnomaden.

Fotos: Thilo Vogel, Vogel Adventure