On the road – Unterwegs. Das ist nicht nur Titel des gleichnamigen Beat-Generation-Kultbuches, sondern auch irgendwie Motto unseres Roadtrips nach Albanien. Mit Jeep, Dachzelt und viel Abenteuerlust ausgestattet, geht es durch Balkanien ins Land der tausend Bunker auf der Suche nach Sonne, Strand, Offroad und mehr! – Ziel: Offroad in Albanien.
Einreise mit Wartezeit
Tag 1. – 11. Juli – So knapp vorm Ziel und nun das. Sprichwörtlich vor der Nase liegt es da: Das kühle Nass und die damit verbundene Aussicht sich mit einem beherzten Sprung vom Schweiß und den Strapazen der letzten acht Stunden auf die wohl bestmögliche Art und Weise verabschieden zu können. Doch nichts da. Staub, Schmutz und Müdigkeit verbeißen sich in unsere Knochen, denn wir stehen Schlange. Stoßstange an Stoßstange. Nichts geht mehr am Grenzübergang Han i Hotit. Zwar warten wir erst eine Dreiviertelstunde, doch nach einem schmelzofen-heißen Julitag auf teilweise übelsten Straßen, zwei nervenzehrenden Grenzübertritten und gefühlt halb Ex-Jugoslawien mit uns im Schlepptau, freuen wir uns nur noch endlich in Albanien anzukommen.
Meine bessere Hälfte Antonia rutscht ungeduldig im klebrigen Ledersitz umher, während ihre sehnsüchtigen Blicke im vor uns glitzernden Skutari-See untergehen. Zum Greifen nah, aber doch so fern. Unter Begleitung eines imposanten Hupkonzerts rasselt ein betagter Mercedes an unserer Kolonne vorbei, nur um in letzter Sekunde vor einem geschlossenen Grenzbalken gerade noch abzubremsen. Schon stürmt ein erbost gestikulierender Beamter herbei, wild entschlossen dem heimischen Mad Max Einhalt zu gebieten. Geistig höre ich schon die Handschellen klicken, doch als der wütende Vertreter des Gesetzes den Fahrer erblickt, verstummt sein Gezeter, macht auf dem Absatz kehrt, öffnet mit einem kurzen Salut den Grenzbalken und lässt den qualmenden Diesel mit quietschenden Reifen ziehen. Willkommen am Balkan!
Unerwartet guter Campingplatz
Als wir knapp 40 Minuten später das Ziel des Tages erreichen, wähnen wir uns in einer ganz anderen Welt. Obwohl wir uns eigentlich fest vorgenommen haben Campingplätze zu meiden, entpuppt sich das Lake Shkodra Resort als wahrer Glücksgriff. Direkt am Skutari-See gelegen, mit erstklassiger Infrastruktur sowie angeschlossenem Strandrestaurant ausgestattet, bietet er alles, was unsere erschöpften Herzen begehren. Wir parken unseren Cherokee in einer schattigen Ecke, kurbeln unser Dachzelt in Stellung und stürzen uns gleich in die angrenzenden Fluten. Herrlich! Obwohl bereits halb sieben abends, lassen wir uns im knapp 28 Grad warmen Wasser treiben, genießen das beeindruckende Ambiente des größten Sees der Balkanhalbinsel und lassen uns erst von der langsam untergehenden Sonne aus dem behaglichen Nass vertreiben.
Endlich richtig angekommen
Bei einer ausgiebigen Fischplatte und einheimischen Wein beschließen wir unsere erfolgreiche Einreise nach Albanien und freuen uns, dass unser Urlaub nun erst so richtig losgeht. Den ersten Tag im Lande gehen wir gemütlich an. Wir erholen uns von der zweitägigen Anreise, kosten Sonne sowie See ausgiebig aus und treffen uns abends im naheliegenden Shkodra mit einer ehemaligen Studienkollegin von Antonia, die hier aufgewachsen ist. Wir nutzen die Gelegenheit bei einem der unzähligen Straßenhändler unsere Euro gegen ein fettes Tausender-Bündel albanischer Lek-Scheine einzutauschen und kommen in den Genuss einer persönlichen Stadtführung durch die fünftgrößte Stadt Albaniens.
