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Quaife ATB Torsen © Quaife
ATB Torsen von Quaife. © Quaife

Sperriger Ausgleich – Das Torsen-Differenzial – Teil 2

Was ein Differenzial ist und wozu Differenzialsperren dienen, haben wir im ersten Teil unserer kleinen Serie beschrieben. Dort haben wir auch das 100-Prozent-Sperrdifferenzial vorgestellt. Diesmal erklären wir, wie das Torsen-Differenzial funktioniert, welche Vor- und Nachteile es hat und wo man es am besten einsetzt.

Dies ist der zweite Teil unserer Reihe über Differenzial-Sperren.

Die ganze Artikelserie über Differenzial-Sperren

Dass ein normales, offenes Differenzial im Gelände schnell an seine Grenzen kommt und dass ein Sperrdifferenzial die beste Lösung für ernsthaftes Offroad-Fahren ist, wissen wir aus dem ersten Teil. Auch der Nachteil des Sperrdifferenzials, der fehlenden Alltagsnutzen, wurde beschrieben. Damit haben wir die beiden äußeren Ränder des Spektrums betrachtet. Das offene Differenzial, ohne jegliche Sperrwirkung für den Straßenbetrieb und die 100-Prozent-Sperre, die nur im Gelände eingesetzt werden darf, dort aber nicht zu schlagen ist.

Torsen Limited-Slip-Differenzial

Was ist mit dem Bereich dazwischen? Gibt es Differenziale, die auf Asphalt einen Nutzen haben und auch im Gelände nützlich sind? Ja, die gibt es. Ein robuster Vertreter dieser Sperren stammt aus der Familie der Limited-Slip-Differenziale. Als Limited-Slip werden Differenziale bezeichnet, die wie es der Name vermuten lässt, einen begrenzten Schlupf zulassen. Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher technischer Ausführungen dieses Typs. In diesem Teil beschäftigen wir uns mit dem Torsen-Differenzial. Es besitzt eine ständige Sperrwirkung, die nie 100 Prozent erreicht, aber bis auf eine Ausnahme permanent vorhanden ist. Es kann auf jedem Untergrund gefahren und muss weder ein- noch ausgeschaltet werden.

Wirkung und Einsatzgebiet

Der Name, ein Kunstwort zusammengesetzt aus den englischen Wörtern „Torque“ für Drehmoment und „Sense“ für fühlen, suggeriert, dass das Torsen das Drehmoment erfühlt. Das ist so nicht ganz richtig, denn es ist ein rein-mechanisches Differenzial, welches ohne Fühler oder Sensoren auskommt. Es ist ein Getriebe zwischen den beiden Rädern oder zwischen der Vorder- und Hinterachse, je nachdem wo es eingebaut ist. Es gleicht Drehzahldifferenzen aus und kann dabei das Drehmoment ungleichmäßig verteilen. Das Verhältnis, in dem das Drehmoment zwischen den beiden Seiten verteilt werden kann, heißt Torque-Bias-Ratio, oder kurz TBR (siehe erster Teil). Diese Eigenschaften besitzen das offene und das Sperrdifferenzial nicht.

Zur Erinnerung: Während bei dem offenen Differenzial das Drehmoment entweder zu gleichen Teilen auf beide Räder abgegeben wird oder am traktionslosen Rad verpufft, verteilt das 100-Prozent-Sperrdifferential die Kraft immer im gleichen Verhältnis. Das Torsen-Differenzial hingegen multipliziert die Kraft, die am traktionsarmen Rad noch abgegeben werden kann, im Verhältnis des TBR auf das traktionsstärkere bzw. langsamer drehende Rad. Es ist nicht in der Lage eine Achse vollständig zu sperren. Ist ein Rad ohne jegliche Traktion, verhält es sich wie ein offenes Differenzial. Diese Eigenschaft ist die größte Schwäche des Torsen-Differenzials.

Die Verteilung basiert auf Reibung (Friktion), die auf verschiedene Arten erzeugt wird. Die Friktion widersetzt sich dem Drehzahlausgleich zwischen beiden Seiten bis zu einem gewissen Punkt. Ist dieser überwunden, findet der Ausgleich statt. Gleichzeitig leitet es mehr Drehmoment auf die Seite mit der höheren Traktion.

