Karin-Marijke, Coen und ihr Toyota Land Cruiser BJ45 fahren als Overlander seit 2003 durch Asien und Südamerika. Die wurden oft als die langsamsten Überland-Reisenden der Welt bezeichnet. Aber für sie ist es das Wichtigste an schönen Orten zu verweilen und mit Menschen in Kontakt zu kommen. Wir fragten nach.
Wie viele Kilometer seid ihr bisher gefahren?
Wir fahren durchschnittlich 20.000 km pro Jahr. Also sind wir jetzt, nach 12 Jahren auf Tour, um die 240.000 km gefahren. 2003-2006 fuhren wir über 2,5 Jahre von den Niederlanden nach Vietnam. Im May 2003 sind wir durch Europa gefahren, setzen mit der Fähre nach Griechenland über und blieben dort 2 Monate. Dann durchquerten wir drei Monate lang die Türkei, fuhren dann 6 Monate durch Pakistan und drei Wochen lang durch China.
Für Indien nahmen wir uns ein Jahr Zeit, danach folgten Bhutan (1 Woche) and Bangladesh (7 Wochen). Dann haben wir den Land Cruiser nach Singapur verschifft, da wir mit unserem eigenen Wagen nicht durch Myanmar fahren durften. Von Singapur (2 Wochen) aus haben wir 15 Monate lang Malaysia, Thailand, Myanmar, Laos, Vietnam und Kambodscha erkundet. Zurück in Malaysia haben wir unseren Land Cruiser nach Argentinien verschifft.Seit 2007, also seit 8 Jahren, sind wir in Südamerika unterwegs. Seit unserer Ankunft in Buenos Aires haben wir alle Länder Südamerikas außer Venezuela, was als nächstes auf unserer Liste steht, erkundet.
Warum habt ihr als Overlander einen Land Cruiser als Fahrzeug ausgewählt? Hattet ihr noch andere Wagen in der engeren Auswahl?
Anfangs waren wir an einer Vielzahl älterer Fahrzeuge interessiert. Wir dachten über einen kleinen Citroën 2CV, einen großen VW T2 Bus oder eine stylische Land Rover Serie nach. Wenn es da nicht eine Verbindung gibt? Das sind alles Klassiker. Diese Art Fahrzeuge sprechen uns an. Da wir nicht sicher waren, nach was wir suchten, fragten wir im Lonely Planet Forum nach, welchen Wagen wir kaufen sollten, um damit durch Asien zu fahren. Die Mehrheit der Antworten gingen Richtung Land Cruiser. Und einige machten deutlich, dass wir von moderneren Fahrzeugen mit viel Elektronik auf jeden Fall Abstand nehmen sollten. Ich meine, sie schrieben, dass wir eigntlich alles vor 1987 nehmen könnten.
Gut aussehende Toyotas der 70er Serie waren in den Niederlanden deutlich über unserem Budget und schlimmer noch, alle aus der 45er Serie kamen in neuwertigen Zustand daher. Ich hatte meine Oldtimer-Freunde darauf angesetzt, nach etwas Speziellem zu suchen und einer von ihnen mailte mir ein Foto von einem alten BJ45 in Deutschland. Ein anderer Freund begleitete uns dann, da ich absolut keine Ahnung von Diesel-Motoren hatte. Der Land Cruiser stand im Schnee und war seit einiger Zeit nicht gelaufen. Aber der Motor startete sofort nach dem ersten Vorglühen. Unser Freund riet uns die Rostlaube nicht zu kaufen, aber Karin-Marijke und ich hatten uns in das alte Biest auf den ersten Blick verliebt.
Wie funktioniert die Ersatzteilbeschaffung? In welchen Ländern hattet ihr Probleme, wo waren Ersatzteile leicht zu bekommen?
Indien und Argentinien kommen mir sofort in den Sinn, als Länder mit großer Toyota-Präsenz, die aber keine Ersatzteile für unseren BJ45 hatten. Dort war man hauptsächlich auf neuere Modelle ausgerichtet. Natürlich ist es kein Problem irgendein Ersatzteil aus Japan zu bestellen, aber das kostet einiges und die Lieferzeit beträgt zwei Wochen.
Diesel sind in Südostasien und in Südamerika nicht so verbreitet wie in Europa. Daraus folgt, dass Teile für 24-Volt-Anlagen und Dieselmotoren auf den Straßen dieser Kontinente natürlich nicht so einfach zu beschaffen sind. Aber zum Glück haben wir bisher keine entscheidenen Teile ersetzen müssen, die nicht auch vor Ort beschafft werden konnten. In Pakistan, Bolivien, Kolumbien und Venezuela gab es eine Menge 40er Land Cruiser und Brasilien produzierte in den 60er und 70ern Jahren unter dem Namen Bandeirante sogar seine eigenen Land-Cruiser Modelle.
Welches Ersatzteil habt ihr am häufigsten wechseln müssen?
Den Ölfilter. Den wechseln wir alle 10.000 km und es gibt ihn in allen möglichen Formen. Wenn wir keinen original Toyota-Ölfilter finden, nehmen wir eine lokale Version.
