Loading…
Offroad-Winterreise

Offroad-Winterreise: Arktische Abenteuer jenseits des Gefrierpunktes

Eine Winterreise mit dem Landy zum Nordkap

Ich fahre durch die Nacht. Rings herum ist es stockfinster. Der Sturm treibt die Schneemassen über die schmale Fahrbahn. Am Fahrbahnrand steht ein im Schnee steckengebliebenes Fahrzeug. Professionelle Hilfe ist bereits vor Ort. Für viele geht es nicht mehr vor und zurück in dieser Winternacht. Ich folge seit geraumer Zeit im Konvoi dem Schneepflug. Die Spikes der Winterreifen krallen sich in die vereiste Fahrbahn und sorgen auf dieser Offroad-Winterreise für guten und sicheren Vortrieb. Immer wieder hält das Räumfahrzeug, da nachfolgende Fahrzeuge den Anschluss verlieren. Langsam macht sich das Gefühl breit, dass sich der Wiederschein der gelben Warnleuchten des Schneepflugs in meine Netzhaut einbrennt…

Was tue ich hier? Was ist geschehen? Nun, heute ist der Tag, an dem ein jahrelanger Traum in Erfüllung ging. Ich habe am frühen Nachmittag das Nordkap erreicht. Das Nordkap ist der nördlichste vom Festland aus auf dem Straßenweg erreichbare Punkt Europas. Die bekannte Landmarke ragt hier in das Nordpolarmeer. Von hier ist der Nordpol nur noch rund 2.000 Kilometer entfernt. Faszinierend.

Diese Nordland-Reise ist anders

Nun sagen viele von euch berechtigterweise, dass eine Reise hierher im 21. Jahrhundert an sich ja nichts Besonderes ist. Vor etwa zwanzig Jahren war ich bereits einmal hier. Damals in Shorts und T-Shirt bei sommerlichen Temperaturen. Doch auf dieser Reise ist alles anders. Auf den rund 3.500km hierher habe ich frostige Stürme, eisige Straßen und hoch aufgetürmten Schnee erfahren und dem Fahrzeug so einiges zugemutet. Im eisigen Wind stehe ich nun am Globus, dem Wahrzeichen dieses geografisch bedeutenden Punktes in Europa. Nach ein paar wenigen Fotos sind die Finger so kalt, dass ein Bedienen der Kamera beinahe unmöglich ist. Es ist bitterkalt und ich wünsche mir sehnlichst ein wärmendes Heißgetränk. So verkrümle ich mich in den Landy und lasse es mir bei einem dampfenden Kaffee gutgehen. Eine gewisse Zufriedenheit stellt sich ein.

Offroad-Winterreise
Der Globus – das Wahrzeichen des Nordkaps.

Die Nacht wird frostig

Die Mauern der Nordkaphalle bieten einen guten Schutz vor dem eisigen Sturm. Gerade als ich es mir im wärmenden Schlafsack gemütlich gemacht habe, höre ich ein lautes Hupen. Nanu, was ist das? In der klirrend kalten Nacht braust das Räumfahrzeug heran. Der Wetterbericht verspricht nichts Gutes in dieser Nacht. Die Behörden erwarten, dass der Sturm deutlich zunimmt. Der Winter schlägt wieder zu. Der Platz wird sicherheitshalber evakuiert. Alle, die sich auf eine gemütliche Nacht eingestellt haben, müssen nun das Nordkap verlassen. Das bedeutet zügig zusammenzupacken und dann hinter dem Schneepflug im Konvoi aufreihen. Ich schätze im Dunkel der Nacht, dass sich etwa 15 Fahrzeuge einfinden, um dem Wintersturm zu entkommen. Bis der Konvoi aufgereiht ist, nutze ich die Zeit und spreche mit dem Fahrer. Der Plan ist, alle Fahrzeuge etwa 15 Kilometer sicher bis zu einem Abzweig zu geleiten. Von dort sei die Straße nach Süden derzeit noch gut befahrbar. Derzeit. Es sei jedoch ungewiss, wie lange noch…

Offroad-Winterreise
Aufreihen hinter dem Räumfahrzeug bevor es im Konvoi durch die eisige Nacht geht.