Auswirkung auf das Fahrverhalten

Wie alle Differenziale hat auch das Torsen-Ausgleichsgetriebe Auswirkungen auf das Fahrverhalten, gerade wenn es in einer oder beiden Achsen eingebaut ist. Es wirkt nur im Zug- und Schubbetrieb, wenn entweder vom Motor oder über die Räder eine Kraft (Drehmoment) über das Torsen-Differenzial übertragen wird. Im Teillastbetrieb, während das Fahrzeug nur mit wenig Kraft angetrieben rollt, oder beim Bremsen, hat es keine Wirkung.

Im Alltag auf Asphalt
Bei Fahrt auf trockener, gerade Straße spürt der Fahrer keine Änderung des Fahrverhaltens. Ist das Torsen-Differenzial in der Vorderachse eingebaut, merkt der Fahrer die sperrende und die stabilisierende Wirkung beim Durchfahren einer Kurve als Widerstand gegen die Lenkung. In der Hinterachse eingebaut wirkt ein Torsen-Differenzial bei Kurvenfahrt stabilisierend. Es weiß nicht, dass es sich in einer Kurvenfahrt befindet, merkt aber, dass sich das äußere Rad schneller dreht. Für das Torsen ist das gleichbedeutend mit einem Traktionsverlust und es gibt in der Folge mehr Drehmoment auf das kurveninnere Rad. Durch das größere Drehmoment auf der inneren Seite entsteht ein stabilisierendes, zum Kurvenäußeren gerichtetes Giermoment. Der Fahrer merkt im Lenkrad keinen Widerstand, aber eine untersteuernde Wirkung des Fahrzeugs.

Gluehbirne-Idee-Erklaerung

Höhere Kurvenagilität

Der stabilisierende Effekt des Torsens kann gezielt umgekehrt werden. Im Motorsport wird das genutzt um mehr Agilität während der Kurvenfahrt zu erreichen. Das kurveninnere Rad erhält in der Kurve mehr Drehmoment, ist aber gleichzeitig durch die Seitenneigung des Fahrzeugs vom Gewicht entlastet. Dadurch kann es leichter zum Durchdrehen gebracht werden, wenn genug Gas gegeben wird. Dreht es durch, beschleunigt es bis auf die Geschwindigkeit des äußeren Rades. Hat es die gleiche Drehzahl erreicht, verriegelt das Torsen-Differenzial. Das geht sehr schnell, es kommt nur zu einem kurzen Durchdrehen. Durch diese Verriegelung erhält nun das äußere Rad ein höheres Drehmoment. In Folge kehrt sich das Giermoment um und wirkt nun nicht mehr zum Kurvenäußeren sondern zum Inneren. Die Agilität des Fahrzeug steigt. Rallyefahrer bringen so das Heck zum Ausbrechen und in den Drift.


Bei schlechten Wetterverhältnissen
Beim Beschleunigen auf unterschiedlich haftendem Untergrund verhält sich das Fahrzeug stabiler als ohne Torsen-Differenzial. Beschleunigt das Fahrzeug beispielsweise während eine Seite sich auf rutschigen Untergrund befindet, wird dort das Drehmoment reduziert, ohne dass eine Drehzahlreduzierung erfolgt. Bei einem offenen Differential würde das traktionsärmere Rad anfangen durchzudrehen und das Gesamtdrehmoment sinkt ab. Die Folge wäre ein unstabiles Fahrverhalten, das Fahrzeug neigt mit offenem Differenzial zum Drehen.

Das Torsen-Differenzial im Offroad-Einsatz
Im Gelände ist es besser ein Torsen in einer oder beiden Achsen eingebaut zu haben, als keinerlei Sperre. Aber an die Leistung eines Sperrdifferenzial reicht es nicht heran. Das Torsen ermöglicht es nur bis zu einem gewissen Grad an Traktionsverlust, das Drehmoment und den Vortrieb zu erhalten.

Erinnern wir uns an unser Beispielfahrzeug aus dem ersten Teil. Diesmal hängt nicht ein Rad in der Luft, sondern es steht beispielsweise auf nassem Schlamm. Das andere Rad der Achse steht auf trockener Erde. Das Rad, welches auf Schlamm steht, hat weniger Traktion, aber es kann dort noch ein kleines Drehmoment aufgebaut werden.