In welchem Land war es wegen der Straßenverhältnisse am schwierigsten zu fahren?
Die Straßen Asiens und Südamerikas haben oft einen Mix aus exzelltem und dann wieder mit Schlaglöchern übersäten Asphalt. Außerdem ändern sich die Straßenverhältnisse kontinuierlich. An einem Tag fährt man über eine Waschbrettpiste und schon kurze Zeit später kann jemand anders an eben dieser Stelle eine glatte Straße vorfinden, weil kurz vorher ein Planiergerät darüber gefahren ist.
Nachdem wir einige Geschichten über tiefen Schlamm und Regen auf dem 700km langen „Trans Chaco Highway“ in Paraguay gehört hatten, bereiteten uns darauf vor, dass wir mehr als eine Woche für die Strecke benötigen würden. Als wir dort ankamen, war die Straße gerade befestigt worden und wir hätten darauf Rollschuh laufen können.
Vermutlich habt ihr eine Menge toller Erlebnisse auf eurer Reise bisher gehabt. Wenn ihr nur drei wählen könntet, welche wären das?
Coen: Ich denke, meine schönsten Erinnerungen als Overlander sind die Erinnerungen an die Großzügigkeit der Menschen. Überall auf der Welt waren die Leute freundlich und großzügig. Klar, da sind immer ein paar Trottel unterwegs, aber wir konzentrieren uns lieber auf die positiven Dinge. So oft wurden wir von wildfremden Menschen mitten auf der Straße angehalten, die uns in ihre Häuser zum Essen, zum Schlafen oder auf ein Getränk eingeladen haben.
Karin-Marijke: Da stimme ich Coen zu. Wir lieben wildes campen, beoachten gerne Tiere, bestaunen Pflanzen und haben Spaß an Sightseeing. Aber am liebsten erinnere ich mich an all die Freundschaften, die wir unterwegs geschlossen haben. Wenn wir uns Fotos anschauen und einen Wasserfall oder einen Berg sehen, dann fragen wir uns: „Hmm, war das jetzt der Himalaya oder waren es die Anden, welcher Wasserfall ist das?“ Aber wenn wir uns ein Foto von einem Freund ansehen, bringt das immer wieder starke Erinnerungen und Freude zurück. Wir haben vielleicht ein oder zwei Namen vergessen, aber wir können immer sagen, wo das Foto gemacht wurde, was passiert war und was wir damals gefühlt haben.
Am Anfang unserer Tour in Asien, fiel es mir sehr schwer all diese Gastfreundschaft zu akzeptieren. Wir durften uns niemals revanchieren, indem wir abspülten oder anders mithalfen. Dadurch, dass ich nichts einfach ohne Gegenleistung annehmen konnte und immer versuchte zu helfen, machte ich es für alle schwieriger. Das war für mich eines der wichtigsten Dinge, die ich gelernt habe: „Akzeptiere, was kommt und nimm es an.“
Heute liebe ich diese Lebensweise: Die offene Art Dinge zu teilen. Wir erzählen den Leuten Geschichten oder Coen hilft ihnen mit Computerproblemen, kreiert Logos oder Ähnliches. Wir bekommen Gastfreundschaft, ein Essen, ein Bett oder einfach nur ein Tipp von einem Fremden, der uns an einen unerwarteten, schönen Ort führt. Ich brauchte einige Zeit, bis ich herausfand wie diese Art von Energiefluss funktioniert.
Wart ihr schon mal in Situationen, in denen ihr Todesangst hattet? Wie seid ihr da raus gekommen?
Ich kann mich nicht erinnern, mich jemals so gefürchtet zu haben. Sicher gab es die ein oder andere schwierige Situation auf wackeligen Brücken oder mit betrunkenen Polizisten. Bisher haben wir immer einen kühlen Kopf bewahren können und sind immer unversehrt geblieben.
Leute in fremden Ländern kennenzulernen kann eine der schönsten Erfahrungen sein. Manche Leute denken, sowas könnte auch gefährlich sein. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Habt ihr Tipps, wie man mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommt?
Zunächst einmal frage ich mich, warum es gefährlicher sein sollte in fremden Ländern Menschen kennenzulernen, als in seinem eigenen Land. Verrückte gibt es überall, aber das sind die wenigsten. Wie ich schon gesagt habe, die Mehrheit der Menschen sind nett, freundlich, hilfsbereit und stellen keine Bedrohung da.
Zu den Tipps:
Coen: Ihre Sprache zu lernen hilft sehr, mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Karin-Marijke: Den Menschen zu vertrauen und anzunehmen, dass sie gute Absichten haben, finde ich wichtig. Wenn du denkst, dass die Leute da sind, um dir das Geld abzunehmen, wirst du wahrscheinlich mehr Probleme haben. Aber wenn du offen bist und freundlich mit ihnen plauderst, vielleicht Fragen über ihr Land stellst, dann werden sie sich öffnen (auch wenn ihre Absichten am Anfang eventuell anders waren). Das ist zumindest die Erfahrung, die wir immer wieder gemacht haben.
