Drei V8-Boliden und ein Diesel. Vier Petrolheads, die die Freiheit und die Wüste lieben. Denen Ersatzteile und Treibstoff wichtiger sind als Campingstühle, Markisen und Chemietoilette. Sie wollen fahren, möglichst schnell, möglichst über Sand und hohe Dünen. H.C. Maurer erzählt von seiner Reise nach Afrika mit seinen Freunden.
Es ist kurz vor Silvester 1997. In Köln liegt Schnee. Dort treffen sich gerade Hans-Christian, H.C. genannt, Ralf, Amadeus und Jan. Alle vier sind rallye- und wüstenbegeisterte Offroader mit langjähriger Afrikaerfahrung. Ralf fuhr schon, gerade 18 Jahre alt, mit einer Land Rover Serie durch den Kontinent. Amadeus und H.C. fuhren dort Rallyes und waren unter anderem in Algerien und Lybien unterwegs. Jan hatte zu diesem Zeitpunkt schon diverse LKW nach Afrika überführt. Jetzt standen sie vor ihrer vierten gemeinsamen Reise nach Afrika.
Motorsport und Abenteuerlust im Blut
Die Motorsportbegeisterung der vier spiegelt sich auch in ihren Fahrzeugen wieder. Kein einziges entspricht mehr einem Serienfahrzeug. Alle haben Extras, gerade was die Leistung angeht. Die Flotte besteht aus einem fast neuen Land Rover Defender 90 Tdi 300, 1.600 Kilogramm leicht, mit Wassereinspritzung, zwei dreitürigen Range Rover Classic V8 mit innenliegenden Käfigen. Einer davon ein ehemaliger 3,9 Liter, umgebaut auf 4,2 Liter Hubraum, mit ölgekühltem Schaltgetriebe, Einspritzung und satten 250 PS. Der andere wurde von Amadeus und H.C. bereits auf der italienischen Rallyemeisterschaft gefahren und war für diese Art der Reise eine hervorragende Basis. Ralf fährt seinen Defender 110 mit hochverdichtetem 3,5 Liter V8, mit vier anstatt zwei Vergasern, elektronischer Zündung, scharfer Nockenwelle und Fächerkrümmer. Ein Kampfgerät, das ebenfalls eine stattliche Leistung hat.
H.C. hatte in seinem Range Koni-Heavytrack-Dämpfer, Jan Koni-Gasdruck und Amadeus italienische Rallye-Prototypendämpfer. Alle doppelt. Außer Ralfs Defender, der pro Rad vorne zwei und hinten drei originale Land Rover Stoßdämpfer aus Militärfahrzeugen hat. Zudem hat Ralf sich extra für diese Reise ein nagelneues Austauschgetriebe von Land Rover schicken lassen und eingebaut. Er will sicher gehen, dass es nicht zu Problemen kommt.
Kein Luxus, nur Funktion
Die meisten würden die Ausrüstung als spartanisch bezeichnen, wenn es um eine mehrere tausend Kilometer lange Reise durch unwegsamste Wüstenlandschaft in Afrika geht. Genau richtig, sagen sich die drei. Denn es geht nicht um Sightseeing und Entspannung in schöner Landschaft. Es geht um schnelles Fahren über Pisten und durch hohe Dünenlandschaften. Sie suchen die Herausforderungen, die westafrikanische Wüsten zu bieten haben.
Dafür müssen Feldbetten zum Schlafen neben dem Fahrzeug, ein paar Konserven und ein paar Klamotten reichen. Der Rest des Laderaums wird mit Ersatzteilen, Werkzeug und Treibstoff vollgestopft. Jeder der drei V8 nimmt 800 Liter Benzin in 60 Liter Plastikkanistern mit. Der Diesel-Defender hat immerhin noch 400 Liter dabei. Und jeder Tropfen wird gebraucht. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, wird vollgetankt.
