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Interview: Mit dem Beast über die Seidenstraße nach Osten

Annette und Stefan sind seit September 2014 mit ihrem Mercedes G, dem Beast, unterwegs Richtung Osten. 47.000 Kilometer sind sie bisher gefahren, 24 Länder haben  bereits bereist. Wir sprachen mit Ihnen, wie sie sich auf die Reise vorbereitet haben und wo es am schönsten war.

Wie sind seid ihr auf die Idee mit der Reise gekommen?

Für uns war der Zeitpunkt gerade günstig, unser Sohn hatte das Haus zum Studieren verlassen und wir hatten unser Unternehmen verkauft. Für uns war klar, wenn wir nicht jetzt eine solche Reise machen, dann wahrscheinlich nie.

Afrika und Südamerika schieden zu dem damaligen Zeitpunkt aus. Außerdem lebten Annettes Brüder in den 70er Jahren einige Zeit in Indien, deshalb war Asien für uns sehr reizvoll. Da ein Freund von uns in Singapur lebt und wir über die Seidenstraße bereits einige Dia-Vorträge besucht hatten, war irgendwann klar, wir fahren Richtung Osten entlang der Seidenstraße nach Singapur.

Im Hintergrund der Rakaposhi mit 7.788 m, Karakorum
Im Hintergrund der Rakaposhi mit 7.788 m, Karakorum

Habt ihr euch vorher überlegt, wie lange die Reise dauern soll?

Nein, für uns stand das Ziel fest, aber der Weg und wie lange das Ganze dauern wird, war offen. Die Route musste wir oft anpassen und wir hatten auch keine Ahnung, wie schnell oder langsam wir reisen würden. Da wir in den meisten Ländern niemals zuvor waren, wollten auch nicht einfach nur durchfahren.

Wie seid ihr auf den Namen „Beast“ für den Mercedes gekommen?

Wir haben viele Berichte von Reisenden gelesen und alle hatten einen Namen für ihr Fahrzeug. Ursprünglich haben nicht nach einem Namen für den Wagen gesucht, sondern nach einen Titel für unseren Blog. Als wir darüber nachdachten, was sich denn auf East reimt, kam dann irgendwann Beast hinzu. Das fanden wir irgendwie passend: Mybeastgoeseast. Das Fahrzeug war zu Beginn ja auch komplett schwarz und sah schon etwas beastig aus. Unterwegs wurde dies auch oft bestätigt, oft hörten wir Aussagen wie „this is a beast“ oder „das ist ja ein Monstrum“.

Shey, ehem. Hauptstadt Ladakhs in Indien
Shey, ehem. Hauptstadt Ladakhs in Indien

Warum habt ihr euch für einen Mercedes G entschieden?

Mein (Stefans) Traum war immer ein Unimog, aber als wir uns für ein Fahrzeug entschieden haben, fiel die Wahl auf einen Mercedes-Benz G. Der Hauptgrund war wohl, dass wir ihn schon hatten, allerdings als Limousine und nicht als Reisemobil. Aber wir wollten nichts Gebrauchtes, wo wir die Vorgeschichte und die eventuellen zukünftigen Probleme nicht kennen.

Ein ausgezeichnetes weltweites Servicenetz und die Erfahrung von über 35 Jahren G-Klasse waren für uns ebenso Argumente, uns für einen Mercedes G zu entscheiden. Wir fahren damit durch alle Innenstädte, an die entlegensten Strände und über die unwegsamsten Gebirge. Die Verschiffung des Wagens ist für uns kein Problem, denn in einem Container ist allemal Platz für einen G. Bei einem Unimog hätte das anders ausgesehen. Auch sind viele historischen Städte oder Megacities mit einem Truck doch nur sehr schwer zu befahren.

Passu Cones, Karakoram-Highway
Passu Cones, Karakorum-Highway, Pakistan

Wie habt ihr euch auf die Reise vorbereitet?

Wir haben viel gelesen, viel über Ausrüstung und was wir wirklich brauchen werden. Wir haben Messen und Dia-Vorträge besucht. Ein befreundeter Arzt hat uns eine umfangreiche Reiseapotheke zusammengestellt. Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass unser Briefkasten nicht überläuft und dass ab und zu jemand lüftet. Unser Sohn scannt alle zwei Wochen die Post ein und schickt sie uns per E-Mail.

Wie genau habt ihr eure Route im Vorfeld geplant?

Zu Beginn der Reise stand eine mehr oder weniger exakte Route bis in die Türkei. Alles andere erschien uns zu weit entfernt. Wir hatten die Seidenstraße im Visier und hierbei handelt es sich ja nicht nur um eine Straße, sondern um ein ganzes Netz, mit vielen Varianten. Nur das Ziel Singapur stand fest.