Wie viel Geld braucht ihr monatlich als Overlander? Ich weiß, das hängt von Land ab, aber gibt es vielleicht einen Durchschnittswert?
Wenn wir unterwegs sind, geben wir ungefähr 20 Euro pro Tag aus. Das ist ohne Flüge, Versicherung und elektronische Ausstattung. In teuren Ländern wie Brasilien oder Chile achten wir mehr darauf, was wir ausgeben und kaufen hauptsächlich Essen und Diesel. Wir warten dann auf günstigere Länder wie Bolivien oder Surinam um zum Beispiel unseren Land Cruiser zu reparieren oder andere Notwendigkeiten zu besorgen. So gleicht sich das aus.
Es scheint so, als bestünde euer Leben nur aus Urlaub. Böse gefragt: Ist das nicht irgendwann langweilig? Wovon träumt man, wenn man nicht von seinem nächsten Urlaub träumen kann?
Coen: Wir sehen es nicht als Urlaub. Für uns ist das unser Leben geworden. Wir arbeiten, wir leben und wir spielen wie jeder andere Mensch auch, nur sind unsere Prioritäten ein wenig anders. Wir haben keine Verpflichtungen wie Miete und unsere täglichen Ausgaben sind im Vergleich zu unseren früheren Kosten in Europa wesentlich geringer. Deshalb brauchen wir viel weniger Geld als vorher und wir haben mehr Zeit andere Dinge zu tun.
Karin-Marijke: Ich finde das klingt traurig, wenn jemand nur von seinem nächsten Urlaub träumen kann. Wirkliches Leben besteht doch aus viel mehr als das. Um mal ein Beispiel zu geben: Für uns war es ein Traum das erste Mal etwas in einem Magazin zu veröffentlichen. Dann träumten wir davon, unsere Arbeit in einem bestimmten Reisemagazin zu sehen usw. Die Träume, die wir haben, sind nicht geschuldet durch langweiliges, unerfreuliches Tagwerk, wie in deinem Beispiel, dass sich jemand nur auf seine Ferien freuen kann. Unsere Träume sind mehr wie Ziele, die wir erreichen wollen. Das Leben ist so interessant, wie du es machst.
Was vermisst ihr als Overlander? Was vermisst ihr überhaupt nicht?
Coen: Ab und an vermisse ich holländisches Essen.
Karin-Marijke: Familie.
Habt ihr Pläne, euch irgendwann mal zur Ruhe zu setzen? Und wenn ja, in welchem Land würdet ihr dann gerne wohnen?
Wir haben keine Pläne. Darüber denken wir nicht nacht.
Könnt ihr euch vorstellen, irgendwann wieder in den Niederlanden zu leben?
Coen: Wir sind schlecht im Planen und wir haben keine Kristallkugel. Also würde ich sagen, unsere Zukunft ist ziemlich nebelig. Wir planen nur einige Wochen im Voraus und das passt. Ich sehe nicht, dass wir zu einem konventionellen Leben zurückkehren, aber wenn das passiert, glaube ich nicht, dass wir Probleme hätten, uns anzupassen.
Karin-Marijke: Nein, wir haben keine Pläne und keine Bestrebungen. Aber ich möchte das auch nicht komplett ausschließen. Wir werden unser Nomandendasein solange weiterführen, bis wir keine Lust mehr darauf haben. Und dann? Das werden wir dann entscheiden. Ich bin mir sicher, irgendwas wird sich dann ergeben.
Wir haben keine Pläne aufzuhören. Wir lieben diese Art zu leben und wir haben vor, so weiter zu leben. Eine böse Falle beim Reisen, und eigentlich auch im Leben, ist es, sich zu sehr auf die Zukunft zu konzentrieren. Es kann sinnvoll sein, um eine Ahnung von der Richtung zu bekommen, in die man gehen will. Aber das Nachdenken über die Zukunft ist vor allem nur eins: Nachdenken über die Zukunft. Wir bevorzugen es, in der Gegenwart zu denken und zu leben. Im Hier und Jetzt. Wenn wir irgendwann einmal keine Lust mehr haben zu reisen, werden wir eine andere Art zu leben finden. So weit es uns betrifft, sehen wir keinen Sinn darin, uns jetzt darüber Sorgen zu machen.
Welche Eigenschaften braucht man, um als Overlander eine gute Zeit zu haben?
Da kommt mir einiges in den Sinn:
- Geduld
- Die Fähigkeit, sich an andere Kulturen mit anderen Werten anzupassen.
- Gute Sprachkenntnisse sind nützlich, aber selbst die rudimentärsten Fähigkeiten in anderen Sprachen werden das Reiseerlebnis unglaublich verbessern.
- Offen und neugierig sein.
Für alle, die bis zum Schluss durchgehalten haben: Wenn euch dieses Interview gefallen hat, dann geht doch bitte auf die Seite von Karin-Marijke und Coen. Sie verkaufen tolle T-Shirts und wunderschöne Kalender und ihre Webseite ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Sie freuen sich ebenso über Benzinspenden. Vielen Dank!
Fotos: © Landcruising Adventure, Coen