Das Team zählt
Die vier haben schon einige Reisen miteinander bestritten, kennen sich, und sind ein eingespieltes Team. Alle haben ihre Gemeinsamkeiten und jeder einen Schwerpunkt. Amadeus und H.C. sind die Rallyefahrer, wobei H.C. auch die Navigation übernimmt. Das Handwerk hat er als Navigator der Bundesmarine von der Pike auf gelernt. Seine Navigationsfähigkeiten sind eine wichtige Voraussetzung für diese Reise. Schließlich soll es weitab von Pisten quer durch die Sahara und die Ténéré gehen. Dort gibt es keine Anhaltspunkte für die Navigation, nur Sand und Dünen.
Die elektronische Navigationsausrüstung besteht aus dem frühen Bosch CarPilot, der einem lediglich die gefahrene Strecke und die Richtung zeigt, einem Trimble und ein Garmin GPS75. Die wichtigsten Navigationsmittel sind Karten, Winkelmesser, Stift und Kompass. Für die Übersicht gibt es die gute alte Michelin 953 im Maßstab 1:4.000.000 und zahlreiche IGN-Karten. Die Blattschnitte der kleineren IGN-Karten hat H.C. vorab auf der Michelin-Karte eingezeichnet, um schnell die richtige greifen zu können.
Wenn ein Ziel auf der Karte ausgemacht wird, nimmt H.C. Winkelmesser und Stift zur Hand, bestimmt die Koordinaten und den Kurs. Beides wird in den Bosch CarPilot übertragen. Dann fahren sie in die entsprechende Richtung los.
Ralf ist der Konstrukteur und Mechaniker. Heute betreibt er selbst einen erfolgreichen Werkstatt- und Umbaubetrieb für Allrad-, Rallye- und Reisefahrzeuge. Jan ist Fotograf, Ideengeber und organisiert in Afrika, was gebraucht wird.
Die Reise beginnt
Von Köln geht es unspektakulär über Frankreich und Spanien nach Gibraltar. Dort setzen die Abenteurer nach Ceuta in Marokko über und schon ist Afrika erreicht. In Marokko fahren sie entlang der Westküste nach Dakhla, 5.000 Kilometer in 5 Tagen. Dakhla ist der Sammelpunkt für Konvois, die vom Militär begleitet, weiter in den Süden nach Mauretanien wollen. Die Konvois enden in der größten Hafenstadt Mauretaniens Nouadhibou, ehemals Port-Étienne.
Gefährliche Altlasten
Als im Rahmen des Westsaharakonflikts die Westsahara Mitte der 1970er Jahre von den Kolonisationsmächten aufgegeben und teilweise von Marokko besetzt wurde, verminte Mauretanien Teile des Grenzgebiets zu Marokko. Die Minenfelder sind nicht dokumentiert und stellen bis heute eine große Gefahr dar. Dass Konvois nicht nur bloßes Getue des Militärs sind, musste H.C. selbst erleben, als ein Schweizer Paar, allen guten Hinweisen und Regeln zum Trotz, einen Konvoi verließ und mit ihrem Buschtaxi auf eine Mine fuhr. Beide starben.
Vom Norden nach Timbuktu
In Nouadhibou biegen die vier Richtung Osten und Sahara ab. Ziel ist das 600 Kilometer entfernte Atar. Das Stück ist als erster Test der fast neuen Fahrzeuge und Umbauten gedacht. Ein Stück weit geht es entlang der 652 Kilometer langen Eisenbahnlinie von M’Haoudat nach Nouadhibou, die von 1.000 Meter langen Erzzügen genutzt wird.
Nicht bang und sicher gute Fahrzeuge dabei zu haben, fahren sie quer durch das Akchar-Gebiet, in dem einmal eine ganze Etappe der Rallye Paris-Dakar annulliert wurde. Alle rund 150 Teams hatten sich hoffnungslos festgefahren.
In Atar tanken die Wüstenfahrer alle Kanister voll. Dann geht es weiter Richtung Osten über eine der sieben heiligen Stätten des Islam: Chinguetti. Am Foum el Alba wollen sie auf die Nord-Süd-Piste Richtung Timbuktu stoßen. Das ist das erste größere Ziel der Reise: von Norden nach Timbuktu zu fahren. Die Piste führt von Taoudenni genau nach Timbuktu, aber sie wurde schon seit vielen Jahren, bedingt durch Unruhen und Rebellen, nicht mehr befahren.
