Bei dem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis im März diesen Jahres starben mehr als 20 Menschen. Noch heute leidet Tunesien an den Folgen. Besonders die Tourismusbranche, eine der wichtigsten Einnahmequellen für das Land, hat mit großen Umsatzeinbußen zu kämpfen. Wie geht das Reiseland Tunesien mit der Krise um und was können wir Europäer tun, um zu helfen?
Vor drei Wochen wurde in Mailand ein mutmaßlicher Täter des Anschlags vom März gefasst, kurz darauf ein weiterer an der lybischen Grenze. Der tunesische Präsident Béji Caïd Essebsi gab daraufhin in einem Interview mit dem Fernsehsender Arte bekannt, dass er die Ermittlungen zum Terroranschlag für abgeschlossen halte. Auf dem kürzlich beendeten G7-Gipfel in Elmau warb der erste demokratisch gewählte Präsident Tunesiens erneut für kollektives Handeln gegen den Terrorismus und bat um die Unterstützung der europäischen Länder.
Der Tourismus muss sich wandeln
Aber Tunesien hat auch erkannt, dass Hilfe nicht nur von außen kommen kann. Das Land selbst, und damit sein Tourismus, will sich wandeln. Nach wie vor verbringen 80 % der Touristen ihren Urlaub in strandnahen Hotelanlagen und bekommen nichts vom Land und den Menschen mit. Die Regierung will nun mehr auf Ökotourimus setzen und kulturelle Angebote stärken. Das Land besinnt sich hierbei wieder auf seine Geschichte und seine historischen Stätten.
Alternative Tourismuskonzepte werden in diesem Zusammenhang in Tunesien immer beliebter. So gibt es, laut Andrea Philippi vom Fremdenverkehrsamt Tunesien, immer mehr Hôtels de Charme, Maisons d’hôte (Gästehäuser) und Bed & Breakfasts in Städten wie auch in ländlichen Regionen, deren Betreiber ihren Gästen Land, Leute und Kultur näher bringen wollen.
Zu den neuen Tourismuskonzepten gehören auch Events wie Musikfestivals und Rallyes in der tunesischen Wüste. Vor der Star Wars Kulisse in Onk El Jmel (Nefta) trafen sich Mitte Februar das zweite Jahr in Folge über 5000 Musik-Begeisterte zum Elektronic-Festival „Les Dunes Electroniques“. Während die Sahara-Rallye Grand Erg für dieses Jahr abgesagt wurde, fand die Rallye Tunisie Ende Mai mit über 200 Teilnehmern im Süden Tunesiens statt und war ein voller Erfolg. Auch wenn die Festivals und Rallyes derzeit ausschließlich mit Großaufgebot des Militärs stattfinden, denn die tunesische Regierung hat nach dem Anschlag vom März ihre Sicherheitsmaßnahmen deutlich verstärkt und auch auf Gebiete außerhalb der touristischen Regionen ausgeweitet.
Das Land durch den Tourismus stärken
Für das Reiseland Tunesien ist Tourismus die Haupteinnahmequelle und damit zwingend notwendig, um Wirtschaftswachstum zu schaffen. Seit Jahrzehnten zählt Tunesien mit über 400.000 deutschen Urlaubern pro Jahr zu den beliebtesten Reiseländern der Deutschen in Nordafrika. Nach dem Besucherrückgang 2012 durch die Folgen des „Arabischen Frühlings“ erholte sich das Land schnell. Die Anzahl der Touristen stieg bereits 2013 wieder an und erreichte 2014 die alten Höchststände. Nach dem Anschlag im März gab es zunächst eine Zurückhaltung bei den Buchungen der Deutschen, die Lage normalisiert sich aber gerade wieder, sagte Torsten Schäfer vom Deutschen ReiseVerband (DRV). Auch das Kreuzfahrtunternehmen Costa Crociere hat Landgänge in Tunesien für 2016 wieder ins Programm aufgenommen.
Reisende sollten sich auf jeden Fall die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes ansehen, empfiehlt Torsten Schäfer vom DRV. Derzeit werden auf der Seite des Auswärtigen Amtes für Tunesien nur Reise- und Sicherheitshinweise gegeben, es wird keine Reisewarnung ausgesprochen.
Südliche Wüstengebiete weiterhin gesperrt
Das Gebiet, das für die meisten Offroad-Reisenden interessant ist, ist weiterhin zugänglich. Nur von Reisen südlich der Linie von Tozeur – Douz – Ksar Ghilane – Tataouine bis Zarzis wird abgeraten, wie schon vor dem Anschlag in Tunis. Auch weite Teile des südlichen Grenzgebietes zu Algerien und Lybien sind noch immer Sperrgebiet. Diese Gebiete dürfen schon seit geraumer Zeit nur nach Einholung einer Genehmigung des Gouvernorats betreten oder befahren werden.
Torsten Schäfer vom DRV rät außerdem, die Wüstenregionen nur in Begleitung professioneller Reiseveranstalter zu befahren. Denn ein professioneller Reiseveranstalter verfolge ständig die Informationen des Auswärtigen Amtes und habe vor Ort Kontakte, um zu verhindern, dass Teilnehmer in brenzlige Situationen geraten.
Für Offroad-Reisende hat das Reiseland Tunesien immer noch viele Vorteile gegenüber anderen nordafrikanischen Ländern. Vor allem die Infrastruktur ist gut ausgebaut und nach der Ankunft mit der Fähre in La Goulette, erreichen Allrad-Touristen schnell den Süden. Dort findet sich gerade für Wüstenliebhaber ein abwechslungsreiches Terrain, das aus Sandwüsten, Salzwüsten und Geröllwüsten besteht. Besonders in ländlichen Regionen sei die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Tunesier wunderbar, lobte Andrea Phillipi.
Solidaritätsbekundungen wie „I will come to Tunesia“ helfen
Jeder Reisende, der nach Tunesien reist, unterstützt automatisch die Stabilisierung der Demokratie und stärkt das Land damit nachhaltig. Viele Menschen haben im Internet nach den Anschlägen im März mit „I will come to Tunesia“ Solidarität bekundet und gezeigt, dass sie trotz allem nach Tunesien fahren werden. Diese Solidarität der Menschen in Europa kommt auch in Tunesien an und gibt den Menschen vor Ort Kraft und Vertrauen, sagte Andrea Phillipi.
Reiseland Tunesien als Insel der Demokratie
Wegbleiben sei auf jeden Fall das falsche Signal, erklärte Torsten Schäfer vom DRV. Der Tourismus stärke die Wirtschaft des Landes und sichere Arbeitsplätze. Das sei eine gute Basis für den Weg zu einer weiteren Demokratisierung des Landes. Denn nur wirtschaftlich gestärkt kann Tunesien eine Insel der Demokratie in Nordafrika bleiben und als Vorbild für andere dienen.
© Fotos: Andreas Woithon