Ein bisschen Italien, ein bisschen Türkei – Der Flair Shkodras
Über die imposante Ebu Bekr-Moschee stürzen wir uns in die Flaniermeile Kole Idromeno mit all seinen bunten Geschäften, Cafés und Restaurants. Man riecht an jeder Ecke den Duft frisch gebratener Maiskolben, hört von den schlanken Türmen das Gebet des Muezzin, während herumtollende Kinder und innig schlendernde Pärchen das Stadtbild prägen. Venezianische Kultureinflüsse wechseln sich mit orientalischen ab, manchmal fühlt man sich an Italien und ein paar Sekunden später schon wieder an die Türkei erinnert. Je später es wird, desto mehr verlieben wir uns in die schmalen Gässchen der Altstadt, das pulsierende Leben und das Flair Shkoders.
Die Heimfahrt per Taxi gibt uns dann erstmals einen Einblick was es heißt, bei Einbruch der Nacht in Albanien unterwegs zu sein: Außerhalb der Stadt kaum funktionierende Straßenbeleuchtung, Tiere sowie Passanten mitten auf der Straße und Kanaldeckel große Schlaglöcher sorgen dafür, dass wir spätnachts plötzlich wieder hellwach werden.
Zum Tal von Theth
Gen Norden lautet die Devise am nächsten Tag. Wir wollen über den nahen Einstieg ins mythenumwobenen Tal von Theth, eine der letzten naturbelassenen, schwer zugänglichen Bergregionen Europas. Wander-, Kletter- und Offroad-Paradies gleichermaßen, welches bisher vom großen Tourismus unentdeckt geblieben sein soll. Bei Letzterem bin ich mir mittlerweile nicht sicher, angesichts der unzähligen professionell aufgebauten 4×4-Fahrzeuge auf dem Campingplatz.
Wir sind gerade dabei uns langsam abreisefertig zu machen, als ich von einem jungen Typen Marke braungebrannter Surferboy mit breitem schweizer Akzent angesprochen werde: Ob ich denn Kartenmaterial von Albanien besitze? Er und seine dreiköpfige Reisegemeinschaft befinden sich nämlich auf dem Weg nach Aserbaidschan um ein Bier zu trinken (!), nutzen zur Navigation eine Gratis- App und wollen in Albanien noch lohnenden Offroad-Strecken für ihre zwei Geländewagen finden, die sie für insgesamt 4.000 Euro erstanden haben.
Erst als mein Gegenüber nicht lacht, merke ich, dass das kein Scherz war und meine Verdutztheit wandelt sich genauso schnell in Begeisterung, angesichts dieser herrlich anderen Reiseunternehmung. Ein fünfzehnminütiger Schnellsiedekurs in mein Albanienarchiv folgt: Abfotografieren, Vergleichen und Fachsimpeln.
Wir wünschen den Abenteurern viel Glück und brechen wenige Stunden später selbst auf, nordwärts Richtung Koplik. Über die SH21 folgen wir einem schmalen Teerbändchen ins bergige Landesinnere. Wir füllen unseren kleinen Kühlschrank noch mit Gemüse, Bier, Käse und besorgen eine fußballgroße Melone um unsere Bordküche zu verstärken. Das Ganze gibt’s umgerechnet um ein paar Euro an einem provisorischen Tante-Emma-Laden am Straßenrand mitten im Nirgendwo.
Raus aus der Zivilisation, rein in die Hitze! Endlich Offroad in Albanien
Das Thermometer hat längst die 30 Grad Marke überschritten, das Tal wird enger und auch die beeindruckenden Bergflanken rücken immer näher. Der V6 des Jeeps grollt untertourig, wir haben beste Laune, während wir der Zivilisation langsam aber sicher den Rücken kehren. Nur einmal müssen wir von der Straße, als uns ein tschechischer Geländewagen-Konvoi freundlich winkend überholt, welcher auch direkt der Dakar-Rallye entsprungen sein könnte. Wenigstens wissen wir jetzt, dass wir auf dem richtigen Weg sind!
Nach dem Dörfchen Boge lässt uns plötzlich ein perfekt ausgebautes Serpentinen-Paradies rasant an Höhe gewinnen und spuckt uns auf dem knapp 1.700 Meter über Meeresspiegel liegenden Pass Buni i Thores aus. Wow, was für ein Ausblick! Wir kommen zwischen den steinernen Schultern der uns umzingelnden, grauen Bergwelt zum Stehen. Links und rechts durchzogen von einem undurchdringlichen Grün, das jegliche neugierigen Blicke abzuhalten scheint. Wie ein Tor in diese scheinbare andere Welt, führt von nun an eine schmale Schotterpiste hinab ins zerklüftete Theth-Tal ins gleichnamige Dorf.