Wenn alles gut geht, ist das eine Strecke von gut 1.000 Kilometern. Kein Hinweis oder Orientierungspunkt, nur durch Sand und Dünen bis hoffentlich die kaum wahrnehmbare Piste gekreuzt wird. Vom dort sind es nach Timbuktu noch einmal 500 bis 600 Kilometer. Während eine Piste für die Navigation eine gute Auffanglinie darstellt, können die vier diese lange nicht mehr benutzte Piste leicht übersehen. Wind und Wetter verwehen die alten Spuren und neue kommen nicht hinzu. Geht nicht alles gut, kommen im ungüstigsten Fall noch einige hundert Kilometer dazu, während sie weiter ins Nichts fahren, bis der Fehler auffällt. Dann müssen sie die Strecke wieder zurückfahren und die Piste weiter suchen. Das zehrt an Vorräten und Treibstoff.
Piste gefunden, aber es gibt ein Problem
Und tatsächlich, nach einigen Tagen finden sie die Piste gleich beim ersten Versuch. Das ist die gute Nachricht. Gleichzeitig gibt es ein Problem. Die Achtzylinder haben sich im weichen Sand als durstiger herausgestellt als erwartet. Sie haben bereits 2/3 des Treibstoffs verbraucht. 500 Kilometer haben die Abenteurer noch vor sich. Erstmalig tagt der Kriegsrat. Wann wird gestoppt und wer fährt im Zweifelsfall mit welchem Auto alleine nach Timbuktu, um Sprit zu holen? Nachdem alles besprochen wurde, biegen sie Richtung Süden ab und lassen die Sache auf sich zukommen. Glücklicherweise erweist sich die Piste als deutlich besser befahrbar als es das gerade verlassene Terrain. Glücklich erreichen sie Timbuktu. H.C. hat noch 60 Liter Sprit. Das war knapp. Der dortige Militärposten reibt sich derweil die Augen. Nach seiner Angabe sind die vier seltsamen Gestalten, die ersten nach gut zehn Jahren, die diese Strecke aus dem Norden gekommen sind.
Nagelneue Tankstellen in Timbuktu
Als weiterer Glücksfall erweist sich, dass kurz zuvor die Afrika-Rallye Paris-Dakar zu Gast in der Stadt war. Total war Sponsor der Rallye und hat eigens dafür nagelneue, schneeweiß-gestrichene Tankstellen errichtet. Bei den qualitativ guten Spritresten bedienen sich H.C., Jan, Ralf und Amadeus. Auch dieses Mal, so gut wie nach jedem Tanken, stellen sie die Zündung der Benziner neu ein. Jedes Tanken bedeutet stark wechselnde Spritqualität, die ein nachjustieren der Zündungen verlangt.
Das Hauptziel dieser Reise ist erreicht. Aber das ist kein Grund für eine lange Pause. Mit den frischen Spritvorräten geht es gleich in nordöstlicher Richtung weiter. Grobes Ziel: Tamanrasset in Algerien. Hier wollen sie den Grenzübergang Bordj Mokhtar in Nähe von Timiaouine erwischen.
Nächstes Ziel: Arbre du Ténéré
Bis Tamanrasset läuft alles wie am Schnürchen. Dort finden sie einen alten, ausgestorbenen Campingplatz wieder, der noch von vergangenen Reisen nach Afrika bekannt ist. Als einzige Gäste dort stört es sie nicht, dass die Klos und Türen heraus- und alle Laternen abgerissen worden sind. Hier gönnen sie sich zwei Tage Pause, tanken auf und verlassen Tamanrasset Richtung Süden.
Das nächste Ziel ist der Arbre du Ténéré. Der ehemals einzige Baum in der Ténéré, der irgendwann von einem LKW-Fahrer überfahren wurde. Jetzt steht dort ein Baum aus Tonnen. Dieser „Baum“ ist ein wichtiger Orientierungspunkt in der weltweit trockensten Wüste.
