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Sechs Jahrzehnte auf der Suche nach Abenteuer

Der Traunsteiner Bergsteiger, Kajakfahrer und Weltenbummler Otto Huber ist heute 77 Jahre alt. Er hat Expeditionen in Gebiete gemacht, von denen es damals noch keine Karten gab. Den Mount Everest hat er bis auf 8.600 Meter ohne Sauerstoffflasche bestiegen, die überfluteten Lava Falls im Grand Cayon ist er mit einem Kajak runtergestürzt hinein in eine gigantische Flutwelle. Abenteuer pur. Heute, so findet Otto, gibt es keine Abenteuer mehr. Wir haben mit ihm über die Abenteuer von damals und heute gesprochen.

Kannst du uns etwas über dich erzählen?

Ich habe mein ganzes Leben lang einen bürgerlichen Job gehabt. Ursprünglich wollte ich mal Bergführer werden, habe mich dann aber doch für die Karriere entschieden. Während meiner Arbeit als Manager bei einem großen deutschen Verlag in Hamburg habe ich schon Expeditionen gemacht. Dabei war zum Beispiel eine Expedition für 6 Wochen zum Mount Everest.

Alle Expeditionen haben wir immer ohne Sponsoren gemacht. Mir war es immer wichtig, mich zu nichts zwingen zu lassen oder Verpflichtungen anderen gegenüber zu haben. Wenn man unter dem Druck steht, etwas besonderes leisten zu müssen, passieren die meisten Unfälle. Das können wir heute immer wieder sehen.

Wie hat dich die Abenteuer-Lust gepackt?

Schon mit 12 habe ich eine Radeltour ins Salzkammergut gemacht. Mit 14 oder 15 habe ich angefangen zu klettern. Nach kurzer Zeit war ich recht erfolgreich und bin immer in den obersten Schwierigkeitsbereichen geklettert.

Dann war ich neugierig. Meine erste Tour war mit 18 Jahren in den hohen Atlas. Damals war das Gebiet noch völlig unerschlossen. Da haben wir Erstbegehungen gemacht.

Dann kamen zwei Expeditionen nach Afghanistan. Dort sind wir auf die Siebentausender gekraxelt. Auch die Hochzeitsreise mit meiner Frau ging nach Afghanistan und Pakistan, vier Monate lang mit einem R4.

Das waren schon interessante Reisen, aber auch immer in Verbindung mit Abenteuer und sportlicher Herausforderung. Ich bin nie unterwegs gewesen, um der Reise willen oder um des Autofahrens willen. Sondern es war immer zum Bergsteigen oder zum Kajakfahren.

Welche Ausrüstung hast du mitgenommen?

Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, aber als wir 1961 in Afghanistan waren, gab es vom zentralen Hindukusch keine Karten. Da habe ich im Innenministerium in Kabul auf Basis von geheimen militärischen Luftaufnahmen eine Karte von dem Gebiet gezeichnet zu dem wir hinwollten. Das war damals unbekannt.

Dann sind wir in der Sahara zum Klettern gewesen. Einmal quer durch, da gab es kein GPS und kein Telefon. Da ist man mit Kompass und Karte gefahren und die Karte war in etwa so als hätte ich einen Globus mitgenommen.

Das ist ein ganz anderes Reisen gewesen. Wir hatten uralte Autos, die haben wir gebraucht gekauft. Das beste Auto, das wir jemals hatten, war ein ausrangierter Omnibus von der Post. Der war mit Allrad und Differenzialsperren und allem drum und dran. Mit dem haben wir die Expedition in den Wachan gemacht. Das ist eines der entlegensten Gebiete Afghanistans zwischen Tadschikistan, Pakistan und China. Da waren damals noch unbekannte Siebentausender.

Was waren die tollsten Momente auf deinen Reisen?

Das ist natürlich schwer zu sagen, weil es so viele gab. Das interessanteste war sicher die Erstbefahrung der Schlucht des Kali Gandaki mit dem Kajak im Himalaya. Da hat mein Freund und Kameramann einen sehr guten Film gedreht. Das war eine Schlucht 150 Kilometer lang, mit 1.600 Meter Gefälle und einem ziemlich wilden Fluss drin. Da war so eine Erstbefahrung schon aufregend.

Auf dem Mount Everest war ich auf 8.600 Meter Höhe ohne Sauerstoffgerät. Dann mussten wir umdrehen, weil das Wetter umgeschlagen war und jemand zu Tode kam. Aber gerade dieses Höhenbergsteigen ohne Sauerstoffgerät ist ein fantastisches Erlebnis.