Vor uns liegen knapp 16 Kilometer Offroad in Albanien. Doch bevor wir wieder aufbrechen, entdecken wir die schweizerische Aserbaidschan-Expedition unter den zahlreichen Fahrzeugen am Passparkplatz. Was für ein Zufall! Da wir alle das gleiche Ziel haben, beschließen wir kurzerhand gemeinsam die vor uns liegende Strecke in Angriff zu nehmen. Unser Cherokee macht den Anfang, Darios Nissan Patrol mit Vanessa an Bord folgen und Sebi am Steuer des Chevy Blazer bildet mit Marc das Schlusslicht.
Alt aber rüstig
Keines der Fahrzeuge ist jünger als 16 Jahre, die Piloten mehr gelände-begeistert als -erfahren und ich gefühlt der Methusalem der Gruppe mit meinen 35 Lenzen. Zuerst ungesichert am Berg entlang, tauchen wir schon schnell unter das dichte Blätterdach auf eine ausgewaschene Schotterstrecke, gespickt mit engen Spitzkehren, teilweise rumpelig, aber fast immer nur mehr eine Fahrspur breit. Im Rückspiegel sehe ich Dario filmend auf den Trittbrettern stehend. Jeder hat ein breites Grinsen im Gesicht, während wir uns alle mit dem Fahren abwechseln, damit auch jeder in den Genuss dieses aufregenden Geländetrips kommt.
Theth – Jedes Haus ein Campingplatz
Als wir dann in der Talsenke ankommen, geht’s noch über eine traurige Betonbrücke und schon stehen wir vor dem Ortsschild von Theth. Zwei Straßen führen – durch einen Fluss getrennt – parallel durch das winzige Bergdorf. Wahrscheinlich nicht mehr als zwanzig, vorwiegend aus Stein erbaute Häuser ziehen sich am Fuße des Talkessels entlang, viele davon offensichtlich erst vor kurzem aufgehübscht und beinahe jedes davon mit einem „Camping“-Schild ausgestattet.
Da wir nicht einfach auf einem dieser Parkplätze nächtigen wollen, suchen unsere Schweizer Kollegen schon mal einen guten Stellplatz abseits jeglicher Behausungen. Antonia und ich machen hingegen einen kurzen Abstecher ins Dorfzentrum, begutachten die pittoreske Kirche sowie den berüchtigten Blutracheturm und kehren mit aufkommenden Hunger zu unserer 4×4-Gruppe zurück. Nahe eines kristallklaren Gebirgsbaches unweit eines verlassenen Gehöfts, schlagen wir unser gemeinsames Lager auf, zaubern mit vereinten Kräften ein hervorragendes Abendessen auf die Tische und sitzen bis spät nachts beim gegenseitigen näher Kennenlernen zusammen.
Unterwegs im Theth-Tal
Als wir in der Früh den Zipper unseres Dachzeltes öffnen, sind wir froh, wieder von goldenen Sonnenstrahlen gewärmt zu werden. Die Höhenluft und der nahe Bach haben nachts über die Temperaturen merklich sinken lassen. Unsere eidgenössischen Reisegefährten sind bereits Richtung Berge entschwunden und auch wir schnüren unsere Wanderschuhe: Heute möchten wir den als Sehenswürdigkeit geltenden Wasserfall von Grunas erwandern, ungefähr eine knappe Stunde von unserem Stellplatz entfernt. Mit reichlich Flüssigkeit ausgestattet schlendern wir durch das Dorf. Überall wird ausgebaut, man sieht auffällig häufig Geländewagen mit ausländischen Nummerntafeln und viele Wandergruppen kommen uns entgegen. Landwirtschaft wird hier zwar nach wie vor betrieben, jedoch merken wir, dass die meisten Einheimischen längst dabei sind auf die lukrativere Einkommensschiene des nachhaltigen Tourismus umzuwechseln.
Spärlich beschildert führt uns ein Pfad in die einsam werdende Wildnis. Wir überwinden ein Geröllfeld auf einer morschen Brücke, folgen einem sanft plätschernden Rinnsal und beginnen mit einem steilen Anstieg durch den dichten Wald. Lange bevor wir den Wasserfall erreichen, hören wir schon von weitem das Tosen. Aus beeindruckenden 30 Metern stürzt sich der Grunas-Wasserfall in sein natürliches, steinernes Auffangbecken am Fuße des Maja e Boshit (2414 m ü. A.) und stellt mit den zum Verweilen einladenden Felsbrocken ein beliebtes Ausflugsziel dar.