Um zum Arbre du Ténéré zu kommen, wählt H.C. die südliche Route über die berüchtigte Hoggar-Piste. In der Vergangenheit kostete die Hoggar-Piste zwischen Tamanrasset und Arlit in Niger zwischen 100 und 150 Menschen pro Jahr das Leben. Hunderte Autowracks zeugen von gescheiterten Versuchen die Piste durch das Hoggar-Gebirge zu bewältigen. Wenn der Asphalt hinter Tamanrasset auf der gut 2.000 Kilometer langen Strecke aufhört, wird es richtig gefährlich. Endloser weicher Sand, der die meistens in jämmerlichem Zustand befindlichen fahrenden Autowracks oft inklusive der unerfahrenen Abenteurer einfach frisst. Die Statistik sagt, dass ein Drittel der Autos, die dort auf die Reise nach Westafrika gehen, nicht ankommt.
Über die Hoggar-Piste in die Ténéré
Nach 200 Kilometern Hoggar-Piste biegen sie Richtung Osten in ein Gebiet ab, das die Einheimischen Sabler Rocher nennen. Dann ein Knick Richtung Süden über die Grenze nach Niger. Jetzt geht es in die Wüste der Wüsten: die Ténéré. Die Strecke führt östlich des Aïr-Gebirges entlang. Dort ist die große Spielwiese. Dort stehen die höchsten Dünen weltweit, über 400 Meter hoch.
Die vier Autos schlängeln sich über den weichen Sand zwischen den majestätisch aufragenden schwarzen Felsen hindurch, hinein in die Dünenfelder. Sie erreichen den Pince de Crabe. Eine krabbenförmige Felsformation, zu deren Mitte es nur einen Zugang gibt. Im Kessel der Krabbe sind sehr hohe Dünen.
Um diese Dünen zu bewältigen, brauchen die vier ein gutes Drehmoment und hohe Geschwindigkeit. Das lässt sich nur schlecht in der Geländeuntersetzung fahren. Um die notwendige Geschwindigkeit zu erreichen, müssen sie im Straßengang ansetzen. Jetzt zahlen sich die leistungsstarken Motoren aus. Mit Anlauf und Schwung geht es die steilen Dünen hoch. Jan, H.C., Amadeus und Ralf halten die Drehzahl hoch, bis sie mit jaulendem Motor die Kuppe erreichen. Ein ums andere Mal. Bei brütender Hitze schwitzen sie in ihren Cockpits. Die Motoren und Getriebe brauchen jetzt jede Kühlung, die sie bekommen können und geben zum Leidwesen der Insassen willig die Hitze ab.
Die steilen Abfahrten sind nicht weniger fordernd und gefährlich. Auf den 40 Grad steilen Neigungungen stemmt sich automatisch der Fuß ins Bodenblech, der Körper hängt im 6-Punkt Gurt und der Himmel ist nicht mehr zu sehen. Nur ein Meer aus gelbem Sand vor sich, stürzen die vier sich mehrere hundert Meter die Dünen herunter. Die Geschwindigkeit ist hoch, damit das Heck nicht ausbricht. Sie müssen sich den Weg nach unten gut aussuchen, damit sie unten kein Problem mit der hohen Geschwindigkeit bekommen und irgendwo einschlagen.
Zeit für ein bisschen Entspannung
Endlich wird es Abend. Es kühlt ab. Zeit die Wagen abzustellen und sich einem anderen Vergnügen zu widmen: Sandsurfen. Die Dünen werden sogleich aus vollem Übermut, mit allem was sich zum Rutschen eignet, heruntergesurft. Von der Sandschaufel bis zu den Deckeln der Zarges-Boxen wird alles auf Gleitfähigkeit getestet.
Der Zusammenhang zwischen Feldbetten und Getriebe
Am nächsten Tag geht es weiter. Die nächste Düne wird genommen. Da passiert es. Plötzlich ein lauter Knall. Keinerlei Vortrieb mehr und das Mitten im Steilhang. Ralf steigt sofort in die Bremsen und blickt ungläubig auf seinen Schalthebel. Wütend schlägt er auf das Lenkrad. Er hat sofort registriert, dass sein neues Werksaustauschgetriebe gerade kaputt gegangen ist. Ausgerechnet hier im Nichts versagt es. Ausgerechnet im Steilhang.
Langsam und vorsichtig lässt er sich Stück für Stück rückwärts herunter rollen. Auf der Ebene ziehen ihn die anderen mit Ankertauen auf ein ebenes Plateau.
