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Titelbild Rustika Travel

Offroad durch Serbiens wilde Bergwelt

Wer als Offroad-Reisender, außerhalb der etablierten Reiseländer Europas, weitgehend unentdecktes Terrain sucht, kommt an Serbiens Bergregionen nicht vorbei. Roman erzählt von seiner Reise über zugewachsene Strecken und Maultierpfaden vorbei an steilen Abgründen.

Nur wenige wissen, dass Serbien zu den liberalsten Offroad-Gebieten im europäischen Raum gehört. Einheimische behaupten augenzwinkernd : „Bei uns ist überall offroad“. Schon mit der Befahrung nicht asphaltierter Nebenstrecken dürfte so mancher auf seine Kosten kommen.

Serbiens unentdeckte und rustikale Bergregionen, liberales Groß-Reservat für Offroader
Serbiens unentdeckte und rustikale Bergregionen, liberales Groß-Reservat für Offroader

Bei unserer Offroad-Tour haben wir uns unter anderem auf die Karpatenausläufer im südöstlichen Landesteil entlang der Grenze zu Rumänien und Bulgarien konzentriert. Die nur dünn und zum Teil unbesiedelten Bergregionen mit ihrer einzigartigen Flora und Fauna scheinen in einem Dornröschenschlaf zu sein. Für uns und unsere Fahrzeuge war dieser Trip fahrtechnisch eine der größten Herausforderungen, die wir je hatten. Aber auch einer der schönsten und interessantesten Reisen in Bezug auf Land, Leute und Kultur.

Blütenpracht, da wo die Natur sich selber überlassen bleibt
Blütenpracht, da wo die Natur sich selber überlassen bleibt

Unser Begleiter und Tourenguide Aleksandar Veljkovic, vom Offroad-Reiseanbieter Rustika Travel aus Belgrad, hat für unsere Gruppe ein reichhaltiges Paket aus Offroad-Tracks und sehenswerten Naturphänomenen zusammengestellt. Dazu gehören gewaltige Tropfsteinhöhlen, wie die „Rajkova Pecina“ bei Majdanpek, die mit 2304 Metern Länge zwar nicht die längste, aber eine der schönsten ist. Oder wilde und teils unerforschte Schluchten, wie die undurchdringliche Lazareva-Schlucht, die bis zu 500 Meter tief und an der schmalsten Stelle nur 3 bis 4 Meter breit ist. Von Flüssen geschaffene, natürliche Steinbrücken und Felsbögen fehlen ebensowenig wie märchenhafte, versteckt liegende Wasserfälle. Dazwischen sehenswerte historische Dörfer und stolze, christlich-orthodoxe Klosteranlagen. Seinem Insiderwissen verdanken wir wildromantische Zeltplätze an außergewöhnlichen Orten sowie einige versteckte Trinkwasser-Quellen. Zusammen mit Nikola, einem serbischen Rockmusiker, der als Kameramann fungieren soll, begleitet uns Aleksandar mit seinem Jeep Grand Cherokee.

Wir starten an der Donau-Festung Golubac (Taubenburg), der Djerdap-Nationalpark liegt vor uns. Am anderen Ufer sehen wir Rumänien. Es hat hier das ganze Jahr über massive Regenfälle gegeben. Die schmalen Wege im Djerdap-Nationalpark, auch Serbischer Amazonas genannt, sollen verschlammt, zugewuchert und im Moment fast unpassierbar sein. Und so kommt es auch.

Ein verschütteter Weg zwingt uns zur Weiterfahrt in ein nebenliegendes Bachbett
Ein verschütteter Weg zwingt uns zur Weiterfahrt in ein nebenliegendes Bachbett

In den ausgewaschenen, tiefen Rinnen verschlammter Forst- und Rückewege bleiben wir immer wieder hängen. Regelmäßig müssen wir unsere versenkten und festgefahrenen Fahrzeuge per Seilwinde befreien. Umgestürzte und querliegende Bäume zersägen wir mit einer Motorsäge oder ziehen sie per Seilwinde an die Seite. Ein, über die Ufer getretener, Fluss hat den weiteren Weg fortgerissen. Zurück können wir nicht mehr. Den steilen Geröllhang hinter uns haben gerade so herunter geschafft. Aber wieder rauf? Keine Chance. Uns bleibt nichts anderes übrig als 100 Meter gegen die Strömung anzufahren. Immer wieder schlägt das Wasser über der Kühlerhaube zusammen. Jetzt bloß kein Wasser ansaugen oder durch einen „Kurzen“ die Bordelektronik killen. Adrenalin pur, aber dann ist es geschafft. Der Weg hat uns wieder.