Ein gutes Dutzend junger, internationaler Naturanbeter hat sich hier bereits eingefunden, inklusive der Schweizer natürlich. Nach einer guten Stunde Faulenzen machen wir uns an den Abstieg und kehren mit Dario und Co in einer baufälligen Bretterbude auf einen letzten Abschiedstrunk ein. Während es uns weiter nach Süden zieht, wollen unsere neu gewonnenen Freunde einen weiteren Tag in den Bergen verbringen. Bei selbstgemachten Ziegenkäse, Oliven, Cola und Bier tauschen wir Adressen aus und versprechen uns in Kontakt zu bleiben, Facebook sei Dank. Als Antonia und ich dann während der steilen, aber äußerst unterhaltsamen Rückreise nach Koplik sogar auf Overlander aus Dubai treffen, wird uns klar, dass uns beim nächsten Besuch ein aller Voraussucht nach gänzlich anderes Theth erwarten wird, als wir es jetzt kennengelernt haben.
Durch das Kernland Albaniens
Vom mittlerweile lieb gewonnen Lake Shkodra Resort brechen wir tags darauf zu einer wahren Marathonetappe auf. Zwar „nur“ knapp 300 Kilometer lang, doch dafür durch das dicht besiedelte Kerngebiet Albaniens hindurch. Es geht hinunter in den Süden zum bekannten Osum Canyon, unserem Tagesziel für heute. Auf überlasteten Bundesstraßen sowie zerfurchten Autobahnen quälen wir uns voran. Vorbei an hässlichen Betonbauten, passieren wir verlassene Dorfschaften, während wir Pferdefuhrwerke überholen und gleichzeitig Schlaglöcher ausweichen. Draußen hat es derweil 34 Grad, drinnen bläst mir die Klimaanlage einen zornigen Wintersturm an die Stirn. Ich bin heilfroh, als wir mittags in Berat Halt machen.
Berat – UNESCO Welterbe
Selbst wenn die albanische Küche keine Preise gewinnt, so ist die „Stadt der tausend Fenster“ verdientermaßen ein UNESCO-Welterbe, in der sich die Hitze gut in einem der zahlreichen schattigen Cafés vorzüglich aussitzen lässt. Von hier an folgen wir auch dem an der Stadt vorbeifließenden Fluß Osum weiter nach Süden, bis die Landschaft wieder bergiger und unwirtlicher zu werden beginnt. Nach dem Städtchen Çorovoda erreichen wir schließlich das Hochplateau des Osum-Canyons, dessen bis zu 100 Meter tiefe Schluchten für beeindruckende Fotomotive gut sind.
Tagesziel erreicht, Naturjuwel gefunden
Wenige Kilometer später entdecken wir nahe der Straße eine Abzweigung, die uns zu einer natürlichen Sandbank führt. Hier parken bereits ein paar einheimische Familien, planschen im seichten Flussbeet und haben den Grill angeworfen. Mit unserem österreichischen Kennzeichen fallen wir natürlich sofort auf und
ernten neugierige Blicke. Den Rest des Nachmittags suchen wir Abkühlung im Fluss, erklettern die Pfade einer angrenzenden Schlucht und genießen die Abgeschiedenheit dieses zufällig entdeckten Naturjuwels.
Da es uns hier so gut gefällt, entschließen wir uns hier ein Nachtlager zu suchen. Mit unserem Jeep finden wir etwas später tatsächlich eine versteckte Abzweigung, die uns direkt an einen gänzlich verlassen Flussabschnitt führt. Beinahe perfekt, doch lieber wäre uns die gegenüberliegende Sandbank im Schutz der Bäume… sollen wir deswegen eine Flussdurchfahrt wagen? Wir schauen uns beide an: Aber klar doch! Per Stock loten wir erstmal die Wassertiefe aus bzw. prüfen die Bodenkonsistenz. Anschließend versuche ich eine bestmögliche Streckenführung auszumachen, um die knapp 15 Meter Distanz zwischen den zwei Ufern bestmöglich überbrücken zu können.
Da bereits einige Reifenspuren ins Wasser führen, sind wir auch nicht die Erste mit solch einer Idee. Den Allradantrieb eingelegt, fahre ich langsam ins Flussbeet und damit ins graugrüne Wasser hinein. Souverän grollend teilt unser braver Amerikaner die Fluten, nur um scheinbar völlig unbeeindruckt am anderen Ende wieder an Land zu fahren. Hat ja prima geklappt! Mit den letzten Sonnenstrahlen bereiten wir uns noch ein herrliches Abendmahl zu und entkorken eine Flasche Wein angesichts unseres perfekten Stellplatzes. Ein sanfter Wind schüttelt das Blätterdach, der träge Fluss rauscht vor sich hin, während langsam die Frösche und Zikaden ihr tägliches Privatkonzert anstimmen.