Vor einigen Tagen bin ich vergleichsweise spontan zu einer weiteren Offroad-Winterreise mit dem Landy in den hohen Norden aufgebrochen

Die Covid-19-Regulierungen sind zu diesem Zeitpunkt in den nordischen Ländern nahezu aufgehoben. Die Wetterbedingungen ideal. Die Winterreifen mit Spikes liegen bereit und der Landy freut sich mindestens genauso wie ich auf die Tour. Wenn nicht jetzt, wann dann? Also mache ich mich in aller Frühe auf den Weg.

Als ich zum Auto schlendere, ist es noch dunkel, doch frühlingshaft und hier und da zwitschern ein paar Vögel. Warum fahre ich ausgerechnet jetzt in die Kälte? Nun, das Abenteuer ruft. Ich drehe den Zündschlüssel um, der Diesel erwacht und wenig später brummt der Landy gemütlich und zufrieden gen Norden. Von jetzt an gibt es nur eine Richtung: Nordwärts. Etwa 1.000 Kilometer sind es bis zur Fähre. Schnell komme ich auf der Autobahn voran, passiere im Nu bekannte Städte wie Frankfurt am Main, Kassel, Hannover und Hamburg und bin bereits am frühen Nachmittag in Dänemark. Es folgt eine kurze Dokumentenkontrolle an der Grenze und ich bin wieder auf der Strecke. Am Abend erreiche ich Hirtshals, die kleine Hafenstadt im Norden Dänemarks.

In Windeseile ist der Fährhafen von Hirtshals erreicht.

Von hier fahren die Fähren nach Norwegen und Island. Es ist noch etwas Zeit bis zur Abfahrt der Schnellfähre, welche mich nach Larvik in Südnorwegen bringt. Das bunte Treiben in Häfen ist immer spannend. Denn sie haben etwas von Aufbruch zu etwas Neuem, zu einer Reise. Das ist toll. Bald beginnt das Boarding und schon vier Stunden später macht der Kutter im südnorwegischen Larvik fest. Es ist mittlerweile 2:30h am Morgen, die Straßen sind leer. Ich habe mich mit Freunden verabredet, mit denen ich die nächsten Tage verbringe. Darauf freue ich mich. Doch um diese Zeit wecke ich niemanden, parke den Landy, klappe das Dach auf und schlafe erst einmal aus.

Am nächsten Morgen ein großes Hallo und ausgiebiges Frühstück

Danach stecken wir die Räder um. Vor hier an werden die Straßen- und Wetterverhältnisse in Richtung Norden immer winterlicher und es warten viele tausend Kilometer auf völlig vereisten Straßen. Da sind gute Reifen wichtig und für mich führt hier seit Jahren kein Weg an bespikten Winterreifen vorbei. Damit ist die Fahrt nicht nur sicher, sondern es macht geradezu Spaß auf den winterlichen Straßen unterwegs zu sein. Sehr empfehlenswert. Nach ein paar schönen Tagen, geht es endlich weiter nach Norden. Zügig steuere ich auf kleinere Straßen und mit jedem Kilometer wird es winterlicher. Bald ist die Landschaft ringsherum komplett weiß und der Schnee türmt sich rechts und links auf. Winterwunderland.

Auf geht´s in den Norden

Nanu, was ist das? Eine riesige Elch Statue. Geradezu fantastisch beleuchtet in der Dunkelheit. Wusstet ihr, dass „The big silver moose“ ebenso bekannt als „Storelgen“ die zweitgrößte Elch Statue der Welt ist und eben hier in Norwegen steht?  Einige von Euch kennen bestimmt die Statue „Mac the Moose“. Sie ist die größte Elch Statue der Welt und würde extra mit einem größeren Geweih ausgestattet, damit sie weiterhin diesen Titel behält. Menschen machen lustige Sachen. Ich verweile ein wenig und mache zahlreiche Fotos. Während diese Sehenswürdigkeit im Sommer sehr gut besucht ist, bin ich jetzt im Winter ganz alleine.

Offroad-Winterreise
„The big silver moose“ oder auch bekannt als „Storelgen“ ist die zweitgrößte Elch Statue der Welt.

