Wer mit dem Geländewagen im Gelände unterwegs ist und genauer wissen möchte, wie die Technik aufgebaut ist, der ist bei dieser Reihe über Achskonzepte richtig. In diesem Teil geht es um die mit vier Lenkern geführte Hinterachse, das Four-Link-Gestänge. Angelehnt an die 4x4Passion-Reihe über die Achskonzepte verschiedener Geländewagen, folgt hier die Artikelreihe dazu.
Wir haben zusammen mit dem Offroad-YouTube-Kanal 4x4Passion und dem Fahrwerksspezialisten Ralf Ehlermann von re-Suspension eine Reihe über Geländewagenachsen gedreht. In dieser Artikel-Serie greifen wir diese Folgen noch einmal auf.
Bei Achsen gibt es verschiedene Konzepte mit diversen Vor- und Nachteilen je nach Einsatz. Die Anforderungen können unterschiedlich teilweise sogar gegenläufig sein. Auf der Straße soll die Führung der Achse dem Fahrzeug schnelles und sicheres Fahren ermöglichen und die Achsen stabilisieren. Im Gelände dagegen soll die Führung möglichst viel Freiheit und Verschränkung bieten.
Die anderen Teile der Serie Achskonzepte
- Teil 1: Starrachse und Blattfedern
- Teil 2: Längslenker und Panhardstab an der Hinterachse
- Teil 4 – Watt-Gestänge
- Teil 5 – Der A-Lenker
- Teil 6 – Vorderachsführung
Four-Link-Gestänge
In der dritten Folge beschäftigen wir uns mit der Four-Link-Achsführung. Sie wird meistens an der Hinterachse verwendet. Der Jeep Wrangler hat sie auch an der Vorderachse, dazu aber mehr im letzten und sechsten Teil der Reihe, in dem es um die Vorderachse gehen wird.
Bei dem Four-Link-Gestänge halten vier Längslenker die Achse in Fahrtrichtung in Position. Im zweiten Teil haben wir eine Achsführung gezeigt, die eine hohe Eigenstabilisierung besitzt, gut für den Straßenbetrieb, nachteilig für das Gelände. Diese Konstruktion ist genau das Gegenteil. Die Four-Link-Achse hat keine Eigenstabilisation, verschränkt dafür sehr gut. Deshalb ist sie meistens in Kombination mit einem Stabilisator zu finden.
Verschiedene Konstruktionen mit vier Längslenkern
Die zwei wesentlichen Konstruktionen, die bei normalen Geländewagen zu finden sind, sind die mit parallel verlaufenden Längslenkern und die, bei denen die oberen Längslenker schräg angeordnet sind. Die beiden äußeren sind zumeist direkt an der Achse befestigt und liegen tiefer als die beiden inneren Lenker, die oberhalb der Achse befestigt sind.
Die unteren, äußeren beiden, der vier Längslenker halten die Achse in Fahrtrichtung am Platz. Die oberen Lenker verhindern ein Drehen der Achse um sich selbst (Nicken). Soweit die Gemeinsamkeiten beider Konstruktionen. Sind die oberen Lenker parallel zu den unteren angeordnet, können sie keine Seitenführungskräfte aufnehmen. In diesem Fall muss diese Aufgabe zwingend ein anderes Element übernehmen, zumeist ein Panhardstab. Allerdings ist zwischen den Lenkern mehr Platz, um beispielsweise den Auspuff dort entlang zu führen oder den Tank unterzubringen.
Sind die oberen Längslenker in einem ausreichend großen Winkel angeordnet, nehmen sie zusätzlich Seitenführungskräfte auf. Dazu muss der Winkel aber 45 Grad oder mehr betragen. Dann können sie allein die Seitführung übernehmen. Allerdings benötigt diese Konstruktion mehr Platz unter dem Fahrzeug. Sie ist der Anordnung des A-Lenkers, den wir in der übernächsten Folge betrachten, ähnlich. Sie wird auch „W“-Stellung genannt.