Die ersten beiden Nächte zelten wir an einsamen Lagerplätzen am Donauufer. Das reichlich vorhandenen Schwemmholz sorgt für ein gemütliches Lagerfeuer. In kleinen Flußkneipen in der Nähe gibt es frisch zubereitete Fischsuppe und lecker gebratenen Wels.

Platz in der ersten Reihe mit garantierten Panoramablick
Platz in der ersten Reihe mit garantierten Panoramablick

Mit einer Sondergenehmigung der Djerdap-Nationalparkverwaltung dürfen wir uns über gesperrte Schotterserpentinen und einsame Waldwege zum Allerheiligsten hochkämpfen: dem schönsten Aussichtspunkt über dem Donaudurchbruch. Die Aussicht von diesen Klippen auf die Schlucht des „Eisernen Tores“ hinunter gehört zu den atemberaubendsten Ausblicken auf die Donau auf ihrem 2900 Kilometer langen Lauf ins Schwarze Meer. Hier, zwischen der Festung Golubac und dem Djerdap-Staudamm, hat sich der Donau-Strom spektakulär durch die Karpaten gegraben. An der engsten Stelle, „Veliki Kazan“ (Große Schlucht) genannt, zwängt sich der mächtige Fluß durch eine nur 150 Meter breite Engstelle.

Atemberaubender Blick hinunter auf den Donau-Durchbruch
Atemberaubender Blick hinunter auf den Donau-Durchbruch

Die tiefen Ausspülungen auf Pisten und Wegen hören nicht auf. Wir kommen kaum vorwärts. Ganze Fahrbahnteile sind einfach weggeschwemmt. Fahren an der Kippgrenze. Höchste Konzentration ist angesagt. Die Seilwinde allein reicht nun nicht mehr. Immer wieder kommen Hacke und Spaten zum Einsatz. Trotz aller Vorsicht, zwischen Miroc-Gebirge und dem Gebirgskamm Veliki Krs (Groß-Kreuz) erwischt es mich. Meine rechte Seite fädelt ein. Langsam neigt sich mein Wrangler auf die Seite und kippt um. In der Dämmerung, kurz vor dem Nachtlager, habe ich noch einmal Pech. Ich übersehe einen Felsbrocken im hohen Gras. Ein hässliches Geräusch signalisiert uns unüberhörbar einen Schaden. Irgendetwas unter dem Fahrzeug hat nachgegeben. Nach einer kurzen Reparaturpause ist die linke Koppelstange wieder ausgerichtet und montiert. Das sollte wieder bis nach Hause halten.

Ewige Matsch- und Dschungel-Trails wechseln ab mit …

Inmitten einer Lichtung uralter Buchen am Fuße des Stol-Gebirges (Tisch-Gebirge) schlagen wir unser Camp auf. Schnell sind die Zelte aufgebaut, ein Lagerfeuer entfacht und nebenan am kleinen See die Angeln ausgeworfen. In Ermangelung an Frischfisch gibt es gebratene Hammelkoteletts und Kobasice (hausgemachte Würste) vom Spieß.

... nicht enden wollenden Kamm-Pisten auf Fels- und Schottergrund
… nicht enden wollenden Kamm-Pisten auf Fels- und Schottergrund

Wegen eines Reifenproblems an Alexandars Cherokee müssen wir zwingend in eine Werkstatt. Auf übelsten Schotterpisten erreichen wir anderntags im Schritttempo die Ortschaft Bor. Wir machen einen Stopp am Abgrund von Bors atemberaubendster Sehenswürdigkeit, einer riesigen offenen Grube der hier ansässigen Gold- und Kupfermine. Höhepunkt des nächsten Tages ist die Befahrung der örtlichen Mine mit dem Lift bis in 500 Meter Tiefe. Sowas ist nur über Beziehungen machbar. Ehrensache, dass wir unsere Gönner zu einem gemeinsamen Abendessen einladen. Obwohl es „nur“ eine Arbeiterkneipe ist, habe ich selten so gut gespeist. Die Frische der regionalen Zutaten und die Zubereitungsart nach Hausfrauenart sind wohl ursächlich dafür.

