Zum 20. Mal trafen sich zehntausende Freunde des Allradantriebs im Unterfränkischen Bad Kissingen zur Abenteuer & Allrad 2018. Es gab die meisten Besucher, die höchsten Temperaturen und die meisten Campingplätze. Auf der weltgrößten Offroad-Messe gab es durch die steigende Beliebtheit der Pick-ups und dem Trend zu klassischen Wohnmobilen mit Allrad viel Neues zu sehen.
Heiß war es. Und voll. Bei allerbestem Wetter, wenn im Grunde jeder Schatten und Abkühlung sucht, setzten sich auf der Abenteuer & Allrad 2018 dennoch rund 60.000 Besucher den höchst sommerlichen Temperaturen aus. Das musste einen Grund haben. Vielleicht war es der frische Wind, der durch die Ausstellung wehte. Denn nach wie vor kommen neue interessante Angebote für Pick-ups – und der nächste Trend zeichnet sich auch bereits ab: das klassische Kastenwagen-Wohnmobil in der Allrad-Variante.
Wir waren dabei!
Matsch&Piste war dieses Jahr zum ersten mal als Aussteller dabei. Für uns war es aufregend und anstrengend zugleich. Wir merkten schnell, dass wir uns die Zeit für unseren eigenen Messerundgang „stehlen“ mussten. Es gab so viele Gespräche und Fragen an unserem Stand, da mussten wir uns einfach ein paar mal absetzen, damit wir überhaupt etwas von der Messe mitbekamen.
An dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön an unsere Leser für das positive Feedback, was wir von euch bekommen haben.
Von allem mehr – fast
Die Abenteuer & Allrad 2018 dürfte die größte bisher gewesen sein. Alleine am ersten Tag wurden fast 25.000 Besucher gezählt. Rund 300 internationale Aussteller zeigten an ihren Ständen ihr Angebot. Auch das ein Rekord. Im Gespräch mit anderen Ausstellern bestätigte sich unser Eindruck, dass man mit dem Verlauf der Messe und den Gesprächen am Stand sehr zufrieden war.
Der Campbereich musste ein weiteres mal erweitert werden, womit die Messe außerhalb der Messe den Ruf eines der größten Fernreisetreffen der Welt zu sein, gestärkt haben dürfte. Das seit letztem Jahr neu eingeführte, verbesserte Verkehrskonzept und Shuttle-System hat sich bewährt und wurde auch dieses Jahr dem Ansturm gerecht.
Hinter der Taubenreuther-Halle, dort wo in den vergangenen Jahren immer Jeep stand, war jetzt das neue Zelt der 4×4-Enthusiasten. Black-Sheep-Inhaber Thomas Grütter brachte die Messe dazu, das neue Zelt aufzustellen. Dort sammelte er unter anderem die Aussteller, die aus dem XP-edition Zelt weichen mussten, weil dort mehr Platz benötigt wurde.
Weniger Fahrzeughersteller direkt vertreten
Leider waren dieses Jahr nur drei Fahrzeughersteller direkt vertreten: Iveco, Land Rover und VW. Jeep fehlte in diesem Jahr. Liegt es daran, dass die Offroad-Messe immer mehr eine Reisemobil-Messe wird? Der Boom der Pick-ups und von deren Zubehör wie Hardtops, Kabinen usw. ist nach wie vor ungebrochen. Mercedes erweiterte das Feld zuletzt mit der X-Klasse, die auch mit Teilen und Zubehör versorgt werden will. Das belebt zusätzlich das Dachzeltgeschäft, denn jeder Pick-up ist ein potentieller Dachzelt-Träger.
Zunehmend wird auf die klassischen Kastenwagen als Wohnmobil mit Allradantrieb gesetzt. Der Iveco Daily 4×4 und Mercedes Sprinter bzw. der VW Crafter mit Allrad gehören schon seit ein paar Jahren zum Bild der Abenteuer & Allrad, aber sie sind immer häufiger zu sehen. VW stellte in seinem Zelt verschiedene Generationen und Ausbauten des VW Bus aus. Zusammen mit dem Amarok liegen sie damit voll im Trend. Bei Nakatanenga fand sich sogar ein Peugeot Boxer mit tollem Ausbau, Allrad, Sperren und Höherlegung.