Länge und Winkel der Längslenker sind nicht egal
Die Längslenker sind nicht nach Belieben angeordnet. Die Länge, der Abstand zueinander an den Anlenkpunkten und die Winkel, die sie dadurch bilden, sind nicht egal. Bei der Hinterachse ist das jedoch nicht so entscheidend, wie bei der Vorderachse. Weil die Vorderachse bildlich gesprochen in ein Hindernis hinein gedrückt wird, sind dort die Längen, Winkel und Abstände entscheidender als bei der Hinterachse. Diese wird, um im Bild zu bleiben, über und durch Hindernisse gezogen. Das kannst du am ehesten mit einem Stock vergleichen, den du über unebenes Gelände vor dir herschiebst oder hinter dir her ziehst. Der Stock, den du ziehst, wird dir kaum Probleme bereiten.
Üblicherweise werden die oberen Lenker an der Hinterachse zumeist so angeordnet, dass sie im normalen Fahrzustand parallel zum Chassis und der Fahrbahn verlaufen. Die unteren stehen dann leicht schräg nach unten.
Bei Geländewagen findet sich zumeist die Variante mit den kürzeren oberen Lenkern, da hier die Achse beim Aus- und Einfedern nicht um sich selbst mitdreht. Insbesondere bei der Vorderachse sorgt das für ein besseres Verhalten auf der Straße, da so der Vor- bzw. Nachlaufwinkel nicht verändert wird. Bei der Hinterachse ist das nicht so entscheidend, denn eine Starrachse hat dort keinerlei Radwinkel (Sturz, Spur), bei der durch eine Drehung der Achse die Fahrwerksgeometrie verändert werden würde.
Der Nachteil dabei ist, dass die Winkel, um die die Kardangelenke eingeknickt werden, beim Ausfedern größer werden. Im Wettbewerb werden aus diesem Grund oft sehr lange und gleichlange Lenker verwendet, da dann der Knickwinkel am Getriebeausgang klein und am Differenzial gleich gehalten werden kann.
Gute Verschränkung, wenig Eigenstabilisation
Ab 2018 hat auch der Mercedes G eine Four-Link-Hinterachse, die die Zweilenkerachse mit doppelter Anlenkung ablöst. Ob dies wohl wegen der besseren Geländefähigkeiten der Fall ist? Mit einem auskoppelbaren Stabilisator kann der Nachteil der fehlenden Eigenstabilisierung mit dem Vorteil der hohen Verschränkung kombiniert werden. Aber woher kommt das leichte Verschränken und die mangelnde Stabilisierung?
In der letzten Folge haben wir gesehen, dass mit zwei Anlenkpunkten an der Achse pro Lenker, die beide weit außen an den Enden der Achse liegen, ein Verschränken nur gegen den starken Druck der Gummipuffer möglich ist. Diese wirken wie eine Feder, die gegen das Verschränken hält.
Bei der Four-Link Achse gibt es weit außen nur einen Anlenkpunkt pro Lenker. Auch dort muss gegen den Druck der Gummis gearbeitet werden, aber in diesem Fall ist nicht so viel Kraft notwendig. Die beiden anderen Anlenkpunkte liegen weiter innen und üben auf diese Art nicht so viel Gegendruck aus.
Das ist einfach erklärt. Zum einen ist das der Hebelwirkung geschuldet. Der Abstand vom Rad, welches bei der Verschränkung beispielsweise nach oben gedrückt wird, zum inneren Lenker bildet einen Hebel. Je länger er ist, desto mehr Kraft kann das Rad gegen die Gummis des Lenkers ausüben. Zum anderen ist es der kleinere Radius, den die Achse bei der Verschränkung zurücklegt, je weiter man zur Achsmitte kommt. Je weiter also ein Lenker in der Achsmitte steht, je weniger verdreht die verschränkte Achse ihn.
Uni-Balls und drehbare Lenker
Um den Widerstand gegen die Verschräänkung geadezu auf Null zu bringen, werden im Motorsport drehbare Lenker verwendet. Sie sind mit einem Uni-Ball am CHassis befestigt, die eine Drehung der Lenker zulassen. So können sie bei der Verschränkung mitdrehen und den Widerstand der Buchsen ausschalten.
Das 4×4 Passion-Video zu diesem Teil
Offroad-Wissen mit Ralf Ehlermann: Achsen 3 – Four-Link-Gestänge – 4×4 Passion #24