Auf dem weiteren Weg liegt Røros. Die Stadt Røros ist eine ehemalige Bergbaustadt und Welterbe der UNESCO. Hier wurde bis in die 1970er Jahre Kupfererz abgebaut und die Gegend ist nahe der Grenze zu Schweden bekannt für ihr raues Klima. So hält Røros in Norwegen einen Kälterekord mit einer gemessenen Temperatur von etwas unter minus 50 Grad Celsius. So kalt ist es aktuell glücklicherweise nicht. Doch winterlich ist es mit viel Schnee und etwa minus 15 Grad Celsius allemal.

Über Nacht hat heftiger Schneefall eingesetzt

Als ich an diesem Morgen aus dem Klappdach blinzle, sehe ich eine wunderbare Winterlandschaft. Die Kälte zieht etwas unangenehm in der Nase, doch der Ausblick auf die mit Schnee bedeckten Hügel und Bäume ist wunderschön!

Die nächsten Tage zeigt die Motorhaube meines Landys stets nach Norden. Die Spikes krallen sich in die vereiste Fahrbahnoberfläche und es macht große Freude durch die traumhafte Winterlandschaft zu cruisen. Innen ist es gemütlich, während das Außenthermometer Temperaturen bis rund minus 30 Grad anzeigt und die wie mit Puderzucker bedeckte Landschaft vorbeizieht. Hier und da lege ich einen Stopp ein, genieße die friedliche und verträumte Winterlandschaft oder einen leckeren Kaffee.

Die abwechslungsreiche Winterlandschaft lädt zu zahlreichen Stopps und zum Verweilen ein.

Beim Passieren des Polarkreises ist es bereits fast dunkel. Macht nichts. Das Polarkreis Center ist um diese Jahreszeit ohnehin geschlossen und es türmen sich meterhoch die Schneemassen vor den Zufahrten und Eingängen auf. Die letzten Sonnenstrahlen des kurzen Tages zaubern eine tolle Abendstimmung.

Offroad-Winterreise
Die früh einsetzende Dämmerung…

 

Offroad-Winterreise
… zaubert oft eine ganz besondere Stimmung.

Ein weiterer Höhepunkt auf dieser Offroad-Winterreise mit dem Landy ist der Polar Park

Den Polar Park hatte ich nicht auf dem Plan und das obwohl ich oft im Sommer in dieser Gegend unterwegs war. Plötzlich taucht ein Schild am Wegesrand auf – „Polar Park“ rechts ab. Unter anderem solche Situationen machen das Overlanding ja so interessant, Ihr entdeckt etwas auf der Karte oder einen Wegweiser und schaut spontan mal nach, was es da so zu sehen gibt. Gesagt getan. Der Polar Park ist der nördlichste Tierpark der Welt. Dort könnt ihr bei einem Besuch Wölfe, Bären, Elche, Vielfraße, Luchse und viele andere Tiere mehr sehen. Das ist jetzt im Winter besonders interessant und es herrscht eine besondere Atmosphäre im Park. Durch die Größe von 110 Hektar aufgeteilt in nur zwölf Gehege haben die Tiere vergleichsweise viel Platz. Doch es ist dadurch nicht so einfach die Tiere zu finden und zu sehen. Die Braunbären könnt ihr um diese Zeit nicht sehen. Die halten ihren wohlverdienten Winterschlaf.

Dafür sind die Elche und Polarfüchse geradezu neugierig, die Rentiere laufen ohnehin frei überall herum wo es ihnen gefällt und mir gelingt es tatsächlich ein paar fotoscheue Moschusochsen in der Ferne mit dem Kameraobjektiv einzufangen. Moschusochsen sind faszinierende Tiere. Sie sind gut an die Natur angepasst und machen den Eindruck, dass sie aus einer anderen Welt sind. Das ist mir bereits vor Jahren aufgefallen, als ich die „Musk Ox Farm“ in Palmer, Alaska besucht habe. Wusstet ihr übrigens, dass Moschusochsen rund sechs Monate im Jahr eine negative Nahrungsbilanz haben? Sie sind hervorragend an die Kälte adaptiert und zehren in den Wintermonaten von ihren Fettreserven. Die Natur ist so spannend, schön und einzigartig.

Die Moschusochsen trotzen der Kälte und sind hervorragend an die Natur angepasst.

