Claudia und Bernd von Bodensee Overlander sind jetzt gut acht Monate mit ihrem Defender auf Weltreise. Von Deutschland aus fuhren sie über Iran, Zentralasien, China und Pakistan bis nach Indien. Momentan nehmen sie sich eine kleine Auszeit in Goa. Was sie bisher auf ihrer Weltreise erlebt haben und was sie bewegt, könnt ihr jetzt bei uns lesen.
1. Wie viele Kilometer seid ihr bereits gefahren und in welchen Ländern wart ihr bereits?
Wir sind bis heute 28.036 Kilometer gefahren. Das sind im Schnitt 110 Kilometer am Tag. Wir haben auf unserer Reise 18 (19, wenn man Deutschland mitzählt) Länder mehr oder weniger lange bereist. In Bosnien Herzegowina waren wir weniger als eine Stunde, in Turkmenistan nur drei Tage, dafür 45 Tage im Iran und mehr als einen Monat in Kirgisistan.
2. Euer Calimero hat jetzt schon einige Kilometer auf dem Buckel. Wie hat sich der Defender auf der Reise bisher geschlagen?
Calimero hat über 320.000 Kilometer auf dem Buckel und wir sind sein sechster Besitzer. Da wurde schon kräftig gehobelt, bevor wir losgefahren sind.
So hat unser Calli jegliche Flüssigkeiten von sich gegeben, die er so hat. Die Spurstange haben wir uns zweimal verbogen und wir mussten am Rahmen und am Tank schweißen. Außerdem hat uns eine Radnabe immer wieder Ärger gemacht, da sich die Gewinde immer zerlegt haben. Aber er hat uns nie komplett im Stich gelassen. Wären wir in Deutschland, würde ich vieles ordentlich austauschen oder reparieren, aber die iranischen, kirgisischen, pakistanischen und indischen Provisorien halten soweit ganz gut.
Alles in allem gibt es gute und schlechte Tage in unserer Beziehung zu Calimero aber immerhin hat er uns bis nach Indien gebracht.
3. Den Wagen habt ihr vorab umgebaut. Was würdet ihr sagen, hat sich auf jeden Fall bewährt und was würdet ihr heute anders machen?
Wir würden uns ein Auto kaufen, das mehr Wohnraum bietet. Wir sind so oft ins Auto geflüchtet, weil es draußen saukalt war, wir keine Privatsphäre gefunden haben, es vor Moskitos nur so gewimmelt hat oder es so stark gewindet hat, dass es keinen Spaß gemacht hat, vor dem Auto zu sitzen. Unser Ausbau ist superpraktisch, aber nicht sehr gemütlich. Das liegt vor allem an der Bauform vom Defender. Durch die (geniale) Bodenfreiheit verliert man viel Wohnraum.
Außerdem würden wir nicht noch einmal ohne Klo aufbrechen. Dafür könnte das nächste mal die Foxwing zuhause bleiben, ein Tarp mit zwei Stangen tut es genauso.
4. Man hört, dass Overlander auf einer Weltreise 1.000 bis 2.000 Euro pro Monat ausgeben. Wie sieht das bei euch aus?
Claudia und ich brauchen im Schnitt 1.100 Euro im Monat. Das inkludiert alle Kosten. Bis Pakistan haben wir fast immer selbst gekocht und wir haben versucht, Autoprobleme selbst zu reparieren. Lebensmittel, Diesel und Visa waren die größten Posten auf unserer Reise.
Das wird aber nicht ganz so günstig bleiben, da wir noch verschiffen wollen und auch Flüge buchen müssen. Wir werden nach 12 Monaten Reise den Schnitt auf circa 1.500 Euro im Monat anheben.
5. Was waren die drei schönsten Dinge, die ihr bisher auf der Reise erlebt habt?
1) Wir haben in der Türkei mitten am Tag Schildkröten beim Eierlegen entdeckt, das war ein geniales Erlebnis auf unserer Reise.
2) Die Ausfahrt aus China ins unfassbar schöne Pakistan. Nach vier Tagen wirklich anstrengendem Reisen durch China, standen wir auf dem Khunjerab Pass in China und haben das erste Mal auf Pakistan geblickt. In dem Moment waren auch die Grenzbeamten so freundlich, dass wir vor Glück fast erschlagen waren.
3) Unsere erste Fahrt in die Wüste im Iran. Für uns war die Dasht-e-Kavir die erste Wüste, die wir je bereist haben. Obwohl es eine Tortur war, im Hochsommer bei brütender Hitze dort zu sein, werden wir die Momente nie vergessen. Diese Vielfalt, die Weite, die Kamele und die Hitze haben uns umgehauen.
6. Gab es schon Momente, in denen ihr richtig Angst hattet?
Der erste Polizeikontakt im Iran hat uns Angst gemacht. Um 01:00 Uhr in der Nacht haben zwei stark bewaffnete Männer in Zivil an unserem Auto geklopft und wollten unsere Pässe sehen. Wir wussten nicht ob es sich wirklich um Polizisten handelt, wussten aber keinen Ausweg. Daher bin ich ausgestiegen und habe mich mit ihnen unterhalten. Es endete mit ein paar Selfies und war alles halb so schlimm.
Ein andermal standen wir in einem trockenen Bachbett, bei einem Gewittersturm in Armenien. Die Hagelkanonen haben gegen den Hagel gekämpft und in der Ferne haben wir Schüsse aus Schnellfeuergewehren gehört. Das war gruselig, aber ungefährlich.