Anfangs hatten wir geplant, den Wagen vom Iran nach Indien verschiffen, da wir nicht durch Pakistan fahren wollten. Als wir aber keine passende Schiffsverbindung fanden und wir bereits einige Reisende, die von Pakistan kamen, getroffen hatten, entschieden wir uns doch für eine Route über Pakistan.

Grenze zu Pakistan
Grenze zu Pakistan

Zuerst wollten wir die direkte Route Iran, Pakistan nach Indien nehmen, aber in Teheran erhielten wir kein Visum für Pakistan. Deshalb mussten wir unsere zweiten Reisepässe nach Deutschland schicken, damit uns eine Visaagentur die Pakistanvisa besorgen und die Pässe zur deutschen Botschaft nach Bischkek in Kirgisistan schicken konnte. Um die Zeit zu nutzen, fuhren wir dann in die STAN-Länder, durchquerten Turkmenistan, Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan. Über China fuhren wir schließlich nach Pakistan und Indien. Pakistan haben wir keine Sekunde bereut, das Land ist so wunderschön und die Menschen hilfsbereit und überaus freundlich.

Typische Brücken in Pakistan
Typische Brücken in Pakistan

Wo habt ihr euch über eure Routen und Ziele informiert?

Ziemlich zu Beginn unserer Planungen sind wir nach Stuttgart auf die CMT (Caravan – Motor – Touristik), eine der größten Publikumsmessen für Touristik und Freizeit, gefahren. Dort präsentieren sich viele Länder, es gibt umfangreiches Material und man kann mit den Leuten sprechen. Teilweise bekamen wir Karten, Campingübersichten, Tipps über Sehenswürdigkeiten und einiges mehr. Reiseführer, Blogs und andere Reisende, die man unterwegs trifft, sind ganz wichtige Quellen. Natürlich haben wir auch immer auf die Seiten des Auswärtigen Amtes geschaut, wobei wenn man dort alles beachtet, will man schon gar nicht mehr auf der Straße nach Spanien fahren.

Pakistanische Kunst am Traktor
Pakistanische Kunst am Traktor

Was war das Schönste, das ihr auf eurer Reise bisher erlebt habt?

Grandiose Landschaften und tolle Sonnenuntergänge, die Sieben- und Achttausender des Karakorum wie auch des Himalaya sind unvergesslich. Das Schönste aber waren stets Begegnungen mit Menschen aus anderen Kulturen. Wir sind so oft überrascht worden mit netten Gesten und Einladungen von Menschen, wo wir es überhaupt nicht erwartet hätten.

Ladakh in Indien
Ladakh in Indien

Beispielsweise in Tadschikistan, wo die Menschen durchschnittlich über ein Einkommen pro Jahr von 200 USD verfügen, wollten wir Brot kaufen. Da die Menschen dort jedoch alle selbst backen, gab es keines zu kaufen und als wir bei einer Familie nach Brot fragten, bekamen wir dieses geschenkt und wurden auf eine Tasse Tee eingeladen.

Trucks auf engen Straßen, Manali-Leh Highway Indien
Trucks auf engen Straßen, Manali-Leh Highway Indien

Im Iran übernachteten wir einige Tage in Mashad in einem Park und ein Iraner kam jeden Tag mit seiner Familie zu uns und versorgte uns mit Essen und fragte wie es uns geht. Er sei Mechaniker, wenn wir ein Problem hätten, sollen wir ihn anrufen, er würde kommen. „Not for money, for god.“

Deosai Plains, Pakistan
Deosai Plains, Pakistan

Das waren für uns immer die schönsten Erlebnisse. Ein Höhepunkt der Reise war sicherlich die Begegnung mit den Menschen in Indien, die mit Annettes Brüdern in den 70er Jahren dort zusammengelebt haben. Und die Häuser und Dörfer zu sehen, wo ihre Brüder damals gelebt haben.

Ehemalige Vermieterin von Annettes Bruder, Haripur in Indien
Ehemalige Vermieterin von Annettes Bruder, Haripur in Indien

Welche Länder haben euch bisher am besten gefallen und warum?

Davon gibt es natürlich viele, die Top 3 für uns sind im Moment aber der Iran, Pakistan und Myanmar.

Tso Moriri in Ladakh, Indien
Tso Moriri in Ladakh, Indien

Der Iran hat Wüsten, war für uns völlig neu war, 2 Meere und hohe Berge nördlich von Teheran. Die Menschen sind überaus gastfreundlich, genauso wie in Pakistan. Dort beeindruckten uns die mächtigen Gipfel des Karakorum und das Deosai-Plateau. Die Fahrt auf dem Karakorum-Highway und die Überquerung des Attabad Lake war für uns ein Highlight.