Nachtlagersuche da, wo auch Bären und Wölfe wohnen
Nachtlagersuche da, wo auch Bären und Wölfe wohnen

Unser nächstes Zielgebiet ist das Balkangebirge oder „Stara Planina“ (Alter Berg) genannt. Eine abenteuerliche Piste führt bis kurz vor den Gipfel. Zu Fuß erklimmen wir die letzten Meter auf den beeindruckenden Berggipfel des „Babin Zub“ (Großmutters Zahn) in 1780 Metern Höhe. Der Rundblick von dort ist fantastisch.

Wegen der anrückenden Gewitterfront heuern wir in einer einfachen, aber gemütlichen Berghütte unterhalb des Gipfels an, im „Planinarski Dom“. Wir sind die einzigen Besucher. Endlich mal wieder warm duschen und Klamotten wechseln. Das köstliche Abendessen à la Mama lässt uns die Strapazen des Tages vergessen.

Bei Nebelsuppe tasten wir uns langsam zum Gipfel des Mizdor (2169m) hoch
Bei Nebelsuppe tasten wir uns langsam zum Gipfel des Mizdor (2169m) hoch

Vor der Befahrung des Mizdor (2169m), dem höchsten Berg Serbiens im westlichen Balkangebirge, rät uns unser Herbergsvater ab. Er hat Bedenken wegen des Nebels. Wir wagen den Aufstieg trotzdem. Mir macht weniger der Nebel Sorgen, als die wenigen Zentimeter zwischen meinen Reifen und dem Abgrund. Langsam balancierend schrauben wir uns einen leidlich schmalen Maultierpfad hinauf. Der Gipfel markiert die serbisch-bulgarische Grenze.

Häuser aus Baustoffen, die in der Umgebung gewonnen werden
Häuser aus Baustoffen, die in der Umgebung gewonnen werden

Beim steilen Abstieg zum Bergdorf „Topli Do“ (Warmes Tal), einem der isoliertesten Dörfer in dieser Region, löst sich die Nebel-Suppe auf und wir werden mit einem der herrlichsten Bergpanoramen der letzten Tage belohnt. Im abgeschiedenen Dorf „Topli Do“ hat sich, laut einem Reiseführer, abgesehen von den Verschlechterungen, in den letzten Jahrzehnten fast nichts verändert. Die historischen Lehmbauten und das homogene Dorfgefüge sind tolle Fotomotive.

Ursprüngliche Dachbedeckung: Steinplatten statt Ziegel
Ursprüngliche Dachbedeckung: Steinplatten statt Ziegel

Um weiter auf eine, in knapp 2000 Metern Höhe gelegene, Kammstraße zu gelangen, schrauben wir uns zwischen umgestürzten Bäumen und abgegangenen Felsbrocken mühsam immer weiter die Berge hinauf. Tiefe und breite Ausspülungen auf einem längeren Steil-Abschnitt bremsen uns aus. Ein alten Hirte, der hier oben in der Einsamkeit das Vieh des Dorfes hütet, entdeckt uns. Er freut sich über jeden menschlichen Kontakt, um mal wieder ein Wort reden können. Wir überlassen ihm unsere restlichen Wurstvorräte und eine Flasche Selbstgebrannten für die kalten Nächte hier oben. Seine Aussage, dass eine mögliche Alternativstrecke seit Jahren verschüttet ist, macht er uns nicht gerade Mut. Hier im diesen Nirgendwo der Bergwelt, einem, von der nächsten Zivilisation am weitesten entfernten Ort in Serbien, schlagen wir unser Camp auf und lassen den Abend am Lagerfeuer ausklingen, dem Fernsehen für Neandertaler.

Einsames Camp in den Bergen, Stunden entfernt von Handyempfang und der nächsten Teerstraße
Einsames Camp in den Bergen, Stunden entfernt von Handyempfang und der nächsten Teerstraße

Unter Einsatz sämtlicher Sperren unserer Allradfahrzeuge erkämpfen wir uns am nächsten Morgen den Zugang zu einem Kammweg mit spektakulärer Aussicht auf die Umgebung. Ähnlich wie mit einem Segelflieger gleiten wir langsam und erhaben über die unter uns liegende, unwirklich und paradiesisch anmutende, Landschaft.