Ihm bleibt jetzt nur übrig, zu versuchen das Problem zu beheben. Zu diesem Zweck erweisen sich die einfachen Feldbetten als sehr hilfreich. Auf die Seite gelegt, reicht ihr Rand bis über die Schweller des Defender. So geben sie einen prima Sandschutz für die Reparatur ab. Eine der besten Investitionen, wie sich H.C. heute erinnert.
Mitten im Sand baut Ralf sein LT95-Getriebe aus. Dieses Viergang-Schaltgetriebe hat das Untersetzungsgetriebe integriert. Es gilt als robust, aber dieses hier hat wohl einen Schwachpunkt. Das Problem ist jedenfalls nicht mit Bordmitteln zu beheben. Das Zahnrad für die Straßenuntersetzung ist auf der Welle abgeschert. Damit er weiterfahren kann, fixiert er die Schaltgabel in der Geländeuntersetzung und blockiert sie mit einer Schraube. Das bedeutet, dass er von nun an mit dem hochdrehenden V8 nur noch im Geländemodus fahren kann. Ob er damit genug Geschwindigkeit für die Dünen entwickeln kann? Es wird sich zeigen.
Ziel erreicht, aber weiter auf der Suche nach Hilfe
Von jetzt an ist die Gruppe etwas gebremst unterwegs. Jedes der Autos schafft problemlos mindestens 160 km/h und der Range von H.C. sogar 200 km/h auf ebener Sandpiste. Ralf kann da nicht mehr mithalten. Er schafft im vierten Gang bei ca. 7.000 Umdrehungen immerhin gute 110 km/h. Das könnte reichen, ist aber für das Material pure Quälerei.
Jetzt stehen ihm schier endlose Kilometern mit einem brüllenden, heißen und trotzdem vergleichsweise langsamen V8 bevor. Um die hohen Dünen bezwingen und einen nennenswerten Fortschritt zu erzielen, können sie aber nur selten das Tempo drosseln. Ralfs Motor und Getriebe werden an die Belastungsgrenze gebracht und heizen den Innenraum unentwegt auf. Wann immer möglich hält er in seinem Rechtslenker den linken Fuß auf dem Gas, damit er mit dem rechten Fuß die Tür während der Fahrt aufhalten kann. Das lindert etwas die brutale Hitze im Fahrzeug.
H.C. schafft es und lotst die Gruppe punktgenau zum Arbre du Ténéré, allen Widrigkeiten zum Trotz. Jetzt geht es weiter nach Fachi, in der Hoffnung dort eine Werkstatt zu finden, die weiterhelfen kann.
Afrikanische Improvisation
Das einzige verfügbare Schweißgerät in Fachi ist im Grunde nicht wirklich eines. Es ist irgendetwas motorartiges aus längst vergangenen Zeiten, gekoppelt mit einem Generator an dessen Kabelenden so etwas wie Nägel angetüddelt sind. Dieser in einer Wanne gelagerte Generator muss ersteinmal in Gang gesetzt werden, was bereits einige Stunden dauert. Ernüchterung macht sich breit.
Der Versuch, dass Zahnrad der Straßenuntersetzung auf der Getriebewelle festzuschweißen, um wieder in normalen Geschwindigkeiten fahren zu können, hielt sagenhafte 500 Meter. Also reißt Ralf das Getriebe erneut raus, um die Schaltgabel wieder zu fixieren. Jetzt wollen die vier ihr Glück in Ilizi in Algerien versuchen. Dazu müssen sie durch die große Sandwüste von Bilma, den Grand Erg de Bilma.
Im Grand Erg de Bilma
Im Erg stoßen sie wieder auf hohe Dünen. Die müssen sie erst einmal bezwingen. Von der bisherigen Schadensbilanz, neben dem defekten Getriebe, gibt es einen kaputten Getriebeölkühler, eine angeknackste Zylinderkopfdichtung und 5 abgerissenen Koni-Heavytrack-Stoßdämpfer sowie ein paar abgerissene Stoßdämpfer-Dome, lassen sie sich nicht beeindrucken. Einzig Ralfs Defender hat im Fahrwerk keine Schäden erlitten. Das muss reichen.