Das Ziel ist das Meer
Nach dem obligatorischen Frühstück bestehend aus frischen Früchten, Haferflocken und einem starken Kaffee, verlassen wir unseren wildromantischen Stellplatz weiter nach Süden hin. Heute wollen wir ans Meer. Es geht entlang der windungsreichen Strecke über eine Brücke, bis uns ein hölzernes Schild auf eine staubige Erdpiste Richtung Permet lenkt. Einige Kies-LKW kommen uns noch entgegen, aber schon kurz später zweigt der Weg wieder ab ins einsame Hinterland. Die Landschaft wird karger, die graue und felsige Umgebung nur mehr vereinzelt von grünen Oasen durchbrochen, während uns der Cherokee stetig Höhenmeter gewinnen lässt. Steil, einspurig und ausgefahren präsentiert sich die Strecke, es macht uns richtig Spaß diese Offroad-Verbindungsstrecke für die nächsten 26 Kilometer unter die Reifen zu nehmen.
Wie man mit Problemen umgeht: entspannt
Doch was ist das? Im Cockpit leuchtet mir plötzlich gelb strahlend ein stilisiertes Abbild meiner Autobatterie entgegen. Oh nein! Während ich den Jeep den immer zerfurchter werdenden Weg entlangrumpeln lasse, zerbreche ich mir den Kopf, was uns unser Gelände-Camper mit dem kleinen Lämpchen wohl sagen möchte: Ist es unsere Kompressorkühlbox, die trotz Batteriewächter langsam an dem Durchhaltevermögen der selbigen zehrt? Oder waren es doch die Flussdurchfahrten?
Das ganze Grübeln bringt uns nichts, vor allem nicht hier mitten im Nirgendwo. Es hilft nur mehr darauf zu hoffen, dass uns der Wagen nicht völlig unvorbereitet im Stich lässt. Das penetrant leuchtende Lämpchen ignorieren wir so lange erfolgreich, bis wir das kleine Bergdorf Sevran auf 900 Metern über Meeresspiegel erreichen. Die Ortschaft besteht aus nicht viel mehr als einer Ansammlung einfacher Häuschen, die wie an einer Perlenkette entlangereiht, sich an der sie durchteilenden Piste entlangschmiegen. An einem selbstgebauten Café-Stand mitten in der hauseigenen Obstplantage genießen wir einen Espresso, wobei uns zusätzlich – sicher ist sicher -, auch noch gleich ein selbstgebrannter Schnaps als Stärkung angeboten wird, welchen wir aber dankend ablehnen. Es ist schließlich noch nicht einmal 11 Uhr Vormittag.
Internationales Reiseziel Albanien
Ich staune nicht schlecht, als ich ein zerfledertes Schulheft durchblättere, welches anscheinend als Gästebuch dient. Handgezeichnete Motorräder und Geländewägen beinahe auf jeder Seite. Besucher aus Deutschland, Österreich, Italien, England, aber auch von noch weiter her, haben sich hier schon auf den vergilbten Seiten verewigt. Allesamt eindeutige Anhänger der Lehre des Reisens auf unbefestigten Straßen. Wir erstehen noch ein paar Einmachgläser selbstgemachten Honigs und verabschieden uns von den freundlichen Gastgebern. Auch unser Jeep springt ohne mit der Wimper zu zucken an (jedoch mit verbleibender Warnleuchte), woraufhin wir erleichtert den Rest der Offroad-Strecke hinab ins Tal in Angriff nehmen.
Über Mittag möchten wir ins bekannte Gjirokaster einkehren, doch schon auf dem Weg dorthin umzingeln uns dunkle Gewittertürme, die immer wieder heftige Regenschauer auf uns niederprasseln lassen. Zwar wird uns die Staubschicht so vom Auto runtergespült, aber die immer städtischer werdende Landschaft verwandelt sich so in ein optisches wenig attraktives Grau in Grau. Das schlechte Wetter in Kombination mit der recht dreckigen Stadt vermiesen uns einen längeren Aufenthalt. Schade! In einem nahen Supermarkt besorgen wir uns rasch das Nötigste, bevor wir wieder Reißaus nehmen.
Blue Eye – Touristischen Muss?