Wieder zurück im Tal erwartet uns Dojkinci, ein kleines Bergdorf. Wieder haben wir das Gefühl, dass an diesem Ort die Zeit stehen geblieben ist. Ein Dorf wie es vielleicht nur ein paar Ältere von früher her noch kennen. In einer urigen Kneipe, deren Besitzer sein Bier selber braut, kosten wir vom edlen Gebräu und bestellen eine Brotzeit nach Hausmacherart.

 Rot leuchtendes Symbol der Balkan-Region
Rot leuchtendes Symbol der Balkan-Region

Auf flachen Fels-Terrassen, die neben einem Fluß liegen, errichten wir unser Nachtlager. Das Rauschen und Murmeln des Wassers bringt uns einen raschen Schlaf. Das südserbische Pirot, an der Autobahnachse zwischen Europa und Kleinasien gelegen, markiert den Wendepunkt unserer Reise. Dort tauchen wir in das balkanische Nachtleben ein und machen Bekanntschaft mit dem Balkan-Burger: Extra groß und extra scharf!

Wer im Auto schläft, packt seinen Hausrat aufs Dach
Wer im Auto schläft, packt seinen Hausrat aufs Dach

Auf unserem Rückweg Richtung Belgrad kommen wir durch das „Suva Planina“-Gebirge (Die trockenen Berge), um dort vielleicht einer der letzten Herden wilder Pferde in Europa zu begegnen. In der Nähe der einzigen Wasserstelle in diesem Gebirge harren wir still und geduldig aus. Leider haben wir kein Glück, aber dafür werden wir mit einem fantastischen Nachthimmel belohnt, den man so außergewöhnlich klar und sternenreich nur außerhalb von Städten und Ballungsgebieten erleben kann.

Wir besuchen die ostserbische Stadt Knjazevac, welche auch das „Serbische Venedig“ genannt wird. Die Stadt liegt auf einer ausgewiesenen Weinroute und wir genießen dort in einem Ethno-Restaurant wieder die hervorragende einheimische Küche und regionale Weinangebot.

Brotzeit hoch oben auf dem serbisch-bulgarischen Grenzkamm
Brotzeit hoch oben auf dem serbisch-bulgarischen Grenzkamm

Wer sich auf seinem weiteren Weg dem Rtanj-Gebirge nähert, wähnt sich, auf eine riesige Pyramide zuzufahren, so geometrisch korrekt wirkt der Hauptgipfel dieses Bergzuges, von dem so eine starke magnetische Strahlung ausgeht, dass er von Flugzeugen nicht überflogen wird. Ufologen behaupten, hier seien einst Außerirdische gelandet. Die letzten Gebirge, die wir auf unserer Tour durchkreuzen, Homoljske-Planina und Kucajska-Planina, gehören zu den menschenleersten Gebieten Europas und haben teilweise Urwaldcharakter. Einstige Wege sind zugewachsen, weil keiner mehr durchfährt, die Wege freihält oder ausastet. Immer wieder packen wir die Äxte und Sägen aus, weil ein Durchkommen unmöglich ist.

Doch dann ist auch leider diese Tour zu Ende, auch wenn wir noch gerne geblieben wären. Abschied von Serbien nehmen wir in kulinarischer Weise im Landgasthof „Jelen Salas“ im wunderschönen Kurort Palic an der serbisch-ungarischen Grenze.

Gründe wiederzukommen gibt es für uns viele.

Über den Autor: Roman Firak hat viele Jahre Fern- und Offroadreisen mit seinem russischen Ural-Motorradgespann gemacht, das von ihm zu einem geländetauglichen Cross-/Fernreisegespann umgebaut wurde. Seine Ziele waren: Osteuropa, Balkan, Skandinavien, Island sowie regelmäßige Wintertouren und -treffen in der Alpenregion.

Unterwegs bevorzugt er Camps, also das Nächtigen in der freien Natur (mit Moped im Zelt, jetzt im Jeep), gegenüber einer festen Unterkunft. Vor kurzem hat er zu einem Jeep Wrangler JK Unlimited (Rubicon) gewechselt, weil er mit diesem Fahrzeug speziell in den Bergen weiter und höher kommt, als dies mit der Ural, aufgrund der bescheidenen Motorleistung und mit nur drei Rädern möglich wäre.