Land Rover befand sich an gewohnter Stelle mit dem ebenfalls seit Jahren immer gleichen Rundparcours. Was für ein Wandel. Hatte man sich früher für einen Defender entschieden, war die Messe ein Paradies um nach Herzenslust Aus- und Anbauten und nach all dem Zubehör zu suchen. Wer sich heute für einen Land Rover entscheidet, für den ist im Grunde ein großer Teil der Messe uninteressant. Da gibt es vielleicht noch den Dachträger und weiteres Zubehör für den Discovery. Aber für die restlichen Modelle? Hier fehlt dringend ein Pick-up in der Modellreihe, denn mit einem so universellen und umformbaren Auto wie es der Defender war, rechne ich persönlich nicht mehr.
Im Mittelfeld weicht der Geländewagen neuen Konzepten
Das Angebot an und für Expeditions-LKW bis hin zu sinnfreien Größen auf der einen Seite und kleine, wendige ATVs und Side-by-Sides nehmen zu. Das Mittelfeld in dem typischerweise der Gelände-PKW liegt, wird zunehmend durch Pick-up, Kastenwagen und Co. besetzt. Das Abenteuer auf 4×4-Rädern geht eben in die Breite und da sind massen- und umweltzonentaugliche Fahrzeuge gefragt. Die letzten Geländewagen ihrer Art, wie der Toyota Land Cruiser oder der Mercedes G werden dann wie eh und je von Toms Fahrzeugtechnik, Custom Campers, ORC, ICS Offroad, Offroad Manufaktur und weiteren Anbietern auf der Messe erfolgreich präsentiert. Die Hersteller überlassen das den Spezialisten.
Das Angebot passt sich dem neuen Publikum an
Während früher die Individualisierung des Fahrzeugs im Vordergrund stand, scheint mir der Weg weg vom eigenen Geländewagenumbau hin zu flexiblen und modularen Systemen zu gehen. Morgens zur Kita, danach zur Arbeit, morgen zum Mountainbiken, dann mit der ganzen Familie in den Urlaub. Da lockt das fix- und fertige Lifestyle-Auto. Flugs die fertige Kabine oder das große Vier-Mann-Dachzelt drauf, deklariert als Ladung und los geht es.
Wechselkabinen für das Fahrzeugchassis, wie sie BrainBoxx anbietet oder Inneneinrichtungen zum schnellen Ein- und Ausbau wie bei Kaua’i, Ququq und Red Rock Adventures liegen ebenso im Trend, wie die Abenteuer & Allrad 2018 zeigte. Die Anbieter solcher Lösungen werden mehr. Vorbei ist die Zeit, in der jeder zu Bohrer und Winkelschleifer griff, um den Wagen selbst individuell für einen Zweck umzubauen. Heute werden dafür die Kabinen selbst (aus-)gebaut, eingerichtet und dann verladen. Die Fahne der Selbstausbauer hielt vor allem Ulrich Dolde mit seinem Buch „Wohnmobile selbst ausbauen und optimieren“ hoch, der an seinem Stand mehrfach Vorträge zum Thema hielt.
Reines Geländefahren rückt in den Hintergrund
Immer mehr in den Hintergrund tritt der Geländeaspekt auf der Abenteuer & Allrad. Natürlich werden nach wie vor Winden, Bergematerial und Fahrwerke angeboten und auch gekauft. Aber angesichts der manchmal übergroß wirkenden Kabinen, die sich seitwärts aus den Ladeflächen der Pick-ups quetschen, scheint mir dieses Material manchmal nur zur Wahrung des Scheins über die Theke zu gehen. Dem einen oder anderen so überladenen Fahrzeug traue ich nicht einmal eine moderate Alpentour über alte Schotterpisten zu.