Hier und da mal ein paar Schneeverwehungen und dennoch ist es meist windstill und sonnig

Die Temperaturen schwanken weiter im Norden nur noch im einstelligen Minusbereich. Die nächsten Tage soll es so bleiben. Dies erscheint mir als idealer Zeitpunkt das Nordkap in Angriff zu nehmen…

Der Wetterbericht verspricht weiter ideale Bedingungen. Das kann sich hier im Norden sehr schnell ändern und ein regelmäßiger Blick in die Wetterkarte sowie die Straßenzustandsberichte sind sehr wichtig. Doch ich bin guter Dinge und geradezu euphorisch, dass bald ein jahrelanger Traum in Erfüllung geht: das Nordkap im Winter zu erreichen. Die Straße ist jetzt komplett vereist.

Offroad-Winterreise
Herrliches, sonniges Winterwetter begleitet mich auf den letzten Kilometern zum Nordkap.

Am Straßenrand steckt ein Geländewagen in einer Schneewehe fest. Eine Mitarbeiterin der nahegelegenen Baustelle ist bereits zur Stelle und versucht mit einem Pickup den Havaristen aus dem Schlamassel zu befreien. Das sieht nicht gut aus und so stoppe ich sofort und schaue, ob ich helfen kann. Die Bergeversuche scheitern. Ich probiere es nochmal mit einem kinetischen Seil und der Seilwinde. Keine Chance den Havaristen freizubekommen. Die Situation erinnert ein bisschen an Tetris, denn er ist mit sehr hoher Geschwindigkeit in einen durch den Schneepflug zuvor verdichteten Schneehaufen geschlittert und steckt formschlüssig darin. Millionen von winzigen Schneeflocken sind so fest zusammengeschoben, dass an schaufeln nicht zu denken ist, gemeinsam sind sie stark. Starke Hilfe naht in Form eines großen Radladers von der Baustelle. Und so kann ich meine Fahrt fortsetzen, nachdem ich noch ein paar nette Worte mit dem Unglücksraben gewechselt habe.

Offroad-Winterreise
Auch der Landy macht einen zufriedenen Eindruck und scheint sich in der Winterlandschaft wohl zu fühlen.

Und dann ist es endlich soweit. Das Nordkap ist erreicht. Die Freude ist groß.

Jetzt im Winter herrscht hier eine ganz besondere Stimmung. Das Zwielicht der Dämmerung hat an diesem Februar-Nachmittag lange eingesetzt und langsam bricht die Dunkelheit herein. Ich genieße die letzten Sonnenstrahlen am Kap. Kurz bevor es dunkel wird, darf mein Bergeseil nochmal ran. Ein kleiner Kastenwagen hat sich im Schnee festgefahren. Das ist keine große Sache und im Nu ist der Havarist wieder frei.

Die letzten Sonnenstrahlen des Tages verschwinden und ein bitterkalte Nacht bricht herein.

Nun, was dann passiert ist, wisst ihr ja teilweise schon. Noch bevor sich der Konvoi hinter dem Schneepflug in Bewegung setzt, nutze ich die Zeit und spreche mit dem Fahrer. Er gibt mir den Tipp, dass es – auch wenn es spät und stockfinster ist – wenig Sinn mache dort zu übernachten, wo die Kolonnenpflicht endet. Es könne gut passieren, dass der Sturm zunehme und die Strecke für einige Zeit gesperrt werde. Er empfiehlt, rund 120 Kilometer weiterzufahren. Diesen Rat nehme ich gerne an, bedanke mich und fahre nach Ende der Konvoi-Pflicht weiter durch die verschneite Nacht. Die Flocken tanzen wie wild im Sturm vor der Windschutzscheibe umher. Jetzt sind eine vorausschauende Fahrweise und sehr gutes Licht wichtig…

Der Wind treibt den Schnee weiter kräftig und mit spielerischer Leichtigkeit über die Straßen. Nun sind mir die vielen Tunnels hier im hohen Norden sehr willkommen, bieten sie doch ein wenig Schutz. Die Tunnel sind übrigens mit einem Vorhangsystem versehen, welches die Einfahrt im Winter erst freigibt, sobald sich ein Fahrzeug nähert. Eine praktische Sache.