Bei einem offenen Differenzial wäre dieses geringe Drehmoment gleichzeitig das maximale Drehmoment für alle angetriebenen Räder. Reicht es aus, bevor das Rad durchdreht, kann das Fahrzeug losfahren. Reicht es nicht, beginnt das Rad durchzudrehen, das Drehmoment bricht weiter zusammen und das Fahrzeug bleibt stehen.

Ist ein Torsen-Differenzial in der betroffenen Achse eingebaut, verteilt es bei einem TBR von beispielsweise 4:1 vier mal so viel Drehmoment auf das Rad mit höherer Traktion, als das Rad auf dem Schlamm noch übertragen kann. Dadurch ist die Chance weitaus größer, dass ausreichend Drehmoment auf gute Traktion trifft um Losfahren zu können, ohne dass das traktionsarme Rad durchdreht.

Was ist aber, wenn das Rad nun doch in der Luft hängt, also keine Traktion hat und dort kein Drehmoment aufgebaut werden kann? Dies ist die Schwäche des Torsen, denn dann verhält es sich genauso wie ein offenes Differenzial. Es ist leicht auszurechnen warum. Wenn das Drehmoment im Verhältnis 4:1 verteilt wird, bedeutet das bei null Drehmoment am traktionslosen Rad vier mal soviel Drehmoment am traktionsstarken Rad, also gleichfalls null.

Gluehbirne-Idee-Erklaerung

Der Trick mit der Bremse

Mit einem Trick kann der Fahrer versuchen, in solch einer Situation doch noch weiter zu kommen: Durch leichtes Abbremsen des traktionslosen Rads, entsteht dort wieder ein Drehmoment. Das Torsen-Differenzial überträgt dieses dann im TBR-Verhältnis auf das andere Rad mit Grip. Elektronische Traktionskontrollen überlisten so offene Differenziale, nur dass bei diesem elektronischen Helferlein das einzelne Rad gezielt über das ABS-System gebremst wird und das übertragene Drehmoment nicht größer sein kann als am abgebremsten Rad.

Bei Fahrzeugen, bei denen die Handbremse auf die Räder wirkt, kann dieses Manöver durch leichtes Anziehen der Handbremse probiert werden. Bei Fahrzeugen, bei denen die Bremse auf die Kardanwelle wirkt (zum Beispiel Land Rover Defender) und das Standgas nicht ausreicht um voran zu kommen, muss mit dem rechten Fuß das Gas reguliert und mit dem linken Fuß das Bremspedal vorsichtig betätigt werden. Der Fahrer sollte dieses Manöver unbedingt vorher üben! Schließlich möchte niemand plötzlich einen Satz mit dem Fahrzeug machen und im nächsten Baum landen. Wer das ausprobiert wird schnell merken, wie ungewohnt es ist und wie wenig Gefühl für die Bremse im linken Fuß sitzt.


Das Torsen als Mitteldifferential

Für einige Geländewagen gibt es Torsen-Differenziale als Mitteldifferenzial zum Nachrüsten. In der Regel bleibt die Möglichkeit zum Sperren des Mitteldifferenzials auch mit einem Torsen erhalten. Im Zweifelsfalle kann dies beim Hersteller erfragt werden. Damit könne die Vorteile eines Torsen auch an dieser Stelle genutzt werden.

Torsen-Differenzial - Quaife ATB Torsen © Quaife
ATB Mittel-Torsen von Quaife für das LT230 Verteilergetriebe.
© Quaife

In Wettbewerben, bei denen es um schnelles Fahren geht, werden gerne Torsen mit hoher TBR als Mitteldifferenzial verbaut. Sie unterstützen die unterschiedlichen Anforderungen an die Kraftverteilung beim Kurvenfahren. Beim Kurveneintritt mit starkem Bremsen ist es neutral. Bei der Kurvenausfahrt, in der stark beschleunigt wird und die Hinterräder stark auf den Boden gepresst werden, verteilt es die meiste Kraft nach hinten um den starken Grip zum Vortrieb zu nutzen. Gleichzeitig entzieht es den vom Gewicht entlasteten Vorderrädern Antriebskraft, damit diese nicht durchdrehen.