Am meisten Angst hatten wir aber, als wir von einem Bienenschwarm in der Türkei angegriffen worden sind. Wir haben das Auto abgeschlossen und sind ein paar Meter gegangen, da hingen uns mehrere Bienen schon in den Haaren und haben uns auf die Kopfhaut gestochen. Bis wir das Auto aufgeschlossen hatten und flüchten konnten, waren wir schon verstochen. Claudia hat an den folgenden Tagen allergisch auf die Stiche reagiert und musste sich auch von Schürfwunden erholen, denn sie ist bei der Flucht vor den Bienen gestürzt.
7. Gibt es etwas, das am Reisen allgemein oder am Offroadreisen irgendwann nervt?
Claudia: Die Inder! Spaß beiseite, ohne Klo zu reisen kann manchmal echt nervig sein.
Bernd: Als Nicht-Mechaniker mache ich mir immer Sorgen ums Auto. Immer gibt es Kleinigkeiten zu tun. Wenn man Probleme vor sich wegschiebt, summieren sie sich nur auf. Im Iran und in Indien haben wir uns manchmal mehr Privatsphäre gewünscht.
8. Welches Land hat euch bisher am meisten fasziniert und warum?
Bernd: Die mitunter schwerste Frage … Ich kann das nicht über ein Land sagen, aber die Bergregionen in Kirgisistan, Tadschikistan und Pakistan sind der Oberhammer. Die Unberührte Natur in vielen Gebieten dieser Länder finde ich unglaublich faszinierend.
Claudia: Griechenland und die Türkei haben mich am allermeisten überrascht. Ich hatte eine völlig falsche Vorstellung von diesen Ländern. Ich hatte hauptsächlich Hotelanlagen, All-Inclusive Urlauber und Strände im Blick. Die Natur war umwerfend und vielseitig. Dazu verstecken sich die Touristen ja in ihren Hotelanlagen, die haben wir daher gar nicht gesehen.
9. Gibt es ein Land, in das ihr nicht noch mal fahren würdet?
Mit dem eigenen Auto durch China würden wir so nicht mehr machen. Nur wenn die bürokratischen Hürden auf ein erträgliches Maß sinken, ziehen wir China noch einmal in Betracht. Außerdem war das für uns wahrscheinlich die letzte Reise im Fahrzeug durch Indien. Indien hat uns nicht so begeistert. Der verrückte Verkehr ist nur ein Problem in Indien. Viele Absprachen wurden nicht eingehalten und im Nachhinein wurde immer mehr Geld verlangt als vereinbart. Das hat uns so gestört, dass wir nun in Goa am Strand entspannen.
Hier möchten wir unbedingt nochmal hin, aber mit dem Flieger!
10. Was vermisst ihr auf der Reise bzw. worauf freut ihr euch?
Wir freuen uns auf ein bisschen Normalität in unserem nächsten Reiseland. Wir wollen wieder zurück in die Einsamkeit der Natur. Wandern, Kanu fahren und Offroad fahren. Wir können uns noch gar nicht vorstellen, wie es sein wird, einen normalen Supermarkt zu nutzen.
Wir vermissen unsere Freunde und unsere Familie, aber können durch die heutige Technologie schnell Kontakt nach Hause aufbauen. Wir vermissen auch Bürger Maultaschen und ordentliche Käsepätzle. Claudia vermisst ihre Tiere, die sie in Deutschland zurücklassen musste.
11. Wie würdet ihr sagen, dass euch das Reisen verändert hat?
Wir haben vor allem gelernt. Wir haben viel über uns selbst gelernt, was wir aushalten und wo unsere Grenzen sind. Wir haben gelernt, die Standards in Deutschland zu schätzen. Stabile Elektrizität, fließendes Trinkwasser, eine ordentliche Toilette und gutes WLAN sind nur ein paar der vielen Punkte. Allein die soziale Absicherung in Deutschland ist unfassbar gut, im Vergleich mit den Ländern durch die wir gereist sind.
Bernd: Ich habe meinen Kopf so frei bekommen, dass ich kreativer geworden bin. Ich glaube ich bin auch etwas geduldiger geworden.
Claudia: Naja, nicht immer. Ich habe gelernt über den Tellerrand zu schauen. Vor der Reise wäre ich nicht einmal alleine von Heidelberg an den Bodensee mit dem Zug gefahren. Darüber bin ich nun weit hinaus.
12. Gibt es schon konkrete Pläne, was nach Indien kommt? Wie lange werdet ihr noch unterwegs sein?
Im Februar verschiffen wir Calimero nach Kanada. In Kanada und den USA möchten wir unsere nächsten zwei Reisejahre verbringen. Eigentlich wollten wir in drei Jahren die Welt umrunden. Wir haben uns aber etwas eingebremst und wollen uns länger auf die Länder einlassen, die Natur noch entspannter entdecken. Wenn wir dann doch den Weg nach Süden finden, ist das gut. Das ist aber momentan nicht der Plan. Wir planen weiterhin mit groben drei Jahren auf Reise.
Eins sei aber gesagt. Das bleibt nicht „DAS Abenteuer unseres Lebens“. Es werden weitere große Reisen folgen, vielleicht irgendwann als Familie. Wir haben Blut geleckt!
© Fotos: Claudia und Bernd, Bodensee-Overlander