Immer seltener, ja fast gar nicht, sind noch Anbieter durchkonstruierter Hardcore-Geländewagen zu sehen, die dem ebenso geneigten Fan des gepflegten Offroadens in Fachgesprächen ihre Lösungen näherbringen. Das erfolgreiche Motorsport-Team Reul Sport aus Belgien ist beispielsweise noch ein Vertreter dieser Zunft. Aus der größten Offroad-Messe der Welt ist die größte Allrad-Reisemesse geworden. Waren früher Allradfahrzeuge Exoten, so sind sie endgültig im Freizeit- und Lifestylebereich angekommen. Interessant, da die Möglichkeiten offroad zu fahren, überall tedenziell abnehmen.
Vielleicht sind Anbieter wie die Touareg-Rallye, ebenfalls Aussteller auf der Abenteuer & Allrad 2018, für den geneigten Allradfreund und Erlebnishungrigen hier eine interessante Alternative zu den typischen Reisezielen der Offroad-Reiseanbieter. Die meisten dieser Motorsport-Veranstaltungen finden zum einen in gar nicht so fernen, aber zum Fahren hochinteressanten Ländern statt und zum anderen bieten sie oft eine Touristen-Klasse an. Dort kann jeder mit einem geländetauglichen Reisefahrzeug mit dem Rallyetross außer Konkurrenz und auf einfacheren Strecken mitfahren. Man hat das Erlebnis aber nicht das Risiko.
Die Abenteuer & Allrad 2018 – Die Szene wandelt sich
Die Messe spiegelt natürlich das wider, was sich die Menschen wünschen und erträumen und was sie bereit sind dafür zu tun und zu geben. Da gibt es an dem einen Rand des Spektrums die Mutigen, Verrückten, die Leue die ihren Traum von Freiheit authentisch und konsequent leben. Sie sind auch bereit die Mühen dieser Art zu Leben auf sich zu nehmen, wenn auch manchmal nur über ein paar Monate oder Jahre. Mario Goldstein berichtete auf der Messe beispielsweise, wie er es mit einem ehemaligen Wasserwerfer bis zum Dalai Lama schaffte. Hier entdecke ich immer noch viel Eigeninitiative, Do-it-Yourself, die Mentalität es selbst zu (er-)schaffen und dann auch zu wissen, wo jede einzelne Schraube steckt.
Am anderen Ende sehe ich die Konsumenten des kalkulierten Abenteuers, wenn ich sie einmal so nennen darf. Ebenfalls auf der Suche nach Abenteuer, das aber oft auf eine Alltagsflucht oder einen dreiwöchigen Urlaub begrenzt ist. Diese Menschen suchen das fertige, maximal flexible Produkt, welches noch ein bisschen angepasst und optimiert werden kann. Vielleicht hängt das Herz ja in einem Jahr an ganz anderen Dingen. Wie bei der fertigen Backmischung, bei der immer nur Eier und Milch bereit liegen müssen, egal welcher Kuchen es am Ende wird.
Und so passt sich das Angebot an den Bedarf an. Auf der einen Seite ist das gut, weil mehr Menschen das Glück und die Befriedigung erleben können, die alle diejenigen kennen, die vom Allrad- und Reisevirus infiziert sind. Durch diese Entwicklung kommen auch neue Ideen in den Markt. Positive Beispiele gab es genug, wenn ich z.B. an die BUMO-LKW-Kabine denke, deren natürliche Materialien ein einmaliges Wohnklima schaffen. Mal nicht nur in Richtung Funktion gedacht, wie das oft der Fall ist, sondern auch in Richtung Lebensqualität.
Gleichzeitig ist es aber auch schade. Der massenhafte Drang nach Individualität und Abenteuer führt in der Regel genau zum Gegenteil. Das Angebot wird vereinheitlicht, wenig individuell und für das breite Publikum rundgeschliffen. Ich hoffe daher, dass sich möglichst viele ihre Lebenseinstellung zum Reisen und ihre alten, tollen und einmaligen Geländewagen aller Couleur entgegen der Trends bewahren. Somit bleiben sie unter den Besonderen immer die Besonderen und halten für alle den Traum am Leben.
Wir sehen uns im nächsten Jahr auf der 21. Abenteuer & Allrad.
Alle Artikel zur Messe findet ihr hier: Abenteuer & Allrad 2018.
© Fotos: Doreen Kühr