Fahrt über den Attabad Lake
Fahrt über den Attabad Lake, Pakistan

Myanmar mussten wir zwar mit einem Offical der Regierung und einem Guide bereisen, trotzdem gefiel uns das Land mit seinen Landschaften und Menschen. Die buddhistische Kultur ist überall zu sehen und die Tempelstädte sind beeindruckend.

Ihr habt auf eurer Reise auch nicht so schöne Momente erlebt. Könnt ihr davon erzählen?

In Eriwan, der Hauptstadt Armeniens wurden uns in der Nacht alle Scheinwerfer unseres G gestohlen. Die Kabel und Wasserleitungen für die Scheinwerferwaschanlage wurden natürlich einfach mit der Zange gekappt und der Ersatz plus Einbau hat uns über 2000 Euro gekostet.

Aber den Tiefpunkt hatten wir im Sommer, als Annettes Mutter schwer erkrankte und wir gerade in Tadschikistan auf dem Pamir-Highway an der afghanischen Grenze unterwegs waren. In drei Tagen fuhren wir zurück nach Osh und Annette flog nach Deutschland, wo sie noch bei ihr sein konnte, bevor sie leider verstarb.

Gab es Situationen, in denen ihr wirklich Angst hattet?

Nein. In Kirgisistan kam einmal nachts ein total betrunkener Hirte mit seinem Pferd in unser Zelt. Der war aber zu betrunken, um uns wirklich Angst einzuflößen. Er war wohl auf der Suche nach einem Schlafplatz, wir halfen im zurück aufs Pferd und dann ritt er wieder in die Nacht hinaus.

Gibt es Länder, in die ihr nicht noch mal fahren würdet? Wenn ja, warum?

Ganz klar Turkmenistan, wir fühlten uns sehr unwillkommen, die Sehenswürdigkeiten sind kaum beschildert und schlecht zu finden, sogar die UNESCO-Weltkulturstätten. Aschgabat wirkte auf uns wie eine leblose Stadt aus einem schlechten Sciencefiction-Streifen.

Usbekistan
Usbekistan

Und leider steht auch Indien auf der Liste der Länder, die wir nicht mehr besuchen möchten. Es ist zu laut, zu nervig und zu gefährlich. Im Straßenverkehr interessieren die Verkehrsregeln niemanden und wir hatten auf dem Expressway (Autobahn) einen Beinahe-Frontalzusammenstoß mit einem schweren Truck, der auf „unserer“ Überholspur mit Höchstgeschwindigkeit als Geisterfahrer unterwegs war.

Das ständige Hupen auf den Straßen endet auch in der Nacht nicht und wirkliche Ruhe war sehr schwer zu finden. Auch der Dreck und Müll ist in Indien mit Abstand am Auffälligsten, an das öffentliche Urinieren und auf die Straße rotzen, konnten wir uns auch kaum gewöhnen.

Was glaubt ihr, welche Eigenschaften braucht ein Mensch, um eine mehrjährige Weltreise zu machen?

Er muss den Mut haben, den ersten Schritt zu tun, alles andere kommt dann von selbst. Zu oft finden wir Gründe, um eine Reise nicht zu unternehmen.

Was habt ihr auf eurer Reise mit dem Beast über euch und das Leben in Westeuropa gelernt?

Dass wir in Westeuropa auf sehr, sehr hohem Niveau klagen und dass unsere Gastfreundschaft und unsere Hilfsbereitschaft im Vergleich zu anderen Ländern bedauerlich gering ist. Auf uns machten viele Menschen, die mit viel weniger als wir auskommen müssen, einen wesentlich glücklicheren Eindruck, als manch ein Westeuropäer und so muss wohl etwas an dem Sprichwort dran sein, dass Geld nicht glücklich macht.

Mehrfachsteckdose in Usbekistan
Mehrfachsteckdose in Usbekistan

Wir haben gelernt, mit wie wenig man eigentlich auskommen kann und dass das Bild, das uns die Medien in Europa von vielen muslimischen Staaten vermitteln, ein völlig anderes ist, als das was wir persönlich erlebt haben.

Annette und Stefan vor einer Jurte, Kirgisistan
Annette und Stefan vor einer Jurte, Kirgisistan

Über Annette und Stefan
Die beiden sind 47 Jahre alt, waren 15 Jahre lang selbstständig. 2014 haben sie sich mit dem Beast auf den Weg nach Asien gemacht. Sie bloggen auf MyBeastGoesEast.