Auf dem Weg an die Albanische Riviera machen wir noch einen Stopp an einem der wohl meist fotografierten Spots des ganzen Landes: Dem Syri i Kalter oder besser bekannt als Blue Eye. Eine stetig vor sich hin brodelnde Karstquelle, deren Wasser aus über 50 Metern Tiefe und in allen erdenklichen Blau- bzw. Grüntönen ein beeindruckendes Schauspiel bietet. Eine Sehenswürdigkeit, welche wir gefühlt mit tausend anderen Leuten dicht gedrängt teilen dürfen. Inklusive aller negativen Begleiterscheinungen westlichem Massentourismus, wie heillos überbelegte Parkplätze, überteuerte Restaurants und geführten Völkerwanderungen von Pauschalreisenden. Offensichtlich sind wir so viel Trubel nicht mehr gewohnt, wir wollen endlich ans Meer.
Als wir schließlich das ferne Glitzern am fernen Horizont erblicken, reißt auch wieder die Wolkendecke auf. In der bekannten Touristenhochburg Ksamil entdecken wir erstmals wunderbare Sandbuchten mit türkis lockenden Strandabschnitten. Leider versucht man uns hier auch an jeder Ecke für besonders günstige Unterkünfte – Restaurants – Ausflüge oder anderen Touristenunternehmungen zu ködern. Aus den zahlreichen Lokalen dröhnt Balkan-Pop, während Neonreklamen den hereinbrechenden Abend grell durchschneiden. Die Stadt vermittelt mir den Eindruck eines chaotischen Kartenhauses, welches zusammengefallen und danach ohne Plan sowie den falschen Materialien teilweise wieder aufgebaut wurde und nun von ausländischen Partygängern erobert wurde.
Blick bis nach Korfu
Wir suchen lange bis wir schließlich einer Einbahnstraße hinauf zum einzigen Hügel nahe Ksamil folgen und uns sprichwörtlich in die Büsche schlagen. Weit ab vom Trubel mit Blick auf das gegenüberliegende Korfu, können wir beim Einschlafen das Salz des Meeres beinahe schon auf den Lippen spüren.
Am nächsten Tag sitzen wir zeitig im Jeep. Das Kontrolllämpchen hat sich mittlerweile auch wieder beruhigt. Ich vermute, dass die Batterie nach dem Ausflug ins Flussbeet feucht geworden ist und kurzfristig nicht richtig geladen hat. Wir beide sind gut gelaunt, aber ich weiß, dass sich Antonia langsam nach dem Teil des Urlaubs sehnt, welcher Sonne, Strand und Meer en masse beinhaltet. Laut unseren Infos soll der Strand von Borsh alle diese Eigenschaften besitzen, weswegen wir uns schnurstracks dorthin aufmachen. Wir lassen das mit Neubauten zugepflasterte Saranda hinter uns, das touristische, jedoch in unseren Augen wenig attraktive, Herz der Albanischen Riviera. Über windungsreiche Küstenstraßen geht es mal näher, mal weiter vom Meer entfernt nordwärts.
Endlich Sand, Strand und Meer
Das Örtchen Borsh liegt in einer kleinen Ebene und wird von dessen 4,5 Kilometer langen Sandstrand mit seinen zahlreichen Bademöglichkeiten dominiert. Im nördlichen, von kleinen Dünen durchzogenen Abschnitt, weit entfernt vom nächsten Hotel, schlagen wir unser Lager auf. Erstmals können wir hier auch die Sonnenmarkise ausrollen, bevor wir uns jauchzend in das kühlende Meer stürzen. Auf ungefähr zweihundert Meter haben wir den Strand völlig für uns alleine, hier und da sehen wir ein paar einsame Sonnenanbeter, doch für uns könnte es momentan auch in der Karibik nicht schöner sein.
Müßiggang
Die nächsten zwei Tage werden vom Müßiggang bestimmt. In der Früh werden kurz die Laufschuhe übergezogen, danach arbeiten wir an unserer Bräune, drehen Runden im Meer und vertiefen uns in spannender Lektüre. Abends probieren wir die hiesige Taverne aus, bevor wir später am Strand bei stilechtem Lagerfeuer echtes Camplife zelebrieren. So lässt sich’s urlauben!