Mittlerweile kriechen Minuten- und Stundezeiger der Uhr über die 12. Kurz darauf erreiche ich das angepeilte Ziel und suche mir einen windgeschützten Platz für den Rest der Nacht.

Am nächsten Morgen hat sich die Wetterlage etwas beruhigt

Auf dem weiteren Weg nach Finnland machen Schneewehen das Fortkommen mühsam und es bleibt winterlich. Die Straße ist leer. Nur ein paar Rentiere sind an diesem winterlichen Morgen unterwegs, begleiten mich ein Stück des Wegs und verschwinden dann wieder zwischen den schneebedeckten Bäumen.

Offroad-Winterreise
Außer ein paar Schneeverwehungen und Rentieren ist nichts los an diesem winterlichen Morgen.

Der Inari See oder Inarijärvi ist ein großer See in Lappland. Durch seine über 3.000 Inseln habt ihr hier nicht das Gefühl an einem See zu sein, sondern eher an einem Wasserstraßensystem. Und dennoch ist er der drittgrößte See Finnlands und liegt noch nördlich des Polarkreises. Durch diese weit nördliche Lage kann es durchaus passieren, dass der See bis fast Mitte des Jahres zumindest in Teilen zugefroren ist.

In der Region Inari gönne ich mir mal eine Auszeit vom Autofahren und packe die Schneeschuhe aus. Auf dem örtlichen Campingplatz bekomme ich einen Tipp für eine schöne Wanderung zu einem Aussichtspunkt. Der Weg ist zwar mit Banderolen an den Bäumen markiert, doch gerade jetzt im Winter, wo alles so herrlich mit Schnee bedeckt ist, sieht alles gleich aus und es bedarf besonderer Aufmerksamkeit, den Weg nicht aus den Augen zu verlieren.

Eine Schneeschuhtour sorgt für Abwechslung.

Die arktischen Regionen faszinieren mich seit jeher und so darf ein Besuch des Arktikum in Rovaniemi nicht fehlen. Das Arktikum besteht aus zwei Institutionen: dem Provinzmuseum Lappland und dem Arktischen Zentrum. Ein Besuch ist lohnenswert. Hier könnt ihr unter anderem etwas über die Geschichte Lapplands und die Völker des Nordens, ihr Leben und ihre Kultur erfahren.

Ein weiterer Höhepunkt dieser Offroad-Winterreise – die Fahrt mit dem Eisbrecher

Seit meinem letzten Besuch der Kleinstadt Kemi im Norden Finnlands vor etwa zwanzig Jahren, hat sich einiges verändert. Doch eines ist geblieben. Kemi ist der Heimathafen von Sampo, einem Eisbrecher aus den 1960er Jahren. Sampo ist bereits seit Anfang der 90er Jahren außer Dienst gestellt. Nicht weil er schwächlich ist, sondern weil er zu schmal ist um eine ausreichend breite Rinne für die modernen Containerschiffe zu brechen. Schwächlich ist der Eisbrecher Sampo ganz und gar nicht. Den Antrieb übernehmen vier Zwei-Takt Dieselmotoren. Zusätzlich gibt es noch mehrere Hilfsaggregate. Alle zusammen bringen 8.800 PS. Die Propeller sind elektrisch angetrieben. Der rund 60 Jahre alte Eisbrecher ist in der Lage, bis zu 120 cm dickes Eis zu brechen. Beeindruckende Technik.

Die Stadt Kemi an der Oststee ist Heimathafen des Eisbrechers Sampo.

Ich erzählte euch ja schon, dass mich die arktischen Regionen seit langer Zeit faszinieren und so hatte ich mir seit längerem gewünscht auf einem Eisbrecher mitzufahren. Da kommt es gerade passend, dass der Eisbrecher heutzutage für touristische Fahren genutzt wird und mir gelingt es doch tatsächlich spontan eines der begehrten Tickets zu ergattern.