Fazit zum Torsen-Differenzial

Für Reisefahrzeuge und bei Offroadeinsätzen, bei denen man die Wahl hat, auch eine andere Route zu nehmen, ist das Torsen-Differenzial eine sehr gute Wahl. Bleibt das Fahrzeug dennoch einmal stecken, kann es noch mit den üblichen Mitteln, zum Beispiel einer Winde, geborgen werden. Es kann auf allen Untergründen gefahren werden, ohne dass sich der Fahrer darum kümmern muss. Es hat einen positiven Einfluss auf das Fahrverhalten, auch im Alltag. Die Wartungsfreiheit und die Neutralität gegenüber Fahrassistenzsystemen sind weitere, wichtige Pluspunkte.

Auch Wüstenfahrer sind mit einem Torsen-Differenzial gut bedient, denn dort gibt es häufiger die Situation mit reduzierter Traktion. Im Geländeeinsatz ist es besser als ein Differenzial ohne jegliche Sperrwirkung, ist aber mit völligem Traktionsverlust überfordert. Daher ist es für den primären Geländeeinsatz nicht das System erster Wahl.

Zu den Vorteilen zählen:

  • Es kann auf allen Untergründen gefahren werden
  • Es hat in alltäglichen Fahrsituationen eine stabilisierende Wirkung
  • Es ist verschleißfrei und robust
  • Es muss nicht ein- und ausgeschaltet werden
  • Es muss nicht angeregt werden, die Wirkung ist ständig vorhanden
  • Es kann starken Belastungen standhalten und schont dabei den Antriebsstrang
  • Es verhält sich ABS und anderen Fahrassistenzsystemen gegenüber neutral

Die Nachteile sind:

  • Bei vollständigem Traktionsverlust hat es keine Sperrwirkung mehr
  • In der Vorderachse eingebaut, hat es Einfluss auf das Lenkverhalten

Aufbau und Funktion des Torsen-Differenzial

Die drehmoment-verteilende Wirkung des Torsen basiert auf Reibung, die innerhalb des Torsen-Getriebes auf verschiedene Arten erzeugt wird. Es gibt drei grundlegende Typen A, B und C, auch Typ 1, 2 und 3 genannt. Sie unterscheiden sich im Aufbau und der Anordnung der Zahnräder und sind für unterschiedliche Einsatzgebiete geeignet. Das grundlegende Prinzip bleibt jedoch gleich. In welchem Bereich und Ausmaß das Torsen Drehmoment verteilen kann, wird durch die Torque-Bias-Ratio (TBR) angegeben. Je höher das TBR, desto größer die sperrende Wirkung.

Im Folgenden wird der Aufbau des Typs Quaife ATB, Typ B, beschrieben, der oftmals als Achsdifferenzial verwendet wird.

Aufbau

Wie oben bereits beschrieben, ist das Torsen-Differenzial ein Getriebe zwischen den Rädern. Die Zahnräder sind als Schneckengetriebe ausgelegt und das Gehäuse ist innen mit Reibflächen versehen. Diese erzeugen die Friktion, die bei unterschiedlichen Drehmomentanforderungen an beiden Achsen das Drehmoment ungleichmäßig verteilt.

Wie bei einem offenen Differenzial wird die vom Motor kommende Drehung und das Drehmoment auf das große Tellerrad des Differenzials übertragen. Das Tellerrad ist mit dem Zahnradgehäuse fest verbunden und versetzt dieses in Drehung. Im Gehäuse sind auf jeder Seite mehrere zueinander versetzte Längsbohrungen, in denen die Schneckenzahnräder, Planetenräder genannt, liegen. Die Planetenräder jeder Seite sind mit der Schnecke ihrer Seite verbunden. Die Schnecken sind die Abgänge des Differenzials, beispielsweise zu den Rädern. Die Planetenräder sind zusätzlich mit dem versetzten Planetenrad der anderen Seite verzahnt.

Am Gehäuse- und an der Stirnseiten der Schnecken und der Planetenräder gibt es Reibscheiben. Deren Oberflächen setzen der Drehung der Zahnräder einen bestimmten Widerstand entgegen. Dieser steigt proportional mit dem Druck, mit dem die Zahnräder durch ihre Schrägverzahnung gegen die Flächen gepresst werden. In dem Moment, in dem die Zahnräder anfangen sich in ihrem Sitz zu drehen (Losbrechmoment), bleibt der Reibungswiderstand gleich, hier wechselt der Zustand von statischer zu kinetischer Friktion.