Den Maschinen wird jetzt abermals alles abverlangt. Der Power-Range schafft es im zweiten Straßengang, mit maximaler Drehzahl und viel Anlauf ausreichend Momentum zu entwickeln, um gerade so die Dünenplateaus zu erreichen. Für Ralf und seinen Defender ist das eine Qual, aber wie heißt es so schön: „Das muss die Maschine abkönnen.“ Es wird mit allen Tricks gearbeitet, die Wagen dort hoch zu peitschen. Senkrechtes Anfahren, Serpentinen, hohe Drehzahlen, dass es in den Ohren nur so dröhnt. Hauptsache es geht die Düne hinauf. Aber alle Fahrzeuge schafften es und alle halten durch.
Zuletzt noch viele Kilometer Piste
Als sie das Erg langsam verlassen, führt ihre Route sie über Dirkou und von dort nach Séguédine. Bei Séguédine finden sie die Balise Berliet. Das ist eine Strecke, von Piste kann nicht gesprochen werden, die alle paar Kilometer durch einen Eisenpfosten gekennzeichnet ist. Ende der 1950er Jahre hat der ehemalige französische LKW-Hersteller Berliet ein paar Fahrzeuge nach Afrika auf diesen Weg geschickt, um deren Zuverlässigkeit und Fähigkeiten zu demonstrieren. Dabei unterstützten sie auch geografische und wissenschaftliche Forschungen. Mit von der Partie waren zu dieser Zeit auch einige Land Rover Serie II Fahrzeuge.
H.C., Ralf, Jan und Amadeus nehmen die Balise Berliet nach Norden durch die nördliche Ténéré. Über die grüne Grenze fahren sie nach Algerien und bis nach Ilizi. Dort finden sie eine Werkstatt wo tatsächlich ein ausgebildeter Schweißer arbeitet. Ralf baut das Getriebe zum dritten mal aus. Durch die hohen Belastungen in den Dünen ist es kaum noch zu schalten und es leidet bereits an Zahnausfall. Kurzerhand läßt er das Zahnrad für den 4. Gang und das für die Straßenuntersetzung auf den Wellen festschweißen. Ab jetzt geht es für ihn nur noch mit diesem einen Gang weiter. Den Rest erledigt die Kupplung. Der Motor hat genug Drehmoment, um das zu stemmen, aber die Kupplung wird leiden. So brechen sie Richtung Heimat auf.
Getrennt bis Tunis
Jan und Amadeus wollen noch ein bisschen im Sand spielen, während die Fahrzeuge von Ralf und H.C. zu lädiert sind. Für Jan und Amadeus geht es nach Hassi Messaoud und von dort quer in nordöstlicher Richtung nach Tunesien. Dabei müssen sie durch ein Meer von nicht enden wollenden, kleinen, bis zu 10 Meter hohen Dünen. Ein ständiges rauf und runter, wie auf einem Schiff im Orkan. Eine nervende Angelegenheit. Ralf und H.C. nehmen die Straßen und Pisten nach Aménas um Tunesien zu erreichen. In Tunis wollen sie wieder zusammentreffen um gemeinsam mit der Fähre nach Genua überzusetzen.
Wo sind die anderen?
Während Ralf und H.C. ohne weitere Vorkommnisse Tunis erreichen und dort in ein Hotel ziehen, scheint es bei den anderen nicht ganz glatt zu laufen. Sie sind schon vier Tage überfällig, obwohl sie den kürzeren Weg haben. Ein Anruf in Deutschland bringt keine Erkenntnisse. Nach einer Woche buchen Ralf und H.C. mit einem mulmigen Gefühl ihr Fährticket. Als sie dann an der Fähre stehen, fährt die Militärpolizei vor. Als „Gäste“ an Bord Jan und Amadeus in Handschellen. Die Militärpolizei hat beide beim illegalen Grenzübertritt nach Tunesien erwischt. Sie setzen sie in ihre Autos und fordern sie auf, sofort das Land zu verlassen. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, wiedervereint, verlassen alle vier wie sie gekommen waren, auf eigener Achse Afrika.
Im Gespräch mit Matsch&Piste: Hans-Christian Maurer
© Fotos: Hans-Christian Maurer