Das Check-in für die Fahrt ist schnell erledigt und so ist noch ausreichend Zeit eine andere Winter-Attraktion anzusehen: das Schneeschloss von Kemi. Das Schneeschloss bauen die Finnen hier seit 1996 jedes Jahr aufwändig auf. Jedes Jahr mit einem anderen Motto und anderen Skulpturen. Das Motto in diesem Jahr ist: Glück. Das passt sehr gut, erwiesen sich die Finnen in einer Umfrage im letzten Jahr wieder als das  glücklichste Volk der Welt.

Das Schneeschloß Kemi und seine Skulpturen werden jedes Jahr erneut aufgebaut…

 

… das Motto in diesem Jahr ist „Glück“.

Nach einer kurzen Busfahrt zum Hafen ist es dann endlich soweit

Die Aufregung steigt. Da liegt er: der Eisbrecher Sampo. Es geht an Bord. Kurz darauf brummt, vibriert und rumpelt es und der mächtige Rumpf schiebt sich angetrieben von mehreren tausend Pferdestärken aus dem Hafen. Mühelos bricht sich der Eisbrecher einen Weg durch die zugefrorene Ostsee frei. Das Eis kracht und knirscht. Die Eisdicke beträgt etwa 40cm.

Kraftvoll und mühelos bricht Sampo das etwa 40 Zentimeter dicke Eis der winterlichen Ostsee.

Ein besonderer Höhepunkt unterwegs: der Ausstieg auf das Eis. Jetzt besteht die Möglichkeit sich einen der roten Überlebensanzüge überzustreifen und für ein paar Minuten im eisigen Wasser zu treiben. Das lasse ich mir nicht entgehen!

Später bahnt sich Sampo seinen Weg in den Hafen zurück. Ein fantastischer Tag, an den ich mich gerne erinnere, geht zu Ende.

Ein Höhepunkt ist der Ausstieg auf dem Eis.

Die eisige Straße ruft

Jetzt ist es aber mal wieder an der Zeit on the road zu sein. Und passend dazu meldet der Wetterbericht für die Mitte und im Süden Finnlands heftige Schneefälle und der Straßenzustandsbericht verheißt mal wieder nicht viel Gutes. Doch so sollte es ja sein. Winterabenteuer. Für den späten Abend habe ich trotz Beginn der Ferien in Finnland noch einen Platz auf der Fähre von Turku nach Stockholm ergattert. Daher bin ich bereits gegen 6 Uhr hellwach und während die Standheizung bei etwa minus 20 Grad den Motor auf betriebsfreundliche Temperaturen bringt, genieße ich die erste dampfende Tasse Kaffee des Tages.

Offroad-Winterreise
Auf vereisten Straßen geht es südwärts.

Hier und da ist die Strecke vereist und teils schneebedeckt. Unterwegs passiert etwas eher Ungewöhnliches. Wer einmal in Skandinavien unterwegs war, weiß, dass Staus – ausgenommen in den großen Städten – eine Seltenheit sind. Doch das Winterwetter sorgt auch hier für Unfälle und so habe ich tatsächlich etwas staubedingten Aufenthalt auf dem Weg nach Turku.

Boarding der Fähre im finnischen Turku, die den Landy und mich sicher über die winterliche Oststee bringen wird.

Es sind oft die Begegnungen mit Menschen, die das Reisen abwechslungsreich machen und das Leben bereichern

Tolle Landschaften, spannende Strecken, interessante Sehenswürdigkeiten. All das zieht uns Overlander immer wieder in die Ferne. Und oft sind es die Begegnungen mit Menschen, die das Reisen abwechslungsreich machen und das Leben bereichern. Manchmal machen Menschen eine Reise unvergesslich.

Darum freue ich mich ganz besonders in den nächsten Tagen ein paar Verabredungen mit anderen Overlandern und Offroadbegeisterten zu haben. Ich treffe Jukka mit seinem Jeep an einem Truckstopp. Das ist jetzt nicht der schönste Ort für ein Treffen. Doch darum geht es nicht. Wir machen es uns mit einer Tasse Kaffee im Warmen bequem und plaudern lange Zeit übers Reisen, Fahrzeuge, Länder, Alltägliches und vieles mehr. Es sind oft diese kleinen Momente, die das Leben bereichern.