Einmal bin ich auf einen Siebentausender hochgestiegen und hab auf 7.200 Meter Höhe biwakiert. Sowas vergisst man nicht. Dann haben wir den Grand Cayon mit einem Kajak befahren und haben einen Film gedreht. Zu der Zeit war dort Hochwasser und ich bin die Lava Falls heruntergefahren. Da stürzt das Wasser 12 Meter in die Tiefe. Unten war eine gigantische Welle mit sieben Meter Durchmesser. In sowas reinzufahren, das ist schon ein erhebendes Gefühl. Vor allem, wenn man es überlebt.

Das habe ich auf dem Vortrag auf dem OTA Globetrotter-Rodeo auch als Film. Zum Glück, sonst glaubt einem das ja keiner.

Wie hast du die Reisen ausgewählt oder eher gefunden?

Wir haben Bücher gelesen von den großen Helden der Dreißigerjahre wie Anderl Heckmair. Die haben in den Dreißigerjahren bereits Expeditionen in den Himalaya gemacht und nach Marokko zum Klettern. An denen haben wir uns orientiert.

Ansonsten war das alles Neuland. Wir sind oft blauäugig losgefahren. Wenn wir nach Afghanistan gefahren sind, war hinter Belgrad die Teerstraße zu Ende.

Solche Reisen waren zu dieser Zeit nicht populär. Es waren nur wenige, die solche Reisen gemacht haben. Dazu hatten wir auch keine Magazine, die darüber berichtet hätten.

Gab es Situationen, in denen du richtig Angst hattest?

Angst ist ein schwieriger Begriff. Sicher man ist immer vorsichtig. Ich hab sehr viele böse Situationen erlebt, in denen auch Freunde gestorben sind. Das Klettern, das wir in den Fünfziger und Sechziger Jahren betrieben haben, kann man nicht vergleichen mit dem, was man heute macht. Erstmal waren wir nicht so athletisch. Wir sind einfach raufgekraxelt so gut es ging, immer an der Grenze des Möglichen. Aber ein Sturz hat verheerende Folgen gehabt. Die Sicherungstechnik und die Ausrüstung, ist heute ganz anders.

Aber wir sind mit der gleichen Begeisterung geklettert, wie die Athleten heute. Die klettern in ganz anderen Dimensionen. Dementsprechend wurde die Sicherungstechnik perfektioniert, deshalb passiert kaum noch was.

Ich bin ein paar Mal mit knapper Not entkommen. Einmal bin in einen Wettersturz geraten. Da habe ich fünf Tage lang in einer Felsspalte gehockt und mein Freund ist neben mir gestorben.

Wir hatten immer Respekt und waren angespannt, aber Angst nein. Ich geh nicht in die Eiger-Nordwand rein, wenn ich Angst hab. Ich geh rein, weil ich sicher bin, dass das geht.

Was würdest du Leuten raten, die ähnliche Abenteuer erleben wollen?

Heute ist das viel leichter. Wenn ich es geschickt anstelle, bin ich heute schneller in Nepal zum Einstieg am Sechstausender, als ich mit dem Auto brauche um nach Chamonix zu fahren.

Die politische Situation ist allerdings eine ganz andere. Heute nach Afghanistan zum Klettern zu fahren, würde ich niemandem empfehlen. Aber der Rest ist viel leichter geworden. Wenn ich beispielsweise am Mount Everest im Lager vier bin und ein Satellitentelefon dabei habe, kann ich mir den Wetterbericht für den nächsten Tag durchgeben lassen. Das Unwägbare, das dem Abenteuer innewohnt, ist so natürlich verloren gegangen.

Wir waren im Wachan früher sechs Wochen von der Außenwelt abgeschnitten. Heute finde ich es immer lustig, wenn die Burschen abends im Lager hocken und dann per Internet ihre Befindlichkeiten durchgeben. Dass sie husten haben, in der Nacht müssen und dass die Füße eingeschlafen oder erfroren sind. Wen interessiert das? Vermutlich muss das heute so sein, aber das ist nicht mehr meine Welt.

Es gibt heute keinen Quadratkilometer mehr auf der Welt, wo nicht mit kommerziellen Reisebüros die Leute hingeschafft werden. Weder in Tibet, noch am Nord- oder Südpol. Es ist alles durchschwommen, alles bestiegen, alles erkannt und alles erlebt. Damit muss man leben.

Die Abenteuer liegen heute woanders. Ich kann im Karakorum mir einen Sechstausender suchen und den auf einer neuen Route besteigen. Das geht natürlich. Nur ist das nicht so spektakulär und es gibt keine Sponsorgelder.

Otto Huber wird auf dem OTA Globetrotter-Rodeo einen Vortrag über seine Reisen halten. Mehr Informationen dazu findet ihr hier.