Zeit zur Rückkehr
Zwei Tage voller Tiefenentspannung sind vergangen, wir brechen wieder auf. Langsam aber sicher geht es heimwärts, schließlich müssen wir in drei Tagen wieder in Graz sein. Da uns der Strand von Borsh so gut gefallen hat, freuen wir uns schon auf den Pflichtbesuch der nahe gelegenen Bucht von Gjipe. Dabei handelt es sich um jenen berühmten Instagram-Strand, den man fast immer als Treffer bekommt, kombiniert man die Wörter albania, beach oder beautiful in beliebiger Anordnung zu einem Hashtag. Was mich aber fast genauso reizt: Die herausfordernde Offroad-Zufahrt.
Sie sollte nicht nur dafür sorgen, dass sich der Rummel vor Ort in Grenzen hält, sondern unseren Jeep auch wieder zu einem Einsatz in artgerechter Umgebung verhelfen. Um für die Übernachtung in der abgelegenen Bucht gewappnet zu sein, füllen wir am öffentlichen Wasserbrunnen von Borsh unsere Wasserkanister voll.
Alte Bekannte
Gerade als wir die feuchte Fracht verstauen wollen, ertönt hinter uns lautes Hupen und verstaubtvertraute Geländewägen kommen neben uns zu stehen. Es sind Dario, Vanessa, Sebi und Marc, was für ein Zufall! Die Wiedersehensfreude ist groß und wir entschließen uns kurzerhand ins nahe gelegene Himare zu fahren, um auch noch unsere Essenvorräte aufzustocken sowie bei Café und Eis die Erlebnisse der letzten Tage Revue passieren zu lassen.
Als wir so beieinander sitzen ergibt das eine das andere und schnell wird klar, dass wir mit dem Strand von Gjipe ein gemeinsames Ziel haben. Während die Eidgenossen schon mal dorthin aufbrechen, fahren wir nochmals ein Stückchen zurück in das kleine Porto Palermo. Schon beim erstmaligen Vorbeifahren wollten wir uns die dort liegende Festung Ali Pascha Tepelenas etwas genauer ansehen. Der gut erhaltene, massive Steinbau aus dem Jahre 1800 wurde auf weitaus älteren venezianischen Überresten erbaut und war für die Kontrolle des Meerweges nach Norden und Süden hin zuständig.
Von den nasskalten Katakomben steigen wir hinauf auf die mit Zinnen umkranzten Wehrgänge und genießen den postkarten-kitschigen Ausblick auf das tiefblaue Meer. Wir stärken uns noch rasch in dem hervorragenden Restaurant gegenüber der Burg, wo sich schick gekleidete Amerikaner mit gutbetuchten Touristen aus aller Welt die Tische teilen. Entsprechend neugierig sind wir nun auf den Strand von Gjipe: Werden uns dort bereits Billigflieger-Touristen erwarten oder doch eher coole Hipster-Backpacker, wie wir sie schon öfters angetroffen haben? Wir werden sehen.
Zum Ende noch einmal Offroad in Albanien
Erstmal verlassen wir nahe des kleinen Ortes Ilias die Bundesstraße und biegen auf die einspurige, mit Ausweichbuchten durchzogene Zufahrt zum Kloster Manastiri Thodores ab. Beim Klosterparkplatz fängt dann die ca. 1,5 km lange Abfahrt zum Strand an. Jetzt geht’s zur Sache! Die anfängliche Erdpiste wird schnell ziemlich steinig, immer wieder garniert mit tiefen Auswaschungen und hohen Stufen. Ich zirkle den Jeep gemächlich schaukelnd den Abhang hinunter, hoffend, dass uns kein Gegenverkehr entgegenkommt und die groben Allterrain-Reifen nicht allzu sehr zerschunden werden. Als wir in die letzte Kurve einfahren präsentiert sich uns ein wahrer Augenöffner: Die rechts abbrechende Piste eröffnet den direkten Blick auf das in der Sonne glitzernde Meer, gleichzeitig schält sich ein paradiesischer Strandabschnitt aus den ihn umgebenden Bergflanken. Wow, das hätten wir nicht erwartet!
Wir passieren ein paar müde Wanderer und wenig später parken wir den tapferen Cherokee im feinen Kiesstrand neben den bereits im Campingmodus befindlichen Nissan Patrol und Chevy Blazer unserer bereits angekommenen Reisegefährten. Tatsächlich teilen wir uns diese wunderbare Bucht mit gerade einmal knapp fünfzig Leuten, während die meisten Liegestühle überwiegend leer sind. Weiter hinten sehen wir ein paar vereinzelte Zelte am Eco Campingground stehen, eine kleine Bretterbude verkauft kalte Getränke und es gibt sogar eine Toilette inklusive rudimentärer Waschmöglichkeiten. Wir können unser Glück kaum fassen, nehmen erst mal eine Abkühlung in dem unwirklich erscheinenden Meer.