Es ist noch früh am Morgen, als die Fähre in Stockholm anlegt. Nach ein paar Kilometern biege ich auf einen kleinen verschneiten Waldweg ab und finde einen schönen Spot am See. Und was darf nicht fehlen? Erst einmal den Gaskocher und den Wasserkessel ausgepackt und eine leckere Tasse Kaffee zubereitet. Nun kann der Tag beginnen.

Auch auf den heutigen Tag freue ich mich ganz besonders. Gegen Mittag treffe ich Bengt. Er ist ebenfalls Land Rover Fan und hatte mich über ein Forum kontaktiert. Wir hatten vereinbart, dass ich mich bei ihm melde, wenn ich in seine Gegend komme. Gesagt getan. Schon sind wir unterwegs in  der landschaftlich schönen Umgebung, nehmen kleine Waldwege unter die Stollen und bewundern einige der schönen kleinen Schlösser, die für die Gegend westlich von Stockholm typisch sind.

Spontaner Frühlingsanfang im Süden

Ich traue meinen Augen nicht. Wo sind Schnee und Eis hin? Die Sonne lacht vom Himmel. Und was ist das? Die Vögel zwitschern. Es ist tatsächlich Frühling in Südschweden! Ich mag den Winter mit viel Schnee und Eis und frostigen Temperaturen sehr. Doch das frühlingshafte Wetter macht jetzt richtig gute Laune!

 

Einen geradezu frühlingshaften Empfang bereitet Südschweden.

Heute besuche ich gemeinsam mit Todd die Insel Öland. Er ist ebenfalls Land Rover Enthusiast und kurze Zeit später rollen wir mit unseren Landys über die Brücke auf die kleine schwedische Ostseeinsel. Sie ist rund 140 Kilometer lang und an der breitesten Stelle fast 20 Kilometer breit. Große Teile der Insel bestehen erosionsbedingt aus einer Karst- und Heidelandschaft. Bekannt ist Öland ebenso für die Vielzahl von Windmühlen, die es hier zu sehen gibt. Die Insel lädt zum Verweilen ein und dank der hervorragenden Ortskenntnisse meines Begleiters finden wir einen tollen Platz direkt am Meer. Schon bald knistert das Lagerfeuer und wir tauschen bei Meeresrauschen Reisegeschichten aus. Ein toller Ausflug!

Nun ist diese Offroad-Winterreise mit dem Landy fast zu Ende

Doch nur fast. Denn zum einen lässt sich das Wetter nochmal etwas einfallen und zum anderen verbringe ich auf dem Rückweg noch ein paar schöne Tage bei Freunden in Südnorwegen. Nach dem plötzlichen Frühlingsbeginn fallen wenige Kilometer weiter über Nacht etwa 25 Zentimeter Neuschnee.

Eine großartige Reise geht zu Ende. Ich freue mich über die vielen tollen Erlebnisse, netten Begegnungen, die gute Zeit und denke gern an die Tour zurück. Dies war sicherlich nicht meine letzte Offroad-Winterreise mit dem Landy.

Wart Ihr im Winter schon einmal in arktischen Regionen unterwegs? Was machen solche Touren aus? Nun bei guter Vorbereitung kann so eine Offroad-Winterreise ein echtes Vergnügen sein und atemberaubende Ausblicke auf schneebedeckte Berge, märchenhafte Winterlandschaften oder wer weiß, wunderbares Polarlicht entschädigen euch als Reisende für die Kälte. Polarlichter bekam ich diesmal nicht zu sehen. Ein Grund mehr in einem der nächsten Winter wiederzukommen.

Viele Tipps rund um die Vorbereitung eures Fahrzeugs und eurer Ausrüstung auf den frostigen Winter und zur Planung eurer Offroad-Winterreise haben wir übrigens in den folgenden Artikeln für euch zusammengestellt:

Offroad-Reisen im Winter

Wintercamping – Nützliches, Praktisches und Bewährtes

Überwinterung und Batterie-Wartung bei wenig genutzten Fahrzeugen

Winterreifen für Offroader

Wir machen unseren Offroader winterfit

Blindflug ade – sehen und gesehen werden

Oder schaut einmal auf unsere Winter-Themenseite. Viele weitere Tipps findet ihr in unserem Überblick zu Offroad-Reisen in den nordischen Ländern. Viel Spaß beim Stöbern.

 

© Fotos: Björn Eldracher