Torsen-Differenzial - Quaife ATB Torsen © Quaife
Schnitt durch das ATB TorsenTyp 2 von Quaife.
© Quaife

Die einzelnen Friktionen, die das TBR ausmachen:

  • Innerer Reibwiderstand des Schneckengetriebes an seinen Zahnflanken
  • Reibwiderstand der Planetenräder zum Gehäuse
  • Reibwiderstand der Schnecken an ihren Stirnseiten
  • Reibwiderstand der Schnecken am Gehäuse

Drehmomentverteilung

Während das offene Differential durch Anschauung noch leicht zu verstehen ist, kann das Torsen schon einen Knoten im Kopf hervorrufen. Da hilft eine vereinfachte Darstellung des Prinzips:

Nehmen wir an, wir haben einen Schraubenschlüssel in der Hand, der zwei Schrauben gleichzeitig drehen kann. Eine links und eine rechts. Die linke ist ganz leicht zu drehen, die rechte sehr schwer. Jetzt üben wir Kraft auf den Schlüssel aus, die über den Hebel auf die Schrauben als Drehmoment wirkt. An der rechten Schraube wird ein höheres benötigt als an der linken. Wir spüren die Summe der Widerstände, können aber nicht sagen, von welcher Schraube der höhere Widerstand kommt. Sobald wir das Drehmoment so erhöht haben, dass es gleich dem Gesamtwiderstand ist, lösen sich die Schrauben, das Losbrechmoment ist erreicht. Auch wenn wir jetzt beide Schrauben gleich schnell drehen, können wir nur vom Hinsehen nicht sagen, welche fester sitzt.

Im Grunde ist dies das Prinzip des Torsen. Dort, wo der Drehung mehr Widerstand entgegen steht, ist das wirkende Drehmoment höher. Die Verteilung des Drehmoments ist dabei nicht unbedingt mit den Augen zu erfassen, aber sie findet statt. Genauso wie bei dem Schraubenschlüssel.

Auf gerader Strecke mit guter Traktion
Ist die Traktion an beiden Rädern einer Achse gleich, herrschen im Differenzial die gleichen Reibungswiderstände und Kräfte. Das Drehmoment, welches nötig ist um die Schnecken zu drehen, ist auf beiden Seiten gleich, da beide Räder die gleiche Traktion haben. Über das Tellerrad und das Gehäuse wird das Drehmoment des Motors auf die Planetenräder übertragen. Die Planetenräder würden sich jetzt normalerweise über ihre Schneckenräder abrollen, aber das können sie in dem Fall nicht. Denn dann würden sie selbst und somit auch die Räder in die entgegengesetzte Richtung drehen. Die Traktion der Räder verhindert genau das, was zur Verriegelung der Zahnräder führt. Die Planetenräder bleiben still stehen, rotieren aber mit dem Gehäuse und nehmen dabei ihre Schnecken mit.

Drehzahlausgleich und Drehmomentverteilung
Um nun das Drehmoment unterschiedlich verteilen zu können, nutzt man die Reibungswiderstände. Je höher dieser Widerstand, desto mehr Drehmoment wird dort zu dessen Überwindung benötigt. Die Seite mit den höheren Widerständen bekommt mehr Drehmoment.

Diese Friktion wird auf zwei Arten erzeugt. Zum einen durch die Zahnflanken von Schnecke und Planetenrad und zum anderen durch Axialkräfte, die bei Schrägverzahnung entstehen. Die Axialkräfte drücken die Schnecken und die Planetenräder seitlich gegen Reibflächen. Die Schnecken in die eine und die Planetenräder in die andere Richtung. Mit Änderung des Kraftflusses (Lastwechsel zwischen Zug- oder Schubbetrieb) wechselt auch die Richtung, in die die Zahnräder gedrückt werden. Mit steigendem Druck steigt auch der Reibwiderstand, bis das Losbrechmoment erreicht ist.