Netzempfang? Scheinbar gut!
Ich grinse, als ich auch hier die obligatorisch mit Schmollmund ins Smartphone blickenden Szene-Girls entdecke, stets darum bemüht, dem daheim gebliebenen Online-Publikum ansprechenden Content zu liefern. Anhand dieser bezaubernden Kulisse aber auch irgendwie nachvollziehbar. Gemeinsam mit den Schweizern lassen wir die Stunden an uns vorüberziehen. Es wird am nahen Felsen geklettert, ins Meer gesprungen und als es langsam Abend wird, hat sich die Bucht dramatisch entvölkert. Die letzten Tagesbesucher machen sich auf den Nachhauseweg, während wir nun gemeinschaftliche das Abendessen vorbereiten. Schnell wächst unsere Gruppe an, als sich auch noch die restlichen Overlander der Bucht sowie zwei urlaubende Albaner hinzugesellen. Die Gaskocher knistern und dank der verschiedenen Bordküchen werden duftende Impro-Gerichte auf die Campingtische gezaubert. Bis spät in die Nacht wird gelacht, tauschen wir unser Geschichten aus und irgendwann sinkt auch der Letzte zufrieden in seine mobile Unterkunft.
Wer rastet rostet
Am nächsten Morgen ziehen wir wieder die Laufschuhe über, wollen uns sportlich betätigen und erkunden joggend den angrenzenden Gjipe-Canyon. Da wir heute zu Mittag endgültig die Heimreise antreten müssen, wollen wir den Vormittag noch so richtig auskosten. Doch unser Lauf verkommt schon bald zur unterhaltsamen Kletterpartie, da unzählige abgestürzte Felsbrocken den Eingang zur Schlucht blockieren. Zwar sorgen diverse Seile und Klettergriffe dafür, dass man mit etwas Geschick vorwärts kommt, doch mit unserem glatten Schuhwerk geht es irgendwann für uns nicht mehr weiter.
Umdrehen, passendes Schuhwerk sowie Getränke besorgen und nochmals versuchen. Bei unserem zweiten Versuch werden wir zusätzlich von Steffie und Gregor verstärkt, ein VW T3 fahrendes Pärchen aus Oberösterreich, mit denen wir gestern die ein oder andere Flasche Wein geteilt haben. Zu viert kommen wir deutlich besser durch den herausfordernden Parcours, staunen über die beeindruckende Schlucht und lernen uns schnaufend und fotografierend besser kennen. Irgendwann müssen aber auch wir technisches K.O. vermelden, der Sonnenstand teilt uns unerbittlich mit, dass wir langsam Kehrt machen müssen.
Das letzte Mal im Meer
Zum Abschied springen wir nochmal kurz ins Meer, machen wehmütig den Jeep startklar, und verabschieden uns definitiv zum allerletzten Mal von unseren liebsten Schweizern: Viel Glück für die Weiterreise und trinkt ein Bier für uns in Aserbaidschan!
Als kleines Trostpflaster brechen auch Steffie und Gregor zeitgleich auf, wir nehmen sozusagen im Konvoi die steile Geländepiste unter die Räder. So unterhaltsam die gemeinsame Auffahrt ausfällt, so schnell ist sie auch schon wieder vorbei. Bevor wir auf den Asphalt einbiegen, müssen wir den T3-Inhabern Lebewohl sagen und bald darauf steuern wir endgültig nordwärts auf ungewohnt glattgebügelten Straßen.
Das wunderschöne Albanien überzeugt
Was wir von den knapp zwei Wochen offroad in Albanien für uns mitnehmen? Unglaublich viele positive Erlebnisse mit Land, Leute und Kultur. Einzigartige Gastfreundschaft sowie eine einsame Natur, in der noch unvergessliche Offroad-Abenteuer an der Tagesordnung stehen. Für uns steht schon jetzt fest: Wir werden schon bald wieder on the road in diesem wunderschönen Land unterwegs sein.
Wenn ihrm ehr über Offroad in Albanien lesen wollt, schaut euch alle anderen Albanien-Artikel bei Matsch&Piste an: Albanien.
Eine tolle Tour, die in Albanien endete und insgesamt durch fünf osteuropäische Länder ging, war die Five Mountains Tour. Matsch&Piste war dabei! Hier geht es zum Aftermovie.
© Fotos Paul Royer