Der Drehzahlunterschied zwischen äußerem und innerem Rad bei Kurvenfahrt überwindet die Friktionswiderstände im Differenzialgetriebe. Die Räder zwingen die Schneckenräder zur Drehung, die dann ihre Planetenräder drehen. Das äußere Rad dreht dabei im gleichen Maße schneller als das Gehäuse, wie das innere langsamer als das Gehäuse dreht. Dreht das innere Rad beispielsweise 5 Umdrehungen weniger, dreht das äußere exakt 5 Umdrehungen mehr. Dadurch entsteht die in Teil 1 beschriebene relative entgegengesetzte Drehung der Räder bzw. Schnecken zueinander. Nun erfolgt über die Planetenräder der Ausgleich. Dabei müssen sie immer gegen die Friktion arbeiten.

Für das Torsen bringt das langsamere Rad der Drehung mehr Widerstand entgegen als das schnellere. Es weiß nicht, dass es sich um eine Kurvenfahrt handelt. Mit anderen Worten, der Zahnflankendruck ist auf der langsamer drehenden Seite höher, also sind dort auch die Axialkräfte und die Friktion an den Zahnflanken höher. Diese Widerstände machen den TBR aus, in dessen Verhältnis jetzt mehr Drehmoment vom äußeren auf das innere Rad übertragen wird.

Bei einseitigem Traktionsverlust – Drehmomentverteilung
Vom Prinzip her geschieht das Gleiche wie bei der Kurvenfahrt, nur dass es in diesem Fall nicht zu einem Drehzahlausgleich kommt. An dem Rad, mit niedriger Traktion wird ein niedrigeres Drehmoment angefordert. Daher wirkt auf die Zahnflanken dieser Seite weniger Kraft und der axiale Druck lässt nach. Die Friktion auf dieser Seite sinkt, es wird weniger Drehmoment übertragen. Auf der anderen Seite bleibt das Drehmoment im Verhältnis des TBR höher.

Wichtig ist an dieser Stelle, dass keine anderen Kräfte zur Erzeugung der Sperrwirkung eingebracht werden müssen, wie dies beispielsweise bei einer kupplungsbasierten Sperre der Fall wäre. Es werden nur die vom Motor (Zugbetrieb) oder den Rädern (Schubbetrieb) eingehenden Kräfte dazu genutzt.

Weshalb sich ein Torsen bei komplettem Traktionsverlust wie ein offenes Differenzial verhält
Der Schlüssel zu einer beidseitigen Abgabe von Drehmoment ist die Friktion zwischen Schnecke und Planetenrad. Wenn die linke Schnecke kein nennenswertes Drehmoment mehr erzeugt, kommt es auf beiden Seiten zu keinem nennenswerten Widerstand zwischen Schnecke und Planetenrädern mehr. Die Planetenräder rollen sich über ihre Schnecken ab. Die linke Schnecke wird dabei sowohl vom Gehäuse als auch über die Drehung des rechten Planetenrads getrieben.

Die folgende Animation eines Type A Torsen zeigt die unterschiedlichen Situationen sehr gut:

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Unterschiedliche TBR nach Fahrzustand sind möglich
Die üblicherweise möglichen TBR reichen von 2,5:1 bis zu 6:1. Wie bereits oben beschrieben wird die Höhe der Sperrwirkung im Wesentlichen über die Winkelstellung der Schneckenzähne und über die Reibungskoeffizienten der Flächen eingestellt. Um auf das TBR je nach Fahrzustand Einfluss zu nehmen wird ein weiterer Effekt des Schneckengetriebes benutzt. Je nach Verzahnungsrichtung und Kraftfluss (Zug-, Schubbetrieb) im Getriebe werden die Zahnräder zur einen oder anderen Seite gedrückt. Durch Oberflächen und Reibscheibensätze mit unterschiedlichen Reibwerten gegen welche die Schnecken gedrückt werden, kann so das TBR zusätzlich verändert werden.

Auf diese Art ist auch eine dauerhafte unterschiedliche Drehmomentverteilung möglich, wie sie für den Einsatz als Mitteldifferential zwischen zwei Achsen interessant ist. So können Vorder- und Hinterachse unterschiedlich stark angetrieben werden.

Zum ersten Teil: Sperriger Ausgleich – Die verschiedenen Differenzialsperren – Teil 1
Zum dritten Teil: Sperriger Ausgleich – Kupplungsbasierte Sperrdifferenziale – Teil 3

© Bilder: RT Quaife Engineering Ltd.